Mut zur Veränderung
Wenn eine Studentin eine Universität mit einem guten Abschluss und starken Kompetenzen verlässt, sich im Klaren ist, was sie kann und gelernt hat, ihre Berufsbiografie eigenen und äußeren Veränderungen anzupassen, hat sie eine hohe „Employability“ – auf Deutsch „Beschäftigungsfähigkeit“. Der Begriff klingt sperrig, er steht aber für ein wichtiges universitäres Thema. „Es geht darum, Studierende stark zu machen für die Arbeitswelt innerhalb und außerhalb der Wissenschaft, gerade auch in weniger berufsaffinen Fächern“, erklärt Dr. Andreas Eimer. Der Leiter des Career Service der Universität Münster hat mit seinem Team in den vergangenen Jahren viel an der Entwicklung eines Prozessmodells gearbeitet, das alle Institutionen und Personen einbezieht, die die Employability beeinflussen. Und das betrifft an einer Universität (fast) alle – von Studierenden, Hilfskräften in Praktikumsbüros über Fachkoordinatoren bis hin zum Studiendekan.
„Viele Studien zeigen, dass die meisten Erstsemester mit zwei zentralen Motivationen an die Universität kommen“, berichtet Andreas Eimer, „mit dem Interesse an einem speziellen Fach und dem Wunsch, eine berufliche Perspektive zu entwickeln.“ Daran können Fächer anknüpfen und Strategien entwickeln, diese Motivationen der Studierenden im Studium zu befriedigen. Zusätzlich kommt der Blickwinkel von außen hinzu – etwa zukünftiger Arbeitgeber. „Um diese drei Perspektiven zusammenzubringen, haben wir ein Modell entwickelt, nach dem wir mit den Fachbereichen, Instituten, einzelnen Fächern oder Fachstudienberatern arbeiten“, ergänzt Dr. Jan Knauer, stellvertretender Leiter des Career Service. „Oft empfinden die Studierenden ihr Studium und die Fachinhalte interessant“, weiß er. Wenn sie sich allerdings im Studienverlauf vermehrt fragen, wie relevant das Gelernte für die Arbeitswelt ist, dann entwickeln sich trotz des Interesses häufig Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Studiengangs. Dieser Situation gilt es vorzubeugen, unter anderem auch, um Studienabbrüche zu vermeiden.
Der Career Service führt die Fäden zusammen – mit einem Prozessmodell, das so praktikabel ist, dass es mittlerweile an vielen weiteren Hochschulen genutzt wird. Ziel ist, studiengangsspezifisch die Frage des Zusammenhangs zwischen Studieninhalten und späterer Nutzung ergebnisoffen, aber kohärent und für alle transparent zu beantworten. Der Prozess kann entweder vollständig oder unter einzelnen Aspekten durchlaufen werden. Eines steht jedoch immer am Anfang: eine individuelle Frage- oder Problemstellung. „Wir holen jedes Fach dort ab, wo es steht“, sagt Jan Knauer. „Die Themen sind sehr unterschiedlich und wir unterstützen die Fächer bei für sie passenden, universitätsadäquaten Lösungen“, erklärt er. Das Anliegen der Musikhochschule zum Beispiel: Viele Studierende hatten unrealistische Berufswünsche und waren daher nach dem Abschluss desillusioniert. Im Prozess wurde das Fachbereichsgremium miteinbezogen, der Career Service moderierte, man entschloss sich zu mehr Klarheit gegenüber den Studierenden und schärfte das Fachprofil. „Für Studieninteressierte und Erstsemester ist nun direkt klar, welche Karrierewege ihnen mit einem Abschluss offenstehen. Wir werden unserem Anspruch gerecht, Absolventinnen und Absolventen optimal auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten“, sagt Barbara Plenge, Prodekanin für Studium und Lehre an der Musikhochschule.
Das Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, alle Parteien und ihre Interessen einzubeziehen. In dieser Hinsicht habe sich das Verständnis der Aufgaben des Career Service verändert. „Lange haben wir ausschließlich mit Studierenden gearbeitet – in Gruppen, bei Veranstaltungen und individuell. Aber wenn man ein komplexes Thema nur von einer Seite bearbeitet, läuft man an anderer Stelle schnell vor Wände“, weiß Andreas Eimer. Daher wende sich der Career Service heute direkt an die Fächer und biete seine Unterstützung an. Dies sei aber keine Einbahnstraße. „Wir freuen uns, wenn Fächer mit einer konkreten Frage auf uns zukommen. Das zeugt von einem aufrichtigen Blick auf die Dinge, die noch nicht so gut laufen“, findet Jan Knauer.
Ein Beispiel für diesen unverstellten Blick ist Dr. Pascal Rickert. Er ist seit 2020 Leiter der Fachstudienberatung Psychologie. „Ich wollte dem Thema Employability mehr Raum geben, wusste aber nicht, wie“, erinnert sich Pascal Rickert. Als er das Angebot des Career Service entdeckte, sei er erleichtert gewesen. „Dass es diese praktischen Herangehensweisen gibt, war für mich extrem ermutigend.“ Er habe in seiner Funktion zwar nur eingeschränkten Handlungsspielraum. Unter Leitung des Career Service konnten Maßnahmen entwickelt werden, die ohne langwierige Abstimmungsprozesse im Fach umsetzbar waren und die bereits sehr gute Konzeption des Studiengangs ideal ergänzten. Und so entwickelte der Career Service einen Selbstlernkurs, der Studierenden hilft, Ziele für die eigene Lebensvision zu setzen. Der am Anfang der Bachelor- und Masterstudiengänge verpflichtende Kurs zeige große Wirkung. Zudem werde jetzt sichergestellt, zu jedem Zeitpunkt des „Student Life Cycle“ passende berufsorientierende Beratungs- und Unterstützungsangebote vorzuhalten oder an den Career Service zu verweisen.
Das studienbegleitende Programm der Psychologie und die Profilschärfung der Musikhochschule sind nur zwei Beispiele für Ergebnisse der Kooperation zwischen Fächern und dem Career Service, von denen es an der Universität mittlerweile eine ganze Reihe gibt. Man wolle niemandem etwas aufzwingen, aber Veränderungen seien in jedem Fach möglich. „Oft sind es gar nicht die dicken Bretter, die gebohrt werden müssen. Im Zentrum steht, ein Problem zu erkennen und es lösen zu wollen“, betont Jan Knauer.
Autorin: Hanna Dieckmann
Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 6, 1. Oktober 2025.