Studieren während der Energiekrise
Die Temperaturen sinken, die Tage werden kürzer – es muss mehr geheizt und beleuchtet werden. Doch der kommende Winter ist aufgrund des Kriegs in der Ukraine und fehlender russischer Gaslieferungen ein besonderer. Vor diesem Hintergrund hat die Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit der WWU per Instagram die Studierenden gefragt, wie sie sich in der aktuellen Situation fühlen, was sie besorgt und welche Art der Unterstützung sie sich wünschen, um gut durch die kalt-dunkle Jahreszeit zu kommen. Tausende Interaktionen und Hunderte Antworten gingen ein. Die Ergebnisse und Einordnungen im Überblick.
1. Wie sehr beschäftigt euch das Thema Energie derzeit?
1.174 Personen nahmen an der Umfrage teil.
2. Wie wollt ihr hauptsächlich Strom und Gas sparen?
3. Was bereitet euch in diesem Winter am meisten Sorgen?
„Mein Wohnheim ist ein altes Gebäude. Ich denke, dass dadurch viel Energie verloren gehen wird.“
„Dass meine Wohnung schimmelt durch zu wenig Heizung.“
„Ein längerer Stromausfall oder längere Gasmangellage.“
„Dass es gesellschaftliche Unruhen gibt und die Falschen verantwortlich gemacht werden.“
„Ich befürchte, dass die Uni geschlossen wird, um Energie zu sparen.“
Ein Großteil der mehr als 160 Antworten handelt von finanziellen Belastungen, die sich sowohl auf die kurzfristige Erhöhung der Energie- und Lebensmittelpreise beziehen als auch auf eine Angst, sich zu überschulden und Studium oder Wohnung aufgeben zu müssen. Darüber hinaus äußern Studierende die Sorge, dass die Bausubstanz ihrer Wohnungen zu schlecht ist oder das Zusammenleben in einer WG mit einer fairen Aufteilung bei den Sparmaßnahmen problematisch wird.
Mit dem Spagat zwischen Sparen und Heizen geht die Sorge einher, Gesundheit und Wohlbefinden aufs Spiel setzen zu müssen. Dass die Wahlmöglichkeit gänzlich entfällt, nämlich durch kurz oder sogar mehrere Tage anhaltende Versorgungslücken, ist ebenfalls zu lesen. Doch nicht nur die (kurzfristigen) persönlichen Konsequenzen machen den Studierenden Angst, auch größere gesellschaftliche Verwerfungen und Veränderungen, etwa durch eine Zunahme der Kluft zwischen Arm und Reich, werden befürchtet.
Geht es um das Studium, sorgen sich viele Kommentatoren davor, dass es zu einem erneuten Onlinesemester kommt, in dem sie viel Zeit allein verbringen und die eigene Wohnung dauerhaft beheizen müssen. Auch kalte oder gänzlich geschlossene Räume in der Uni, vor allem Bibliotheken, befürchten sie – ebenso steigende Semesterbeiträge aufgrund erhöhter Energiekosten.
4. Was wünscht ihr euch von der Politik, der Universität oder dem Studierendenwerk?
„Eine Unterstützung, die nicht nur diejenigen erreicht, die BAföG kriegen, sondern alle.“
„Vom Studierendenwerk mehr Transparenz und Planbarkeit hinsichtlich zukünftiger Mieterhöhungen.“
„Orte, wo man sich sammeln kann, um sich zu wärmen und Strom zu nutzen.“
„Transparenz zu dieser Thematik und Solidarität innerhalb der Gesellschaft.“
„Universitäten und Schulen müssen die Sicherheit bekommen, offen zu bleiben – trotz Energiekrise und Corona.“
Auch bei den mehr als 100 eingegangenen Wünschen ist Geld das wichtigste Thema. Dabei geht es um Unterstützung in Form eines Energiegeldes, eines zinsfreien Darlehens oder eines BAföG-Heizkostenzuschusses. Adressat ist insbesondere das Studierendenwerk. Doch auch politische Akteure seien hier in der Pflicht, beispielsweise wenn es um einen bezahlbaren und gerechteren Wohnungsmarkt geht.
Im Hinblick auf die eigene Gesundheit und das Wohlbefinden wünschen sich die Kommentatoren an der WWU beheizte Orte, die ein angenehmes und produktives Lernen ermöglichen und verhindern, dass das Heizen auf die Studierenden verlagert wird. Im Angesicht der momentanen Herausforderungen wird gefordert, Lehren daraus zu ziehen, wie es zur angespannten Lage gekommen ist, sodass weitere Krisen vermieden werden. Damit ist ein Wunsch nach Solidarität und klarer Kommunikation verbunden. Außerdem solle über praktische, aber auch mentale Mittel zur Krisenbewältigung aufgeklärt werden.
Da die Sorgen vor einer Schließung der Uni überwiegen, fordern viele Studierende entsprechend, dass die WWU als Studienort geöffnet bleibt, samt ausreichender Bibliotheksplätze. Vereinzelt gibt es den Wunsch, das hybride Lehrangebot auszubauen. Schließlich wird darum gebeten, flexibel und verständnisvoll bei zu erbringenden Leistungen und Abgabefristen zu sein.
Die Reaktionen:
Prof. Dr. Johannes Wessels, Rektor der WWU:
Die derzeitige Lage auf dem Energiemarkt ist von Unwägbarkeiten geprägt und belastet Studierende wie Beschäftigte. Doch ist es unsere Verantwortung, Energie zu sparen und Selbstverständliches zu überdenken. Gleichzeitig stellen wir sicher, dass das laufende Semester in Präsenz stattfindet. Das heißt auch, zentrale Orte und Einrichtungen wie Bibliotheken für die Studierenden offen zu halten – zum Preis von abgesenkten Raumtemperaturen. Bei allen Maßnahmen stimmen wir uns in der Landesrektorenkonferenz ab, und das erfolgreich: Die „Dezember Soforthilfe“ wird alle Hochschulen ebenso entlasten wie die Gas- und Strompreisbremse. Studierende, die durch die Krise in finanzielle Not geraten, unterstützen wir über den neu aufgelegten WWU-Krisenfonds.
Dr. Christoph Holtwisch, Geschäftsführer des Studierendenwerks:
Wir unterstützen finanziell stark belastete und von der Krise besonders betroffene Studierende bestmöglich. Dazu gehört eine permanente Lobbyarbeit für ihre Belange bei der Bundes- und Landesregierung. Wir selbst sparen Energie ein und fordern auch die Studierenden dazu auf. Da wir dazu verpflichtet sind, in unseren Wohnanlagen kostendeckende Mieten zu erheben, werden wir die gegebenenfalls steigenden Energiekosten an die Studierenden weitergegeben müssen – doch zum Glück ist der Großteil unserer Wohnungen auf einem energetisch guten Stand. Eine BAföG-Erhöhung seitens der Bundesregierung ist nicht in Sicht, aber es gab und gibt bereits Zuschüsse und Pauschalen, die allen Studierenden zugutekommen.
Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 7, 16. November 2022.