Neue Verbünde erforschen Individualisierung und Kompromiss-Kulturen
Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft (MKW) des Landes Nordrhein-Westfalen fördert mit dem Programm „Profilbildung“ den Ausbau innovativer Forschungsgebiete, um diese sichtbar und wettbewerbsfähig zu machen. Wie das MKW bekanntgab, wurden für die erste Förderrunde neun Forschungsinitiativen ausgewählt. Die Westfälische Wilhelms-Universität (WWU) Münster ist an zwei dieser Initiativen beteiligt. In dem neuen Forschungsverbund „Individualisierung in sich ändernden Umwelten“ (InChangE) kooperiert sie mit der Universität Bielefeld, die den Verbund koordiniert. Am Projekt „Kulturen des Kompromisses“ unter der Federführung der Universität Duisburg-Essen ist neben der WWU die Ruhr-Universität Bochum beteiligt.
Vorhaben „InChangE“
Individuelle Unterschiede gibt es nicht nur bei Menschen, sondern bei allen Organismen. Individualisierung wurde bislang vorwiegend innerhalb einzelner Fachdisziplinen erforscht. Der neue Verbund InChangE soll die Methoden und das Wissen von Natur-, Geistes- und Gesellschaftswissenschaften kombinieren, um Individualisierung systematisch und experimentell zu untersuchen. „Individualisierung birgt Chancen und Risiken für die vielen großen Herausforderungen unserer Zeit“, sagt Prof. Dr. Barbara Caspers von der Fakultät für Biologie der Universität Bielefeld, Co-Sprecherin von InChangE. „Diese Herausforderungen machen nicht an disziplinären Grenzen halt – deswegen verfolgen wir einen fächerübergreifenden Ansatz.“ Die Individualisierung seit eng verknüpft mit dem Wandel, in dem sich unser Planet und unsere Gesellschaft befinde, ergänzt der Biologe Prof. Dr. Jürgen Gadau von der WWU, der ebenfalls ein Co-Sprecher des Verbunds ist. „Unsere Umwelt – vom Klima bis zur Globalisierung und Digitalisierung – ändert sich schneller als zuvor. Das zeigt sich aktuell besonders während der Coronapandemie und den damit einhergehenden Veränderungen." Ein anderes Beispiel sei der Rückgang der Artenvielfalt, die Biodiversitäts-Krise.
Die 24 Studienleiter des Verbunds kommen aus neun Disziplinen. Für die Forschung in InChangE werden sie künftig durch neue Postdoktorandinnen und Postdoktoranden unterstützt. Gemeinsam forschen sie zu vier Themenkomplexen: Sie analysieren die Ursachen und Mechanismen der Individualisierung; sie erarbeiten Verfahren, um Individualisierungsprozesse zu modellieren und vorherzusagen. Sie untersuchen außerdem, wie sich Individualisierung im Spannungsfeld zum Gemeinwohl auswirkt, um ethisch angemessenere Lösungen entwickeln zu können – wie individualisierte Therapieansätze, aber auch individualisierte Produkte. Der neue Verbund knüpft an die Arbeit eines Transregio-Sonderforschungsbereichs an, der seit 2018 untersucht, wie Tiere individuell ihre eigene, unverwechselbare Nische schaffen und sich an ihre Umwelt anpassen.
Getragen wird die Forschung des neuen Verbunds InChangE vom JICE, dem Joint Institute for Individualization in a Changing Environment (gemeinsames Institut für Individualisierung in sich wandelnden Umwelten), gegründet im März 2021 von den Universitäten Bielefeld und Münster. Das Projekt wird für drei Jahre mit rund drei Millionen Euro gefördert.
Vorhaben „Kulturen des Kompromisses“
Während Kompromisse als unabdingbar gelten, damit unsere moderne Gesellschaft funktioniert, wachsen zugleich die Sorgen vor einer abnehmenden Fähigkeit und Bereitschaft zum Kompromiss. Der neue Forschungsverbund „Kulturen des Kompromisses“ will daher im Vergleich zwischen verschiedenen Kulturen und Zeiten systematisches Wissen über die sozialen, politischen und kulturellen Voraussetzungen von Kompromissen erforschen.
„Damit reagieren wir auf den gesellschaftlichen Bedarf an praktischem Reflexions- und Handlungswissen“, sagt die Sprecherin des Verbunds, Prof. Dr. Ute Schneider vom historischen Institut der Universität Duisburg-Essen, die mit Politikwissenschaftler Prof. Dr. Ulrich Willems (WWU) und Historiker Prof. Dr. Constantin Goschler (RUB) für das Projekt verantwortlich ist. „Wir wollenCharakteristika und Varianten, Kontexte und Praktiken, soziale, politische und kulturelle Voraussetzungen, aber auch die Dauer und Stabilität sowie Leistungsfähigkeit und Grenzen von Kompromissen untersuchen.“
Das Projekt wird für drei Jahre mit 2,1 Millionen Euro gefördert. Die drei Universitäten bündeln ihre Expertise zum Aufbau eines langfristigen Forschungsfelds.