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Münster (upm/anb).
Das Bild zeigt Sonja Schelhaas vor einem Autoklav. Das Gerät ist silbern und ähnelt einer Waschmaschine. Der Autoklav ist geöffnet, die Wissenschaftlerin schiebt einen Behälter mit einer Tüte hinein.<address>© Uni MS - Johannes Wulf</address>
Dr. Sonja Schelhaas und ihre Kolleginnen und Kollegen im MIC nutzen Druck und Hitze, um beispielsweise Zellen und Bakterien in Autoklaven für eine unbedenkliche Entsorgung zu inaktivieren.
© Uni MS - Johannes Wulf

Was du heute kannst entsorgen …

An der Uni Münster gibt es Abfallarten, die nichts für den Hausmüll sind

Müll, oder fachmännisch Abfall, ist vermutlich so alt wie der Mensch selbst. Er ist Alltag, seine Entsorgung hat vielfältige Facetten: Für die einen handelt es sich um einen schnöden, für die anderen um einen befreiend-ideellen Vorgang, die Müllbeseitigung unterliegt der Bürokratie, soll Ordnung bewahren oder herstellen, Sicherheit und Gesundheit garantieren. Sie ist ein Geschäft. Mitunter ein Ärgernis. Ein alltägliches Unterfangen, das mal mehr, mal weniger Spuren hinterlässt. Auch an der Universität Münster fällt reichlich Abfall an, dessen Handhabung und Entsorgung gut organisiert und durchgeführt sein will. Einblicke in drei besondere Müllsorten und ihre Entsorgung gibt es in dieser Reportage.

Chemikalienentsorgung

Auf dem Bild ist ein Containerbau zu sehen, dessen Türen geöffnet sind. Vor diesen stehen blaue Plastikfässer, rechts daneben steht ein Entsorgungsmitarbeiter. Im Container befinden sich Regale, in denen Kanister mit Chemikalien stehen.<address>© Uni MS - André Bednarz</address>
Nicht nur der „PharmaCampus“ bringt besondere Abfälle hervor, auch in den Fachbereichen Medizin, Chemie, Biologie, Physik und Geowissenschaften werden chemische Stoffe verwendet – und anschließend entsorgt.
© Uni MS - André Bednarz
Platt gesagt ist alles Chemie. Doch schon zu Hause ist es ratsam, ja vorgeschrieben, bestimmte chemische Verbindungen gesondert zu entsorgen, etwa Batterien oder Lacke. An einer Universität mit Medizin und Naturwissenschaften spielt diese Abfallkategorie eine ungleich größere Rolle als daheim. Darum organisiert Dr. Martina Johnen von der Stabsstelle Arbeits- und Umweltschutz (StabAU) die sogenannte Chemikalienentsorgung gleich zweimal im Jahr. Einer dieser weit im Voraus geplanten Termine findet zu Frühlingsbeginn statt. Täglich für drei Wochen kommen dazu zwei Mitarbeiter eines Gütersloher Entsorgungsunternehmens mit einem Lkw zur Uni, um rund 30 Einrichtungen von ihrem chemischen Abfall zu befreien, beispielsweise den „PharmaCampus“. „Grundlage sind Abfalllisten, die die einzelnen Arbeitsbereiche erstellen und damit die zu entsorgenden Stoffe anmelden“, erklärt Martina Johnen, die an einem Vormittag die Sammelstelle am „PharmaCampus“ besucht und die Entsorgung begleitet. Zudem ist ein externer Spezialist dabei, den die Uni als Gefahrgutbeauftragten hinzuzieht.

Auf dem Bild ist eine Transportkiste zu sehen, in der sich hunderte Chemikalienfläschchen befinden.<address>© Uni MS - André Bednarz</address>
Chemikalienabfall entsteht unter anderem dann, wenn Arbeitsgruppen die Uni verlassen.
© Uni MS - André Bednarz
Die zwei Entsorgungsprofis arbeiten nach und nach die Containerregale und Behälter ab, sortieren die vorsortierten Stoffe weiter. Dazu sichten sie mit geübt-raschem Blick die Etiketten der in die Hunderte gehenden kleinen und großen Flaschen und Behältnisse, achten dabei auf die Gefahrgutsymbole und Stoffklassen. An der Uni Münster fallen unter anderem folgende Abfallkategorien mit Hunderten Einzelstoffen an: Lösemittelabfälle, chemisch kontaminierte Feststoffabfälle wie Handschuhe oder Lappen, Altchemikalien in Originalgebinden, Säuren, Basen, Metallsalzlösungen, Kühlschmierstoffe aus den Werkstätten und Altöle. „Die Uni hat 2024 rund 75 Tonnen gefährlicher Abfälle entsorgen lassen“, führt Martina Johnen aus. „Wir von der Stabsstelle Arbeits- und Umweltschutz helfen dabei, die Abfälle sicher und verantwortungsbewusst zu handhaben – zum Schutz von Mensch und Umwelt. Außerdem sind wir darum bemüht, die Abfallmengen insgesamt zu reduzieren.“ Die chemischen Abfälle aus der Pharmazie können nach Stunden des Sortierens und Verstauens zu einer Anlage des Entsorgers gefahren werden, um dort gemäß Kreislaufwirtschaftsgesetz entsorgt zu werden. Dieses sieht vor, dass die Abfälle beispielsweise recycelt, beseitigt oder zur Vernichtung von Schadstoffen verbrannt werden. Doch bevor es so weit ist, müssen Martina Johnen, der Gefahrgutbeauftragte und die beiden Mitarbeiter verschiedene Dokumente ausfüllen und unterschreiben sowie den Lkw überprüfen. Denn sobald solche Stoffe auf die Straße gelangen, sind sie Gefahrgut und entsprechend zu kennzeichnen und handhaben. Wenngleich das Volumen und das Entsorgungsmanagement nicht viel gemein haben mit privaten chemischen Abfällen und wohl kaum eine Privatperson mit Chemikalien wie dem deuterierten Lösemittel Tetradeuteromethanol hantiert.

Biologische Entsorgung

Noch seltener als hochspezialisierte Chemikalien kommen gentechnisch veränderte Organismen wie Zellen oder Bakterien außerhalb geeigneter Labore vor. In vielen Forschungseinrichtungen der Uni Münster werden sie hingegen tagtäglich genutzt und müssen anschließend mit ausgefeilter Technik und unter Berücksichtigung komplexer rechtlicher Vorgaben entsorgt werden. Dies geschieht unter anderem in den Laboren des „Multiscale Imaging Centre“ (MIC), in dem Arbeitsgruppen verschiedener Fachrichtungen erforschen, wie sich Zellen in Organismen verhalten. In Laboren der Sicherheitsstufen 1 und 2 handhaben die Biochemikerin Dr. Sonja Schelhaas und ihre Kolleginnen und Kollegen beispielsweise gentechnisch veränderte Tumorzellen sowie bakterielle Krankheitserreger. Was also tun, wenn solch biologisches Material entsorgt werden muss? Die Lösung: Man tötet die Zellen und Mikroorganismen mithilfe eines Autoklavs ab. „Ein solches Gerät ist eigentlich ein teurer Dampfkochtopf“, erklärt Dr. Joachim Kremerskothen, der als Mitarbeiter der StabAU dafür verantwortlich ist, dass die gesetzlichen Auflagen für die biologische Sicherheit und die gentechnischen Arbeiten in den Unilaboren umgesetzt werden. Im Autoklav werden also die beschriebenen Abfälle in der Regel unter Druck 20 Minuten lang mit 121 Grad heißem Wasserdampf bearbeitet, wodurch sämtliche biologische Aktivität inaktiviert wird – die Organismen können sich danach nicht mehr ausbreiten oder vermehren. Sie sind tot.

„Durch das Autoklavieren müssen wir sicherstellen, dass diese gentechnisch veränderten Organismen und auch bakterielle Krankheitserreger nicht über die Abfallentsorgung in die Umwelt gelangen“, betont Sonja Schelhaas. Darum benutzen die Laborteams solche Geräte unterschiedlicher Größe sowohl für Flüssigkeiten als auch für belastete Feststoffe wie Handschuhe, Kanülen oder Tücher, damit sie anschließend gefahrlos über den normalen Hausmüll entsorgt werden können.

Standardautoklaven sind in etwa so groß wie eine Waschmaschine. Das MIC verfügt aber auch über ein besonders großes Gerät, in dessen Inneren Abfallwagen und ganze Schieberegale bis zu einer Höhe von zwei Metern Platz finden und autoklaviert werden können. Bei diesem Gerät im XXL-Format handelt es sich um einen sogenannten Durchreicheautoklav, in den man laborseitig den kontaminierten Abfall hineinschiebt, diesen gemäß den Vorgaben inaktiviert und anschließend außerhalb des Labors, also auf der gewissermaßen sauberen Seite, entnimmt.

Dieser technische Prozess als wichtiger Baustein in der (Spezial-)Entsorgung von Abfall unterliegt strengen rechtlichen Vorgaben. So muss die Universität der Bezirksregierung Münster als zuständiger Aufsichtsbehörde den Typ, die technische Ausstattung und den genauen Standort eines jeden Autoklavs vor seiner Inbetriebnahme mitteilen. „Vor der ersten Benutzung muss jedes Programm des Geräts zur Abfallbehandlung umfangreich geprüft werden“, unterstreicht Sonja Schelhaas. Im laufenden Betrieb sind die Apparate dann alle sechs Monate daraufhin zu testen, ob sie einwandfrei funktionieren. „Die Aufsichtsbehörde in Münster überprüft bei ihren Kontrollbesuchen in den Laboren die Aufzeichnungen zu den regelmäßigen Checks der Autoklaven sehr genau“, erklärt Joachim Kremerskothen. Am Beispiel der Autoklavnutzung wird klar, dass nicht nur die eigentlichen Experimente mit den Zellen und Bakterien strengen Vorgaben unterliegen, sondern auch die Vorbehandlung und Entsorgung des dabei entstehenden Abfalls – für all diese Prozesse können unter Umständen gleich mehrere Verordnungen und Gesetze gelten: das Gentechnikgesetz, die Gentechnik-Sicherheitsverordnung, die Biostoffverordnung, das Infektionsschutzgesetz oder auch die Tierseuchenerregerverordnung.

Radioaktiventsorgung

Das Bild zeigt eine Metalltür, auf der ein Schild mit der Aufschrift „Kontrollbereich Radioaktiv“ zu sehen ist.<address>© Uni MS - André Bednarz</address>
Schilder weisen auf den Einsatz radioaktiver Stoffe in der Forschung hin. Auf den Gebrauch des strahlenden Materials muss eine fachgerechte Entsorgung folgen.
© Uni MS - André Bednarz
Eine andere Verordnung greift ebenfalls an der Uni Münster – die Strahlenschutzverordnung. Privat spielt diese wohl ebenso wenig eine Rolle wie die zuvor genannten, denn wann mussten Sie schon einmal radioaktiven Abfall entsorgen? Vermutlich gar nicht, allzu viel Kontakt zu radioaktiven Stoffen hat man im Alltag ja nicht. Obwohl: Die Zeiger einiger alter Uhren sind mit leuchtendem Radium versehen. Aber zurück zur Uni, wo selbst in der Forschung nur selten radioaktiver Abfall entsteht. Genau wie hiesige Unternehmen und Einrichtungen sind die nordrhein-westfälischen Universitäten dazu verpflichtet, entsprechende Altlasten über die Landessammelstelle NRW für radioaktive Abfälle, verantwortet von der Kölner Bezirksregierung (BR), entsorgen zu lassen. Dazu kommt meist einmal im Jahr ein Lkw der BR nach Münster, fährt verschiedene Institute und Einrichtungen an, sammelt die (leicht) strahlenden Stoffe ein und bringt sie nach Jülich, wo sie je nach Beschaffenheit verbrannt oder für die Endlagerung vorbereitet werden.

Der erwartungsvolle Beobachter stellt aber auch hier fest: Aufsehenerregend und gefährlich ist der Vorgang nicht. Die Mitarbeiter tragen eine unscheinbare Schutzausrüstung, nirgends ist ein Geigerzähler zu entdecken, nicht mal eine weiträumige Absperrung ist nötig. Zu sehen sind lediglich ein weiß lackierter und nur mit dem Schriftzug „Bezirksregierung Köln“ versehener Lkw der Klasse C1 (bis 7,5 Tonnen) sowie einige blaue und weiße Eimer und Fässer, in denen Laborutensilien sind oder schwach strahlendes radioaktives Material wie Uranylverbindungen oder mit Kohlenstoff-14 und Tritium kontaminierte Abfälle. Deutlich wird auch während dieses Termins im Frühjahr, an dem erneut Martina Johnen und der Gefahrgutbeauftragte teilnehmen, dass Entsorgung an der Uni nicht zuletzt ein Organisations-, Verwaltungs- und Rechtsakt ist. Denn auch die Radioaktiventsorgung bedarf langer Planung durch die StabAU und die Strahlschutzbeauftragten verschiedener Arbeitsgruppen, einiger Formulare, Kontrollen und Dokumentationspflichten. Das mag zäh und für Außenstehende unverhältnismäßig wirken, doch mit dem Aufkommen jeglichen (gefährlichen) Abfalls geht eine Verpflichtung einher, mit diesen so umzugehen, dass Mensch und Umwelt nicht zu Schaden kommen. „Wir leben in einer Zeit, in der jeder verstanden haben sollte, dass wir Menschen uns keinen abfälligen Umgang mit dem Thema Entsorgung mehr leisten können“, betont Martina Johnen.

Autor: André Bednarz

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 4, 12. Juni 2025.

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