|
Münster (upm/kn)
Das Archäologische Museum der WWU© WWU - Kathrin Nolte
Fotos

Universitätsmuseen: Orte zwischen Forschung, Lehre und Öffentlichkeit

Ein Gastbeitrag von Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz

Die Wiedereröffnungen des Archäologischen Museums und des Bibelmuseums der Universität Münster bereichern die Museumslandschaft dieser wissenschafts- und kulturaffinen Stadt und verbinden universitäre Forschung und Lehre auf neue und innovative Weise mit der Öffentlichkeit.

Beide Museen verfügen über eindrucksvolle Sammlungen. Das Archäologische Museum bietet zahllose Originale (Vasen, Terrakotten, Münzen und vieles mehr), eine bedeutende Sammlung von Abgüssen bekannter Bildwerke und Modelle wichtiger antiker Stätten. Das Bibelmuseum gilt als das umfassendste in Deutschland zur Geschichte der Bibel und dokumentiert das Neue Testament von handschriftlichen Anfängen bis in die Gegenwart, basierend auf über 700 lateinischen, griechischen und syrisch-aramäischen Bibelausgaben.

Universitätsmuseen haben unterschiedliche Aufgaben: Zunächst einmal dienen ihre Sammlungen der Lehre, weil sie es den Studierenden ermöglichen, Stein- und Metallgegenstände oder unterschiedliche Keramikgattungen haptisch zu erleben, was insbesondere in der Prähistorischen Archäologie beziehungsweise Vor- und Frühgeschichte für ein tieferes Verständnis von Herstellungs- und Bearbeitungstechniken unerlässlich ist. Die traditionell stärker kunsthistorisch ausgerichtete Klassische Archäologie hingegen arbeitet bei der Nachwuchsausbildung seit jeher auch mit Abgüssen von Meisterwerken der antiken Bildhauerkunst und ermöglicht dadurch eine dreidimensionale Zugänglichkeit von Skulpturen.

Vor einigen Jahren wurden in Deutschland 79 Universitätssammlungen mit dem Schwerpunkt Archäologie gezählt, davon entfielen 31 auf den Bereich der Klassischen Archäologie und 22 auf Lehrstühle zur Prähistorischen Archäologie. Ihre Situation ist meist prekär, oft fehlt es an entsprechendem Fachpersonal zur wissenschaftlichen wie auch konservatorischen Betreuung, die finanzielle Ausstattung ist unzureichend, und meist stehen auch keine angemessenen Räume für eine öffentlichkeitswirksame Präsentation zur Verfügung. Die Folge ist, dass Universitätssammlungen häufig ein Schattendasein führen, schlecht zugänglich sind und dadurch in der Öffentlichkeit und auch in der Universität selbst nicht angemessen wahrgenommen werden.

Für Münster gilt dies alles glücklicherweise nicht. Dennoch sehen sich auch die Museen der WWU einer doppelten Herausforderung gegenüber: Sie müssen sowohl in der universitären wie auch in der musealen Welt ihre Rolle finden und ihre Position behaupten. Zentral ist dabei die Mitwirkung an aktuellen Debatten – zum Beispiel zu den Themen Provenienzforschung und Restitution. Die WWU tat dies in besonders vorbildlicher Weise, als sie im Sommer 2018 einen römischen Marmorkopf an Italien zurückgab, der 1964 für das Universitätsmuseum erworben worden war, bei dem sich kürzlich jedoch herausstellte, dass er aus dem Archäologischen Museum der mittelitalienischen Stadt Fondi gestohlen wurde. Die Rückgabe war die einzig richtige Haltung.

Die Teams von Universitätsmuseen sind in der Regel klein und können schon dadurch nicht mit öffentlichen Museen konkurrieren. Das betrifft etwa die Frage der Öffnungszeiten, die vom Aufsichtspersonal abhängig ist, und der weiteren Infrastruktur mit Cafés, Shops und so weiter. Universitätssammlungen sollten sich daher mit öffentlichen Museen strategisch verbünden und sich dabei auf ihre Stärken besinnen. Große Potenziale ergeben sich im Zuge von Ausstellungskooperationen, im Ausbilden thematischer Netzwerke und in der stärkeren Betonung von Forschungsaspekten. Zu den Alleinstellungsmerkmalen gehören Aspekte wie forschendes Ausstellen, Citizen Science – der Bürgerwissenschaften – und Partizipation: Universitätsmuseen sind auch Schaufenster der Forschung.

Mit ähnlichen Herausforderungen sehen sich Museen auch anderswo konfrontiert, in Berlin etwa bei der Entwicklung des Forschungscampus Dahlem der Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit ihren Staatlichen Museen am Standort Dahlem. Die große räumliche Nähe zur Freien Universität Berlin soll dort neue Wege erschließen, wie die inhaltlich-fachlichen Verbindungen zwischen Universität und Museum eine neue Qualität erreichen können.

Das Bibelmuseum der WWU ist Teil des Instituts für Neutestamentliche Textforschung der Universität. Es macht die Forschung zur Überlieferungsgeschichte der Bibel und zur Rekonstruktion des Ausgangstextes beziehungsweise der Ursprungsvarianten auf ansprechende Weise der Öffentlichkeit zugänglich, setzt dabei auf ein breites Vermittlungsangebot für Schulen und andere Zielgruppen und bezieht mit Virtual Reality-Anwendungen auch innovative Vermittlungsformate ein. Das Museum ist darüber hinaus zu einem etablierten Ort des interreligiösen Dialogs geworden. Auf diese Weise werden Museen zu lebendigen Plattformen des Austausches und der Debatte.

Das Archäologische Museum und das Bibelmuseum der WWU befinden sich in bester Lage. Zusammen mit dem Museum für Kunst und Kultur des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) kann am Rande des Domplatzes ein Museumsquartier mit Strahlkraft entstehen, das die Universität auf neuartige Weise mit der Stadtgesellschaft verbindet, wenn es gelingt, die unterschiedlichen, aufgrund ihrer Profile sich komplementär ergänzenden Kompetenzen der Häuser von LWL und WWU für beide Seiten gewinnbringend zu verknüpfen. Dies zu erreichen, das ist die eigentliche Herausforderung.

Prof. Dr. Hermann Parzinger ist Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

Links zu dieser Meldung