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Münster (upm/kn)
Die Wurzeln des Russischen Löwenzahns enthalten größere Mengen an Naturkautschuk.© WWU - Kathrin Nolte
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Wie Naturkautschuk aus Löwenzahnwurzeln gewonnen wird

Biologen erforschen regionale Alternative zu Kautschuk-Anbau in weit entfernten Tropenregionen

Kautschuk ist der Rohstoff für mehr als 50.000 verschiedene Produkte, vor allem für Autoreifen, aber auch für Dichtungen, Matratzen, Schuhsohlen oder Kondome. Bislang wird der Rohstoff fast ausschließlich aus dem Milchsaft des Kautschukbaums in den tropischen Regenwäldern Südostasiens gewonnen. Mit der Gewinnung von Naturkautschuk aus Russischem Löwenzahn (Taraxacum koksaghyz) setzt ein 25-köpfiges Forscherteam des Instituts für Biologie und Biotechnologie der Pflanzen der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster und des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME auf eine Alternative für regionalen Anbau.

„Wir erforschen die spezielle Löwenzahnpflanze – von der Modifizierung der Wildpflanze über den Anbau und die Ernte der Kulturpflanze bis hin zur Gewinnung des Kautschuks – bereits seit 2006. Mittlerweile gibt es mit dem seit 2019 produzierten ‚Urban Taraxagum‘ von Continental den ersten in Serie gefertigten Fahrradreifen aus Löwenzahn-Kautschuk“, erklärt Dr. Dirk Prüfer, Professor für Pflanzenbiotechnologie an der WWU. Zukünftig sollen auch Lkw- und Autoreifen aus dem Löwenzahn-Kautschuk hergestellt werden.

Der Russische Löwenzahn, der ursprünglich in Kasachstan beheimatet ist, sieht dem heimischen Löwenzahn ähnlich, hat aber einen entscheidenden Vorteil: Der Milchsaft in den Wurzeln enthält größere Mengen an Naturkautschuk. Während die Wildpflanze ein bis zwei Prozent Kautschuk liefert, ist es den münsterschen Forschern gelungen, den Ertrag der kultivierten Pflanze auf 15 bis 20 Prozent zu steigern. Zur Extraktion des Naturkautschuks werden die geernteten Löwenzahnwurzeln zunächst vorgekocht. Anschließend kommen sie in eine Kugelmühle, die sonst unter anderem bei der Zementherstellung genutzt wird. Unter der Zugabe von Wasser zerstoßen die Kugeln die Wurzeln. „Bei der Gewinnung kommt uns zugute, dass die Kautschuknuggets oben auf dem Wasser schwimmen und wir sie einfach abfischen können“, schildert Dr. Christian Schulze Gronover, Leiter des Forschungsbereichs beim Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME.

Die bräunlichen Nuggets sehen aus wie Kaugummi. In Kasachstan werden die Löwenzahlwurzeln tatsächlich wie Kaugummi gekaut. Übersetzt bedeutet der russische Name „Taraxacum koksaghyz“ in etwa „grüner Kaugummi“. Zu Forschungszwecken steht gegenüber dem Löwenzahn-Gewächshaus am Schloss eine speziell angefertigte Kugelmühle, die 50 Liter fasst. Es riecht in dem Raum intensiv nach gekochtem Gemüse. Für die industrielle Gewinnung des Naturkautschuks ist das richtige Mischverhältnis von Wasser und Wurzeln von entscheidender Bedeutung. Die Kugelmühlen in der Serienproduktion haben ein Fassungsvermögen von mehreren 1.000 Litern und extrahieren Kautschuk aus mehr als eine Tonne Wurzeln. Für die Herstellung eines Fahrradreifens benötigt man zwischen 50 und 500 Gramm Naturkautschuk.

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