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Münster (upm/kk)
Dr. Ricarda Brandts (Reihe vorn, 5. v. l.), Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts, begrüßte die thailändische Richter-Delegation, die von Prof. Dr. Niels Petersen von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der WWU (Reihe vorn, rechts) begleitet wurde.<address>© Wararat Kaikhoontod</address>
Dr. Ricarda Brandts (Reihe vorn, 5. v. l.), Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts, begrüßte die thailändische Richter-Delegation, die von Prof. Dr. Niels Petersen von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der WWU (Reihe vorn, rechts) begleitet wurde.
© Wararat Kaikhoontod

Hoher Besuch aus Thailand: Richter-Delegation lernt das deutsche Umweltrecht kennen

Stärkung der internationalen Kooperation zwischen Universität Münster und Thailand

Wie viele andere Länder versucht auch Thailand, heißt es in einer Kolumne auf thaizeit.de, "den ökologischen Herausforderungen, wie Klimawandel, Ressourcenverknappung und Umweltzerstörung, mit neuen Gesetzen zum Natur- und Umweltschutz entgegenzutreten". Doch während sich das Umweltrecht in Deutschland bereits in den 70er Jahren entwickelte, setzte diese Entwicklung in Thailand erst in den 90er Jahren ein - und gewinnt demnach stetig an Bedeutung.

Bietet sich das deutsche Umweltrecht daher als Exportschlager an? Das wollten 35 thailändische Richterinnen und Richter jetzt genauer wissen - und zwar an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU), wo sie zwei Wochen lang an einem Trainingsprogramm teilnahmen.

Tatsächlich gewinnt der Umweltschutz nach Beobachtung vieler Experten auf gesetzlicher, politischer und wirtschaftlicher Ebene an Bedeutung. „Umweltstandards und Naturschutzauflagen werden immer strenger und die gesetzlichen Verfahren zunehmend komplexer“, erklärt Henning Glaser, Direktor des „German-Southeast Asian Center of Excellence for Public Policy and Good Governance“ (CPG) an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Thammasat-Universität in Bangkok. Das Exzellenzzentrum wurde 2009 von Professoren der Frankfurter Goethe-Universität, der Universität Passau und der WWU initiiert - das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland und der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) fördern das Projekt.

Um mit dieser rasanten Entwicklung im Umweltrecht Schritt halten zu können, bat der thailändische Oberste Gerichtshof das CPG um Unterstützung - das sich wiederum an die Rechtswissenschaftliche Fakultät der WWU wandte. „Die Thailänder möchten von unseren Verwaltungsstrukturen lernen und Einblicke in umweltrechtliche Gerichtsverfahren erhalten - mit  theoretischen und praktischen Beiträgen“, betont Niels Petersen. Der Professor für Öffentliches Recht sowie Völker- und Europarecht an der WWU hat das Trainingsprogramm gemeinsam mit Prof. Dr. Sabine Schlacke, geschäftsführende Direktorin des Instituts für Umwelt- und Planungsrecht der WWU, entwickelt.

Die große Herausforderung besteht darin, Aspekte des deutschen Umweltrechts sowie die rechtlichen Verfahren auf die thailändischen Verhältnisse zu übertragen. „Die Thailänder zeigten ein besonderes Interesse an den umweltrechtlichen Prinzipien, die dem deutschen Recht innewohnen", berichtet Sabine Schlacke. "Dazu zählen vor allem das Vorsorgeprinzip, das besagt, dass der Staat bereits vor dem Entstehen von Umweltschäden Maßnahmen zu deren Vermeidung ergreifen darf, und das Verursacherprinzip, das den Verschmutzter zur Beseitigung von Umweltschäden verpflichtet.“ Die Delegation wollte daher vor allem konkrete Instrumente und Verfahren kennenlernen, die sie adaptieren und in ihren Arbeitsalltag implementieren kann. Dazu gehören beispielsweise das Klagerecht von Umweltverbänden, handelbare Emissionszertifikate und Schadensersatzzahlungen bei Umweltverstößen – wie etwa Luft- oder Wasserverschmutzung.

In den Gesprächen stellt sich schnell heraus, dass die Gäste geradezu beeindruckt davon waren, wie in dem komplexen juristischen Geflecht zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten die umweltrechtlichen Ge- und Verbote umgesetzt werden. „Es gibt eine Reihe von Parallelen zu Asien. Die Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten in puncto Umweltschutz ist essentiell. In Deutschland und in Europa gibt es viele gute Beispiele. Unter anderem haben wir erfahren, wie man hier mit Klagemöglichkeiten bei grenzüberschreitenden Umweltverschmutzungen umgeht“, erläutert Nipon Chaisamran, Präsident der Umweltrechtsabteilung des thailändischen Obersten Gerichtshofs.

Der Besuch am Oberverwaltungsgericht (OVG), der nach 14 Tagen den Abschluss bildet, gehört zu den Höhepunkten des Besuchs. „Der internationale Wissens- und Erfahrungsaustausch ist für unsere Arbeit am OVG essentiell. Wir freuen uns, dass wir unsere Expertise im Umweltrecht an unsere thailändischen Kolleginnen und Kollegen weitergeben dürfen“, betont OVG-Präsidentin Dr. Ricarda Brandts.

Die Richter erhalten Einblicke in die Entstehungsgeschichte des OVG und in die richterlichen Tätigkeiten der insgesamt 20 Senate. Das OVG ist zuständig für Entscheidungen über Berufungen gegen Urteile der Verwaltungsgerichte sowie über Beschwerden gegen andere verwaltungsgerichtliche Entscheidungen. Von besonderem Interesse ist für die thailändische Delegation dabei die Arbeit des achten Senats, zu dessen Geschäftsbereich unter anderem das Verkehrsrecht, das Denkmalschutzrecht sowie das Natur- und Landschaftsschutzrecht gehören.

„Wir haben eine Menge gelernt und viele Impulse für unsere Arbeit in Thailand erhalten. Wir freuen uns sehr, dass wir dieses Wissen an unsere Kolleginnen und Kollegen weitergeben können“, bilanziert Nipon Chaisamran. WWU-Professor Niels Petersen und CPG-Direktor Henning Glaser sind sich sicher: Der Besuch aus Thailand kann die Basis für neue Kooperationen zwischen der WWU und dem CPG sein und neue Ideen zum Wissensaustausch zu Tage fördern.

 

Zum Hintergrund des deutschen Umweltrechts

Der Umweltschutz wurde 1994 als Staatszielbestimmung in das deutsche Grundgesetz aufgenommen. Das Umweltrecht dient dem Schutz der natürlichen Umwelt und der Erhaltung der Ökosystemfunktionen. Der Kernbereich des Umweltrechts besteht aus anlagen-, umweltmedien- und stoffbezogenen Schutzgesetzen. Dazu gehören unter anderem das Immissionsschutzrecht, Wasserrecht und Bodenschutzrecht.

Zunehmend werden Umweltschutzregelungen im Fachrecht wie etwa im Energierecht, Landwirtschaftsrecht, Verkehrsrecht, Bergrecht, Bau- und Planungsrecht integriert. Deren ursprünglicher Regelungszweck ist zwar nicht der Umweltschutz, aber das Umweltbundes Amt entwickelt Vorschläge für Umweltschutzregelungen in diesen Rechtsgebieten. In den relativ neuen Rechtsgebieten Klimaschutzrecht und Ressourcenschutzrecht finden sich sowohl klassisches Umweltrecht als auch zahlreiche Rechtsgebiete und Einzelgesetze, die nicht zum Umweltrecht zählen und dennoch etwas für den Umweltschutz tun können.

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