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Münster (upm/kk)
<address>© Rodrigo Flores/Unsplash</address>
© Rodrigo Flores/Unsplash

Kaffeeproduktion braucht klare Regeln

Politikwissenschaftlerin untersuchte, ob Nachhaltigkeitsstandards die Anbaubedingungen verbessern

Kaffee, das beliebteste Getränk der Deutschen, wird weltweit von rund 20 Millionen Kleinbauern angebaut, die häufig unter der Armutsgrenze leben. Private Nachhaltigkeitsstandards, beispielsweise Rainforest Alliance oder Nespresso AAA, versprechen Konsumenten ein fair gehandeltes und ökologisch nachhaltiges Produkt. Viele solcher Standards werden jedoch nicht konsequent eingehalten, hat Dr. Janina Grabs in ihrer Dissertation an der „Graduate School of Politics“ des Instituts für Politikwissenschaft der WWU offengelegt. „Die rapide Hochskalierung von Nachhaltigkeitsstandards bedeutet ein starkes Marktwachstum an zertifizierten Kaffeeprodukten sowohl unter Produzenten als auch im Handel. Das wiederum führt oft zu einer flexibleren Definition von Nachhaltigkeit, einem Preisprämienverfall und einer unvollständigen Umsetzung von nachhaltigen Produktionspraktiken unter Kaffeebauern. Nachhaltigkeitsstandards benötigen daher klarere Regeln“, erklärt die Politikwissenschaftlerin.

Dr. Janina Grabs<address>© privat</address>
Dr. Janina Grabs
© privat
Der Anbau von Kaffee in tropischen und subtropischen Gebieten ist die Lebensgrundlage vieler Millionen Menschen. Häufig sind diese Regionen sehr artenreich und vielerorts durch große Armut geprägt. Unter umweltfreundlichen Anbaubedingungen und zu fair gehandelten Preisen könnte die Kaffeeproduktion zur Schonung natürlicher Ressourcen und Armutslinderung beitragen. In der Realität führt der Kaffeeanbau jedoch oft zu Entwaldung, Erosion und Wasserverschmutzung. Hinzu kommt, dass die Arbeitsbedingungen häufig gefährlich sind und Kinderarbeit verbreitet ist.

„Viele Bauern müssen ihren Kaffee unter Wert verkaufen und entkommen der Armutsfalle nicht. Daher können bessere Anbau- und Handelsbedingungen zu globalen Nachhaltigkeitszielen beisteuern“, sagt Janina Grabs, die auf Basis einer quantitativen Felddatenerhebung von über 1.900 Kaffeebauern in Honduras, Kolumbien und Costa Rica sowie anhand von mehr als 60 Experteninterviews die Umsetzung solcher Standards im Feld und in der Wertschöpfungskette ausgewertet hat.

In Deutschland gibt es rund 350 mit einem Nachhaltigkeitssiegel gekennzeichnete Kaffeeprodukte. Nach einer Studie des Forums Fairer Handel e.V. gehört Kaffee mit einem Anteil von über 30 Prozent am Gesamtumsatz des fairen Handels zum weltweit umsatzstärksten fair gehandelten Produkt. Allein in Deutschland hat Röstkaffee aus fairem Handel einen Marktanteil von fünf Prozent. „Freiwillige Nachhaltigkeitsstandards haben sich zu wichtigen politischen und wirtschaftlichen Instrumenten entwickelt, um die internationalen Märkte an die Grundprinzipien der nachhaltigen Entwicklung zu binden“, sagt Thomas Dietz, Professor für Internationale Beziehungen und Recht am Institut für Politikwissenschaft der WWU. Er leitet das vom Land NRW geförderte Forschungsprojekt „TRANSSUSTAIN“, in dem auch die Dissertation von Janina Grabs entstanden ist. „Das internationale Interesse an unseren Forschungsergebnissen ist groß, da wir zu den wenigen Forschungsprojekten weltweit gehören, die empirisch untersuchen, wie es um die Wirksamkeit von Nachhaltigkeitsstandards in der globalen Kaffee-Wertschöpfungskette bestellt ist – und was tatsächlich bei den Bauern ankommt“, erklärt der Experte. Die Studienergebnisse legen offen, dass der Erlös und die Prämienzahlungen zu gering sind, um nachhaltiges Wirtschaften sowie soziale und ökologische Standards einzuhalten.

Denn je nach Standard können Bauern oft zwischen erforderlichen Nachhaltigkeitskriterien wählen oder müssen diese nur nach und nach erfüllen. Daher sei es schwierig nachzuvollziehen, welche Art von Kaffeeanbau das zertifizierte Produkt tatsächlich repräsentiert. Daneben wird aus Effizienzgründen nur ein Bruchteil von Bauern überprüft. Besonders wichtig sei der Aspekt, dass es vielen Bauern schwerfällt, strenge Regeln einzuhalten, wenn sie keine adäquate Entlohnung für ihren Mehraufwand erhalten. „In Zeiten vom Verkauf von Kaffee mit Nachhaltigkeitssiegeln in Discountern hat sich leider auch im zertifizierten Markt der Preiskampf durchgesetzt, und Preisprämien für Bauern sind rapide gesunken“, erläutert Janina Grabs. Der Erlös decke oft lediglich die Anbaukosten, und viele Bauern könnten nur einen Teil ihrer Ernte in den zertifizierten Markt abgeben.

Getrockneter grüner Kaffee bevor er verschifft wird.<address>© Dr. Janina Grabs</address>
Getrockneter grüner Kaffee bevor er verschifft wird.
© Dr. Janina Grabs
Im ersten Schritt können nachhaltige Praktiken zu Kostensteigerungen führen, beispielsweise, wenn Sicherheitsstandards eingeführt werden müssen oder das Ertragspotenzial in einer Übergangsphase durch die Einschränkung von Pestiziden zurückgeht. „Fairtrade“ versucht die wirtschaftliche Situation der Bauern auf verschiedenen Ebenen zu stärken, wie Dieter Overath, Vorstandsvorsitzender von TransFair e.V. erläutert: „Durch den Zusammenschluss in Kooperativen wird die Professionalisierung der Kleinbauern vorangetrieben. Sie verbessern ihre Managementstrukturen und Position in Vertragsverhandlungen, bieten Trainings an und verbessern so Produktivität und Qualität. Zwei weitere Aspekte sind außerdem besonders für Fairtrade: Die Zahlung des Fairtrade-Mindestpreises, der als Sicherheitsnetz zu verstehen ist und die Produktionskosten für eine nachhaltige Produktion deckt. Zusätzlich zum Verkaufspreis erhalten alle Produzenten eine Prämie.“

Allerdings bieten nur wenige andere Standards verlässliche Preisprämien, die solche finanziellen Anreize setzen könnten. Und eine Absatzgarantie könne der faire Handel nicht geben. Daher sind viele Bauern auf die zusätzliche Unterstützung durch Nicht-Regierungsorganisationen oder den Staat angewiesen, um Nachhaltigkeitsstandards zu erreichen. „Aus meiner Sicht ist es unabdingbar, dass private und öffentliche Gesetzgebung und Regeln bestmöglich ineinandergreifen“, erklärt Janina Grabs.

Autorin: Kathrin Kottke

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 3, Mai 2020.

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