
Vereinte Expertise für die Batterie der Zukunft
Batterieforschung über den Tellerrand hinaus: Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Projekt „BIOSTORE“ verfolgen das Ziel, recycelbare biologische und biobasierte Materialien und Zusatzstoffe in der Batterieproduktion einzusetzen. Damit wollen sie fossile Materialien ersetzen und die Umweltverträglichkeit verbessern. Das Projekt ist interdisziplinär angelegt – beteiligt sind Arbeitsgruppen aus den Instituten für Molekulare Mikrobiologie und Biotechnologie, Biologie und Biotechnologie der Pflanzen, Politikwissenschaft, betriebswirtschaftliches Management im Fachbereich Chemie und Pharmazie und vom „MEET Batterieforschungszentrum“. Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen fördert die Arbeit mit knapp 2,7 Millionen Euro.
Der Verbund, der auch mit der Fraunhofer-Gesellschaft und der Helmholtz-Gemeinschaft kooperiert, basiert auf teils langjähriger Zusammenarbeit der beteiligten Arbeitsgruppenleiterinnen und -leiter, beispielsweise über das Zentrum für interdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung (ZIN) der Universität Münster. „Die gemeinsame Arbeit ist spannend und vielversprechend, aber sie war anfangs eine Herausforderung – wir sprechen unterschiedliche Fachsprachen, das kann zu Missverständnissen führen“, erinnert sich Projektleiter Prof. Dr. Jochen Schmid. „Unsere Postdoktorandinnen und -doktoranden, die die verschiedenen Projekte betreuen, tauschen sich daher regelmäßig persönlich aus. So funktioniert es.“ Sehr hilfreich sei zudem, dass mehrere Personen an den Schnittstellen zwischen den Projekten fachübergreifende Expertise mitbringen und somit als „Dolmetscher“ fungieren.
Wie die Zusammenarbeit funktioniert und welche Forschungsfragen im Fokus stehen, beleuchten die BIOSTORE-Postdoktorandinnen und -doktoranden in den folgenden vier Gastbeiträgen.
Das „MEET Batterieforschungszentrum“ in einer Schlüsselfunktion
Eine Batterie ist sehr komplex. Daher ist es möglich und nötig, mit der Forschung zu einer biobasierten Batterie an verschiedenen Stellen anzusetzen. Das MEET Batterieforschungszentrum hat dabei eine Schlüsselfunktion. Wir nutzen die unterschiedlichen Kompetenzen unserer Projektpartner, beispielsweise zur Evaluation der neuen Komponenten im Hinblick auf die ökonomischen und sozialen Folgen für Firmen und die Gesellschaft. Zusätzlich arbeiten wir auf der Ebene der Materialforschung eng mit den beiden Gruppen aus der Biologie zusammen, um die Batterie zu biologisieren und im Idealfall zusätzlich die Leistungsfähigkeit zu verbessern. Dafür nutzen wir unter anderem Polysaccharide, die biotechnologisch synthetisiert werden können, oder auch kleine organische Moleküle, die aus Pflanzen extrahierbar sind.
Ein Beispiel für einen Ansatzpunkt des Projekts ist die Regulation sogenannter Ewigkeitschemikalien (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen/PFAS) durch die Europäische Union, die zwar aktuell keine Batteriekomponenten umfasst, in Zukunft aber ausgeweitet werden könnte. Eine Substitution dieser Chemikalien durch ein biobasiertes System wäre der Nachhaltigkeit der Batterie nicht nur aus sozioökologischer Sicht zuträglich.
Dr. Nils Flothkötter, MEET Batterieforschungszentrum
Pflanzen und Bakterien für eine „grüne“ Batterie
Bakterielle und pflanzliche Biomoleküle haben das Potenzial, fossile und toxische Batteriekomponenten zu ersetzen. Teams aus der Mikrobiologie und der Pflanzenbiotechnologie beschäftigen sich daher mit der Entwicklung biobasierter Komponenten für nachhaltigere und umweltfreundlichere Lithium-Ionen-Batterien.
Im ständigen Austausch mit dem MEET entwickeln, charakterisieren und modifizieren wir biologische und biobasierte Materialien, die anschließend in Batterien getestet werden. Aktuell konzentrieren wir uns im Bereich der Mikrobiologie auf die Herstellung und Modifizierung von bakteriellen Exopolysacchariden – spezifischen Zuckerpolymeren mit herausragenden physikochemischen Eigenschaften. Wir testen diese Biopolymere auf ihre Einsatzfähigkeit in nachhaltigen Elektroden und Separatoren.
Auch viele pflanzliche Produkte haben das Potenzial, Batterien grüner zu machen. Im Fokus stehen Naturkautschuk und verschiedene Stärkevarianten. Neben Biopolymeren untersuchen wir kleinere Moleküle, die als Additive in der Elektrolytlösung zum Beispiel die Lebensdauer der Batterie verbessern können. Wir reinigen unter anderem Abbauprodukte von Chlorophyll auf und analysieren sie.
Dr. Jannis Bröker und Dr. Marilia Horn, Institut für Molekulare Mikrobiologie und Biotechnologie, sowie Dr. Kai-Uwe Roelfs und Dr. Lisa Wrobel, Institut für Biologie und Biotechnologie der Pflanzen
Nachhaltigkeits-Expertise aus der Wirtschafts- und Rechtswissenschaft
Unser Ziel ist es, Umweltschäden, die durch die Produktion und den Abbau kritischer Batteriematerialien entstehen, gering zu halten. Es gibt unterschiedliche Methoden zur ökologischen und ökonomischen Bewertung von Batterietechnologien. Sogenannte Lebenszyklusanalysen sind zum Beispiel ein wichtiges Instrument zur Erfassung von Kohlendioxid-(CO₂-)Emissionen und weiteren Umwelteinflüssen. Während unsere Kolleginnen und Kollegen im Labor die technische Umsetzbarkeit ausarbeiten, können wir mit diesen Umweltbilanz-Analysen beurteilen, wie groß der ökologische Hebel von Bio-Innovationen ist.
Einen anderen Blick auf die Entwicklung nachhaltiger Batterien ermöglicht die Rechtsforschung. Aus dieser Perspektive untersuchen wir, wie rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen den Bereich der Energiespeicherung beeinflussen: Inwieweit unterstützen sie Innovationen – oder behindern sie? Besonders interessant ist für uns die Frage, wie die Europäische Union versucht, Nachhaltigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit inmitten wachsender globaler Marktunsicherheiten in Einklang zu bringen. Letztlich gilt es sicherzustellen, dass Nachhaltigkeit durch die Entwicklung neuer Technologien gefördert wird.
Dr. Moritz Gutsch und Dr. Giorgia Carratta, Institut für betriebswirtschaftliches Management im Fachbereich Chemie und Pharmazie
Ökologische und soziale Herausforderungen im Blick der Politikwissenschaft
Am Institut für Politikwissenschaft untersuchen wir, wie die Batteriewertschöpfungskette von der Materialgewinnung bis zur Entsorgung nachhaltiger gestaltet werden kann. Beispielsweise werden Umwelt- und Arbeitsschutzstandards beim Rohstoffabbau in Ländern des ‚Globalen Südens‘, darunter Bolivien und der Kongo, oft zu wenig beachtet. Wir identifizieren die ökologischen und sozialen Probleme und entwickeln Handlungsempfehlungen, wie die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen ausgestaltet werden könnten, um ihnen zu begegnen. Zwar gibt es dazu bereits Studien, die Teilaspekte in den Blick nehmen. Aber eine systematische politikwissenschaftliche Governance-Analyse, die alle Akteure unter die Lupe nimmt, liegt bislang nicht vor.
Zudem untersuchen wir, was die Bevölkerung über Batterien und deren Nachhaltigkeit weiß. Auch dazu gibt es bislang kaum Forschung. Daher haben wir im Frühjahr 2025 eine Bevölkerungsumfrage mit 9.000 Befragten in Deutschland, Frankreich und den USA sowie die Diskussionsveranstaltung „BIOSTORE-Batterieforum: Nachhaltige Batterien mitgestalten“ mit 20 Bürgerinnen und Bürgern durchgeführt. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse der wissenschaftlichen Auswertung dieser empirischen Untersuchungen.
Dr. Karsten Mause, Institut für Politikwissenschaft
Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 3, 7. Mai 2025.