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Münster (upm/lp).
Das Bild zeigt Doktor Christiane Bohn und Professor Doktor Dieter Heinz Jütting. Sie stehen vor einem Sportplatz. Sie halten ein Foto desselben Ortes von 1929 in der Hand. Zu dieser Zeit fanden die Deutschen Hochschulmeisterschaften statt.<address>© Uni MS - Linus Peikenkamp</address>
Prof. Dr. Dieter Heinz Jütting lehrte von 1990 bis 2008 am Lehrstuhl für Sportkultur und Weiterbildung. Dr. Christiane Bohn ist seit 2001 Lehrkraft für besondere Aufgaben im Arbeitsbereich Bewegungswissenschaften. Auf der historischen Aufnahme ist aus der gleichen Perspektive der 1923 eingeweihte Sportplatz am Horstmarer Landweg während der Deutschen Hochschulmeisterschaften im Jahr 1929 zu sehen.
© Uni MS - Linus Peikenkamp

„Die freundlich-familiäre Atmosphäre spüre ich noch heute“

Interview mit Christiane Bohn und Dieter Heinz Jütting zum 100. Jubiläum des Instituts für Sportwissenschaft

Münster, 1925: Das Preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung veranlasst die Gründung des „Instituts für Leibesübungen“ an der Universität Münster. Seinerzeit gehörte es keiner Fakultät an, sondern war dem Reichsausschuss für Leibesübungen unterstellt. Im Laufe der Jahrzehnte entwickelten sich Forschungsschwerpunkte, der Campus und die Lehre kontinuierlich weiter – seit 2001 firmiert es unter der Bezeichnung Institut für Sportwissenschaft. Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der münsterschen Sportwissenschaft sprechen die Sportwissenschaftlerin Dr. Christiane Bohn und der emeritierte Sportpädagoge Prof. Dr. Dieter Heinz Jütting im Interview mit Linus Peikenkamp über Meilensteine des Instituts.

 

Ist das runde Jubiläum auch aus Ihrer Sicht ein Grund zum Feiern?

Christiane Bohn: Sport hat an unserer Universität einen hohen Stellenwert. Er hilft jungen Menschen, eine Begeisterung für Bewegung zu entwickeln und weiterzugeben. Deswegen gibt es natürlich einen Grund zum Feiern, dass das hier professionell angeboten wird.

Dieter Heinz Jütting: Die symbolische Zahl ,100‘ zum Anlass zu nehmen, die erfolgreiche Entwicklung des Instituts von einem allgemeinen Hochschulsport hin zu einer wissenschaftlichen Einrichtung mit renommierten Professuren zu zeigen, halte ich ebenfalls für richtig und gut.

 

Wann hatten Sie erstmals Kontakt mit dem Institut, und welchen Eindruck hatten Sie?

Jütting: Mitte Oktober 1967 hatte ich in der Universitätssporthalle am Horstmarer Landweg als Student meinen ersten Volleyballunterricht. Die meisten Studierenden kannten Volleyball nicht. Bereits einen Monat zuvor hatte ich die Eignungsprüfung absolviert. Sie lief gut – nur im Turnen bin ich durchgefallen.

Bohn: Apropos Eignungsprüfung: Auch für mich war sie prägend. Ich habe 1988 angefangen, Russisch und Sport zu studieren. Die Eignungsprüfung musste ich aufgrund meines Sportabiturs nicht machen, die Anerkennung übernahm ein akademischer Oberrat. Er hat mich nett empfangen und mir die Bescheinigung ausgestellt, ohne mit der Wimper zu zucken. Diese freundlich-familiäre Atmosphäre spüre ich noch heute.

 

Haben Sie denn in den Sechzigern auch diese freundlich-familiäre Stimmung wahrgenommen?

Jütting: Teilweise. Ich begann das Studium in einer unruhigen Zeit. Zum Beispiel kam 1969 der damalige Bundeskanzler mit NSDAP-Vorgeschichte, Kurt Georg Kiesinger, nach Münster. Das war Anlass für Demonstrationen und Diskussionen in vielen Seminaren. Familiär war es vor allem bei den Sportexkursionen, beispielsweise beim Ruderlehrgang in Plön.

 

Wie hat sich denn insgesamt der Umgang mit den Studierenden verändert?

Jütting: Meine Lehre war häufig durch Projekte geprägt: So gründete ich 1991 mit Studierenden den Volkslauf ‚Rund um das Schloss‘, der mittlerweile als ‚Leonardo-Campus-Run‘ bekannt ist. Diese Projektarbeit war immer kollegial und konstruktiv.

Bohn: Ergänzend dazu veranstalten wir in jedem Jahr eine Prüfungsshow, bei der Studierende ihre herausragenden Prüfungsleistungen einem großen Publikum präsentieren. In einem Seminar bereiten Studierende das Event vor. Außerdem binden wir sie in zahlreiche Forschungsprojekte ein, sie führen Messungen durch und dürfen Labore wie das ‚OpenLab‘ nutzen.

 

Diese Form der Einbindung in die Forschung war früher nicht üblich?

Bohn: Früher war die Ausbildung überwiegend praxisorientiert. Mittlerweile haben wir mit dem bundesweit einzigartigen Bachelorstudiengang ‚Human Movement in Sports and Exercise‘ ein Fach, in dem gezielt zukünftige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ausgebildet werden. Zudem legen wir in der Lehre viel Wert auf die Vermittlungsfähigkeiten der Studierenden.

Jütting: Diesen Eindruck kann ich bestätigen. Zu meiner Studiumszeit war der Theorieanteil gering, der Fokus lag auf der sportlichen Ausbildung. Als ich das Studium 1972 abschloss und Münster vorerst verließ, gab es keine Professur und das Institut für Leibesübungen hatte den Status einer zentralen Einrichtung. Das änderte sich drastisch. Als ich 1990 berufen wurde, gab es den Fachbereich Sportwissenschaft mit zwei Instituten und mittlerweile sieben Professuren. Mit meiner Berufung wurde ein drittes Institut eingerichtet. Die Sportwissenschaft in Münster hat sich in zwei Jahrzehnten zu einem der größten sportwissenschaftlichen Institute Deutschlands entwickelt.

 

Auch räumlich hat der Sportcampus einiges zu bieten. Was hat sich auf dem Gelände getan?

Bohn: Das Institut geht mit der Zeit. Das sieht man vor allem an den Sportstätten: Wir haben Beachvolleyball- und Beachhandballfelder, Tennis- und Padelcourts – ständig kommt etwas Neues hinzu. Und dennoch bewahrt der Campus an manchen Ecken seinen historischen Charme: Am umgebauten Gebäude der Sportpsychologie beispielsweise, das früher ein Marschstall für Pferde war, sieht man noch heute mehrere Eisenringe, an denen die Tiere einst angebunden wurden.

 

Welches Forschungsprojekt ist Ihnen am meisten in Erinnerung geblieben?

Jütting: 2001 gründete ich das ,Akademische Fußballteam‘ an der Universität, das sowohl durch eine mehrsemestrige Vortragsreihe über die lokal-globale Fußballkultur als auch durch empirische Untersuchungen bekannt wurde. Wir gewannen dadurch fundierte Einblicke in die vereinsorganisierte Fußballwelt in Deutschland und Europa und erlebten eindrucksvolle Referenten wie beispielsweise Horst Eckel, der zum Fußballweltmeisterteam von 1954 gehörte.

Bohn: Mir kommen zwei Projekte in den Sinn. In einem Drittmittelprojekt haben wir das Kniegelenk einer Sprintprothese für amputierte Leistungssportlerinnen und -sportler entwickelt. Das zweite Projekt ‚Skaten statt Ritalin‘ ist damals mit dem bekannten münsterschen Skater Titus Dittmann entstanden. Wir haben untersucht, inwieweit Skateboardtraining Kindern mit ADHS hilft, Motorik und Konzentration zu verbessern. Kurzum: Die Projekte, die anderen Menschen helfen, sind die spannendsten.

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 6, 1. Oktober 2025.

 

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