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Münster (upm)
Die neue Strahlteilereinheit am Experiment FLASH II, die in der Arbeitsgruppe von Helmut Zacharias entwickelt wurde. Ein ähnliches Instrument nutzten die Forscher in der aktuellen Studie.<address>© AG Zacharias - Rolf Treusch</address>
Die neue Strahlteilereinheit am Experiment FLASH II, die in der Arbeitsgruppe von Helmut Zacharias entwickelt wurde. Ein ähnliches Instrument nutzten die Forscher in der aktuellen Studie.
© AG Zacharias - Rolf Treusch

Zeitliche Charakterisierung von Lichtimpulsen

Team mit münsterschen Forschern bestimmt erstmals das "Zwitschern" von Röntgenpulsen bei Freie-Elektronen-Lasern

Ultrakurze intensive Licht- beziehungsweise Laserpulse erlauben eine detaillierte Untersuchung der Struktur von atomaren und molekularen Systemen. Neuartige Strahlungsquellen wie Freie-Elektronen-Laser liefern Lichtblitze im fernen Ultraviolett- (XUV) bis Röntgenbereich und eröffnen diesem Forschungsgebiet im Hinblick auf die zeitliche Auflösung der Messdaten neue Möglichkeiten. Physikerinnen und Physiker der Gruppe um Dr. Christian Ott in der Abteilung von Prof. Dr. Thomas Pfeifer des Heidelberger Max-Planck-Instituts für Kernphysik haben in Zusammenarbeit mit einem internationalen Forschungsteam eine neue Methode zur Charakterisierung von XUV-Pulsen entwickelt. Maßgeblich beteiligt ist die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Helmut Zacharias von der WWU Münster.

Im Fokus der Studie steht das „Zwitschern“ (englisch „Chirp“) eines Laserpulses, in dessen zeitlichem Verlauf sich die Frequenz der Lichtschwingung ändert. Die Wissenschaftler haben ein Verfahren entwickelt, um das „Zwitschern“ bei jedem Experiment zu bestimmen oder um sogar ein gewolltes „Zwitschern“ erzeugen. „Wenn man kurze Pulse erhalten will, muss man ein solches Zwitschern vermeiden. Andererseits kann man durch die gezielte Einbringung eines Chirps auch die elektronische Dynamik in einem molekularen System in eine bestimmte Richtung lenken“, unterstreicht Helmut Zacharias. Die neuen Erkenntnisse sollen den Wissenschaftlern künftig helfen, das „Zwitschern“ als Störfaktor aus den Messdaten herauszurechnen oder sogar dessen Entstehung zu vermeiden.

Das Experiment zur direkten Vermessung des Chirps fand am Freie-Elektronen-Laser FLASH in Hamburg (DESY) statt. Die verwendeten XUV-Laserpulse haben eine Dauer von etwa 100 Femtosekunden. Eine Femtosekunde ist eine billiardstel Sekunde. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.

Expertise aus der WWU

Zentral bei dem neuen Verfahren ist ein Instrument, das den Röntgenimpuls in zwei identische, aber zeitlich korrelierte Impulse teilt, eine sogenannte Split-and-Delay-Einheit. Dieses Gerät wird von der Arbeitsgruppe um Helmut Zacharias (Center for Soft Nanoscience der WWU) bei FLASH betrieben. Mit dem ersten Röntgenimpuls können die Forscher an einem Untersuchungsobjekt eine Änderung induzieren, und mit dem zweiten Puls können sie diese Änderung beobachten. Da die beiden Pulse mit einer Präzision gegeneinander verzögert werden können, die unterhalb des Femtosekundenbereichs liegt, erhält man so ein sehr genaues zeitliches Bild der induzierten Änderung. Die münstersche Gruppe hat auch ein hochmodernes Nachfolgeinstrument entwickelt, das kürzlich am Experiment FLASH II installiert wurde und dessen Spektralbereich bis in den harten Röntgenbereich reicht.

Zum Hintergrund

Seit etwa zehn Jahren erzeugen Freie Elektronenlaser ultrakurze Röntgenpulse zur Untersuchung fundamentaler Prozesse in Atomen und Molekülen, an katalytischen Oberflächen, in Festkörpern, bei chemischen Reaktionen und in biologisch relevanten Strukturen. Um die Röntgenstrahlung zu erzeugen, werden intensive Elektronenpulse mit nahezu Lichtgeschwindigkeit in lange magnetische Strukturen geschickt, sogenannte Undulatoren, bei denen alle paar Zentimeter die Magnetfeldrichtung wechselt. Dabei folgen die Elektronen einen schlangenförmigen Weg, wobei sie Licht aussenden. Durch die regelmäßige Anordnung der Magnetfelder und die Wechselwirkung des Lichtes mit den Elektronen kommt es zu einer kohärenten Überlagerung der bei jeder Richtungsänderung ausgesandten Lichtfelder und somit zu laser-ähnlicher Strahlung. Die zeitliche Dauer dieser Pulse liegt dabei typischerweise zwischen 10 und 250 Femtosekunden. Sie ist bestimmt durch die Dauer der intensiven Spitze der Elektronenpulse.

„Um die höchste Zeitauflösung zu erreichen, ist es wünschenswert, mit möglichst kurzen Pulsen zu arbeiten. Ein solcher Röntgenpuls enthält neben seiner Zentralfrequenz auch immer spektral leicht verschobene Farben“, erläutert Helmut Zacharias. Frühere Experimente legten nahe, dass diese leicht unterschiedlichen spektralen Anteile des Pulses zu leicht unterschiedlichen Zeiten erzeugt werden, es entsteht ein Frequenz-Chirp.

Originalpublikation

Ding, T., Rebholz, M., Aufleger, L. et al. Measuring the frequency chirp of extreme-ultraviolet free-electron laser pulses by transient absorption spectroscopy. Nat Commun 12, 643 (2021). DOI: 10.1038/s41467-020-20846-1

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