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Münster (upm/lp).
Das linke Bild zeigt einen Teil des Flusses Falémé. Er ist verschmutzt. Die Spitze eines Bootes ragt von links in das Bild hinein. Das rechte Foto zeigt eine vertrocknete Ackerfläche<address>© Emma Wendt</address>
Der Falémé-Fluss im Senegal diente einst als Wasserquelle für Ackerflächen. Mittlerweile ist das Wasser von giftigen Stoffen durchsetzt und macht landwirtschaftliche Nutzung undenkbar.
© Emma Wendt

Forschen zwischen Gift und Gold

Teil 7 der Serie „Von der Uni in die Welt“: Doktorandin Emma Wendt untersucht soziale Folgen des Goldabbaus im Senegal

Im Südosten Senegals – entlang der Grenze zu Mali – schlängelt sich der insgesamt 675 Kilometer lange Fluss Falémé durch die karge Landschaft Westafrikas. Einst eine Lebensader für die Menschen der Region, lieferte er Trinkwasser und speiste Ackerflächen. Doch dieser Ruf gehört seit einigen Jahren der Vergangenheit an. Durch die zunehmende Verwendung giftiger Chemikalien für den semi-industriellen sowie privaten Goldabbau wurde das Wasser kontaminiert. Die Folge: Landwirtschaft ist kaum noch möglich, Viehhaltung bricht ein und die Trinkwasserversorgung vieler Dörfer steht auf der Kippe. Welche sozialen Folgen hat diese Entwicklung für die am Fluss gelegenen Regionen Tambacounda und Kédougou? Eine Münsteranerin will es genau wissen – die Doktorandin Emma Wendt vom Institut für Ethnologie der Universität Münster untersucht für ihre Dissertation die Auswirkungen der Flussverschmutzung und wie die Umweltzerstörung und wirtschaftliche Abhängigkeit zusammenhängen.

Der Falémé sei für viele Dörfer die einzige Süßwasserquelle, erläutert sie. „Durch den Goldabbau werden jedoch immer mehr giftige Stoffe in das Wasser eingetragen, nicht nur von großen Unternehmen, sondern auch von halbmechanisierten und privaten Minen.“ Einst diente das Wasser als Grundlage für Bewässerung, Viehzucht und Ritualhandlungen wie beispielsweise Gebetswaschungen als Hochzeitsritual. All das ist heute nicht mehr möglich. Ohne fruchtbares Land verlieren die Familien zudem ihre Existenzgrundlage und wenden sich aus Mangel an Alternativen selbst dem Goldabbau zu oder verlassen das Land.

Emma Wendt – hier in der traditionellen westafrikanischen Kleidung des Volkes Peulh – ist Doktorandin am Institut für Ethnologie und schreibt ihre Dissertation über die sozialen Folgen der Umweltverschmutzung im Senegal.<address>© privat</address>
Emma Wendt – hier in der traditionellen westafrikanischen Kleidung des Volkes Peulh – ist Doktorandin am Institut für Ethnologie und schreibt ihre Dissertation über die sozialen Folgen der Umweltverschmutzung im Senegal.
© privat
Ihre Beobachtungen zeigen, wie tief der Goldabbau in das gesellschaftliche Gefüge eingreift: In Kédougou etwa heiraten junge Männer früher, weil sie durch den Fluss schneller an Geld kommen. In Tambacounda dagegen bleiben viele unverheiratet – ihnen fehlt die wirtschaftliche Basis. Der Widerstand gegen den Goldabbau ist dort demnach größer und spaltet die senegalesische Gesellschaft. Hinzu kommt die Emigration, die für viele Familien zur letzten Hoffnung wird. „Viele Männer gehen nach Europa, um ihre Familien zu unterstützen“, berichtet Emma Wendt. Etwa zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes sind auf Überweisungen aus dem Ausland zurückzuführen. „Ich habe während meines Aufenthalts Frauen kennengelernt, die eine Familie gründen wollen, ihre Ehemänner aber jahrzehntelang nicht gesehen haben. Diese Gespräche haben mich sehr bewegt“, unterstreicht die Doktorandin.

Ist das Goldschürfen also gerechtfertigt oder nicht? „Das ist eine vielschichtige, moralische Frage, die nicht pauschal mit ja oder nein beantwortet werden kann“, meint Emma Wendt. „Auch im Süden Senegals würden viele Menschen den Abbau gerne vermeiden. Sie haben aus wirtschaftlicher Sicht aber keine andere Möglichkeit.“ Eine Auflage der senegalesischen Regierung, wonach der Goldabbau im Umkreis von 500 Metern zum Fluss noch bis Juni 2027 verboten ist, habe an der Situation wenig verändert. Nur mit Verboten sei der Bevölkerung nicht geholfen. Vielmehr müssten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse verbessern, um die Abhängigkeit vom Gold zu reduzieren. Die Förderung wasserschonender Landwirtschaft – etwa durch den Anbau von Chili oder anderen Pflanzen, die wenig Wasser verbrauchen – sei ein Ansatz.

Ihr Projekt, das von der Kultur- und Sozialanthropologin Prof. Dr. Dorothea Schulz betreut wird, begann 2023 mit einem ersten Erkundungsaufenthalt. Von August 2024 bis März dieses Jahres folgte die Feldphase mit Interviews, Beobachtungen sowie Gesprächen mit der Bevölkerung, Verwaltungsangestellten und Aktivisten. Von der Hauptstadt Dakar ging es in einem klimatisierten und mit Internet ausgestatteten Shuttlebus ins über 700 Kilometer entfernte Kedougou. „Das war sehr unkompliziert – die Infrastruktur hat sich in den vergangenen Jahren spürbar verbessert“, berichtet Emma Wendt. Gestützt wurde sie während ihres Forschungsaufenthaltes von bestehenden Kontakten: Bereits einige Jahre zuvor hatte sie während eines privaten Senegal-Aufenthaltes ihre spätere Gastfamilie kennengelernt.

2018 war sie erstmals im Senegal und „verliebte“ sich während ihres Urlaubs in das Land und die Kultur. Es folgten ein Praktikumsaufenthalt bei der Konrad-Adenauer-Stiftung in der Hauptstadt Dakar und eine dreiwöchige Senegal-Exkursion, auf der Studierende verschiedener Fachrichtungen einen Einblick in religiöse Orte und Praktiken des Landes bekamen. Dass es dabei nicht bleiben sollte, wusste sie schnell. „Bei meinem ersten Aufenthalt war mir direkt bewusst: Ich möchte mein Promotionsprojekt über den Senegal schreiben.“

Mittlerweile sind die langen Aufenthalte im 18-Millionen-Einwohner-Land abgeschlossen, nun geht es an die Auswertung der Beobachtungen und Interviews. Dass sie in näherer Zukunft erneut nach Westafrika reisen wird, um Nachfragen zu klären und Themenschwerpunkte zu vertiefen, schließt sie jedoch nicht aus. Und danach? „Ich kann mir gut vorstellen, in der Forschung und Lehre zu bleiben. Ebenso reizt mich die internationale Zusammenarbeit und die Arbeit in Nichtregierungsorganisationen oder Stiftungen.“ Eines steht jedenfalls fest: Die Verbindung zwischen ihr und dem Senegal bleibt bestehen – privat wie beruflich.

Autor: Linus Peikenkamp

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 8, 10. Dezember 2025.

 

<address>© Designservice</address>
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Serie „Von der Uni in die Welt“:

Immer schön im eigenen Saft schmoren, mit Scheuklappen durch den Lernmarathon, forschen ohne Kontakt zur Außenwelt? Nicht an der Uni Münster! Die Universität legt Wert auf Internationalität und eine weltoffene Atmosphäre. Wer eine Zeit lang im Ausland forscht oder lehrt, bringt viele Geschichten mit. Einige davon erzählen wir in dieser Serie.

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