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Münster (upm/jah)
Rund 1.600 Studierende lernen und forschen am Platz der Weißen Rose.<address>© WWU - IfPol</address>
Rund 1.600 Studierende lernen und forschen am Platz der Weißen Rose.
© WWU - IfPol

Interdisziplinär und bestens vernetzt

Das Institut für Politikwissenschaft feiert sein 50-jähriges Bestehen – eine Chronologie

Ein halbes Jahrhundert Forschung und Lehre in Münster feiert das Institut für Politikwissenschaft (IfPol) der WWU in diesem Sommer. Damals vom nordrhein-westfälischen Wissenschaftsminister Johannes Rau mitbegründet, ist es heute das fünftgrößte politikwissenschaftliche Institut in Deutschland, interdisziplinär ausgerichtet und international bestens vernetzt.

Austausch untereinander und mit angrenzenden Fächern steht am IfPol im Fokus.<address>© WWU - IfPol</address>
Austausch untereinander und mit angrenzenden Fächern steht am IfPol im Fokus.
© WWU - IfPol
Gründung und Zusammenschluss

Universitäre Bildung schien Ende der 1960er-Jahre die Antwort auf eine wachsende Anhängerschaft rechter und linker Ideologien zu sein. NRW-Wissenschaftsminister Johannes Rau suchte deshalb einen Gründungsdirektor für ein politikwissenschaftliches Institut an der WWU und überzeugte Dieter Grosser, damals Professor für Politikwissenschaft am Otto-Suhr-Institut in Berlin, davon, mit seinem Team nach Münster zu kommen. Das IfPol wurde 1970 so schnell gegründet, dass es zunächst in Fertigbaracken vor dem Schloss untergebracht werden musste. Den Anfang machten 100 Studierenden - das  Interesse an dem Fach stieg aber so rapide, dass die zentrale Vorlesung „Einführung in das politische System“ bald vor 1.000 Studierenden in der großen Aula abgehalten wurde.

„Ein großer Schritt war der Zusammenschluss mit den beiden politikwissenschaftlichen Instituten der ehemaligen Pädagogischen Hochschule Westfalen-Lippe im Jahr 1980“, berichtet Prof. Dr. Antje Vetterlein, Professorin und geschäftsführende Direktorin am IfPol. Damit verbunden war der Umzug in eigene Räume am Platz der Weißen Rose am Aasee, wo sich das IfPol noch heute befindet. Neben die Lehrer-Ausbildung trat zunehmend die politikwissenschaftliche Forschung. „Prägend waren zunächst praxisnahe Projekte wie die Zusammenarbeit mit Kollegen der Universität Twente im Europäischen Zentrum für Kriminalpolitik, das der ehemalige IfPol-Direktor Prof. Dr. Gerhard Wittkämper gegründet hatte“, erläutert die Institutsdirektorin.

Wachstum und Lehre

In den vergangenen zwei Jahrzehnten entwickelte sich aus der mittelgroßen Einrichtung das fünftgrößte politikwissenschaftliche Institut Deutschlands, mit heute 16 Professoren und mehr als 40 wissenschaftlichen Beschäftigten. Damit einher ging eine inhaltliche Ausweitung und fachliche Spezialisierung sowie ein breites Lehrangebot. Der Lehrbetrieb umfasst neben dem Bachelor gemeinsam mit den Wirtschafts- und Rechtswissenschaften angebotene Studiengänge, einen eigenständigen Master und die mit der Science Po in Lille und der Universität Twente organisierten Doppelstudiengänge. Verbunden mit dieser Vielzahl von Angeboten ist eine große Vielfalt von Studierenden am IfPol, aber auch ein hoher Koordinations- und Akkreditierungsaufwand. 2005 wurde zudem die Graduate School of Politics (GraSP) gegründet, die Promovierende durch ihre Einbindung in Forschungsprozesse unterstützt.

Forschung und Vernetzung

An der WWU trägt das IfPol an mehreren Stellen zur interdisziplinären Forschung bei. Beispiele sind der seit 2007 bestehende Exzellenzcluster Religion und Politik, das Zentrum für interdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung (ZIN) oder das Zentrum für Europäische Geschlechterforschung (ZEUGS). Über interdisziplinäre Strukturen hinaus stellt sich das IfPol aktuellen Herausforderungen - Forschungsschwerpunkte sind unter anderem Demokratie und Populismus, internationale politische Ökonomie und Nachhaltigkeit, politische Einstellungsforschung und Wertepluralismus sowie die Rolle der Zivilgesellschaft. „Mit diesen Themen hat unsere Forschung einen hohen gesellschaftspolitischen Bezug und ist damit auch außerhalb der Wissenschaft – insbesondere für politische Entscheidungsträger – relevant“, erläutert Antje Vetterlein.

Auch international ist das IfPol gut vernetzt. Früh entwickelte das Institut Kooperationen mit ausländischen Partnern im niederländischen Twente oder Lille in Frankreich und förderte den Aufbau moderner Politikwissenschaft in den russischen Städten Rijasan und Tyumen. Darüber hinaus engagiert sich das Institut für den internationalen Austausch von Studierenden im Erasmus-Programm und bietet regelmäßig englischsprachige Lehrveranstaltungen an. Zudem war es 2010 Gastgeber für die „Joint Sessions of Workshops des European Consortium for Political Research“ – dem wichtigsten Treffen der Politikwissenschaft in Europa.

Exzellenz und Wissenstransfer

„Die Politikwissenschaft hat in den vergangenen Jahrzehnten deutlich an Ansehen gewonnen“, unterstreicht Antje Vetterlein. Ihrer Einschätzung nach haben derzeit vor allem Fragen der politischen Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit im Rahmen offener, demokratischer Ordnungen einen hohen Stellenwert. Die zunehmende Pluralisierung und Diversität moderner Gesellschaften werfe Fragen hinsichtlich der Bewältigung daraus entstehender Konflikte auf. In den Debatten um die Lockerungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zum Beispiel reflektieren sich gesellschaftliche Verteilungs- und Wertekonflikte, was sich in den unterschiedlichen Herangehensweisen der europäischen Länder zeige. „Hier ist politikwissenschaftliche Expertise gefragt. An diesen Debatten will unser Institut durch Wissenstransfer und Politikberatung basierend auf exzellenter Forschung aktiv teilhaben“, sagt Antje Vetterlein.

Autorin: Jana Haack

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 4, 17. Juni 2020.

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