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Münster (upm/kn)
Im neuen Serverraum an der Einsteinstraße findet die geplante Forschungsdateninfrastruktur der WWU Platz.<address>© WWU - Peter Leßmann</address>
Im neuen Serverraum an der Einsteinstraße findet die geplante Forschungsdateninfrastruktur der WWU Platz.
© WWU - Peter Leßmann

Durchblick im Datenwirrwarr

Das digitale Forschungsdatenmanagement gewinnt an der WWU immer mehr an Bedeutung

Physiker der Universität Münster messen mit Detektoren Lichtsignale am Südpol, um den Nachweis von Neutrinos zu erbringen. Diese kleinsten Teilchen gelangen als kosmische Strahlung auf die Erde und bewegen sich durch das ewige Eis. Um ihre Richtung und Energie zu ermitteln, verwenden die Wissenschaftler aufwendige Algorithmen und führen rechenintensive Computersimulationen durch. Psychologen des Exzellenzclusters "Religion und Politik" untersuchen mit empirischen Online-Studien, wie erste Eindrücke von Deutschen und Flüchtlingen ausfallen und welche Faktoren integrationsfördernd wirken können. Die Teilnehmer sollen Fotos jeweils nach Kriterien wie Sympathie, Vertrauenswürdigkeit, Egoismus oder Feindseligkeiten beurteilen. Dies sind nur zwei aktuelle Projektbeispiele an der WWU, bei denen digitale Daten erhoben werden. Das Management solcher Forschungsdaten gewinnt an Hochschulen immer mehr an Bedeutung. Dadurch soll die Transparenz der Forschung erhöht, eine verlässliche Qualitätskontrolle ermöglicht und eine Absicherung der Ergebnisse gewährleistet werden.

"Mittlerweile können auch große Datenmengen verarbeitet werden. Dafür ist aber nicht nur technisches, sondern auch bibliothekarisches und rechtliches Wissen notwendig", betont Dr. Dominik Rudolph, Geschäftsführer des Zentrums für Informationsverarbeitung (ZIV). Das Rektorat und der Senat der WWU haben 2017 Grundsätze zum Umgang mit dem digitalen Material verabschiedet. "Forschungsdaten sind ein zentrales Element von wissenschaftlicher Tätigkeit und dem damit verbundenen Erkenntnisgewinn", heißt es in dem Papier. "Als Forschungsdaten werden hierbei alle Daten bezeichnet, die im Rahmen eines Forschungsprozesses gesammelt, erhoben, simuliert oder abgeleitet werden." Der neugeschaffene Servicepunkt Forschungsdatenmanagement, eine Kooperation der Universitäts- und Landesbibliothek (ULB), der Universitätsverwaltung und des ZIV, unterstützt die Wissenschaftler. "Wir helfen und beraten rund um das Thema Forschungsdatenmanagement und beantworten beispielsweise folgende Fragen: Wie sieht ein Datenmanagementplan aus, was ist mit Datenschutz und Nutzungsrechten, welche technischen Fragen sind zu klären, wie und wo kann ich Daten veröffentlichen, welche Lizenzen sollte ich verwenden, wie werden die Daten archiviert?", erläutert Dr. Stephanie Klötgen, Dezernatsleiterin "Digitale Dienste" der ULB.

Bereits 2013 hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die Sicherung und Aufbewahrung von sogenannten Primärdaten, also die reinen Zahlen, Zitate und Fakten, in ihrer Empfehlung zur "Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis" verankert. Auch die Hochschulrektorenkonferenz veröffentlichte 2014 Empfehlungen zum Umgang mit digitalen Forschungsdaten. Drittmittelgeber wie die DFG und Fachzeitschriften setzen mittlerweile voraus, dass die den wissenschaftlichen Veröffentlichungen zugrundeliegenden Daten angemessen aufbereitet und langfristig gesichert werden. Zehn Jahre lang sollen sie zwecks Überprüfbarkeit und Nachnutzung aufbewahrt werden.

"Wir brauchen einfach zu nutzende Tools."

Und genau an dieser Stelle fangen die Probleme an: Wie und wo speichert man heute Daten, um den Zugriff zukünftig zu gewährleisten? Dateiformate, Software und Geräte ändern sich ständig. Wissenschaftler müssen also dafür sorgen, dass die Forschungsdaten nicht nur strukturiert und einheitlich abgelegt werden. Sie müssen auch entscheiden, wer Zugang zu dem oft sensiblen Material erhält und wer sich um eine lesbare Langzeitarchivierung kümmert. Die Erstellung eines Datenmanagementplans sollte deshalb frühzeitig Teil der Projektplanung sein. Bisher stehen an der WWU dazu die passenden digitalen Werkzeuge noch nicht immer zur Verfügung. "Die Forschenden möchten und sollen sich mit diesem Thema nicht unnötig lang beschäftigen, deshalb brauchen wir einfach zu nutzende Tools", erklärt Dominik Rudolph. Zukünftig sollen entsprechende Hilfsmittel angeboten werden, etwa als Ergänzung zur Campuscloud "sciebo". Sowohl hierfür als auch für die zukunftssichere Erweiterung der Speicherinfrastruktur wurden gemeinsam mit anderen Hochschulen Anträge bei der DFG gestellt.

Der Umgang mit Forschungsdaten wird in den Fachbereichen der WWU unterschiedlich gehandhabt. Einige sind bereits gut aufgestellt – andere noch nicht, wie eine Umfrage zeigt. "Es gibt derzeit noch viele Unsicherheiten, auch an anderen Hochschulen. Was für die einen schon selbstverständlich ist, rückt woanders gerade erst in den Fokus", erläutert Dominik Rudolph. Dabei spielen digitale Daten nicht ausschließlich in den Naturwissenschaften eine Rolle. Auch immer mehr Geistes- und Sozialwissenschaftler verwenden digitale Editionen, computergestützte Bildverarbeitung oder Online-Datenbanken.

Die Einhaltung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis, Transparenz und Validität sowie die Sicherung nicht replizierbarer Daten sind der Nutzen des Forschungsdatenmanagements. Eine möglichst umfassende und kosteneffiziente Auswertung, die Vermeidung doppelter Erhebungen und eine interdisziplinäre Zweitanalyse unter anderen Fragestellungen beziehungsweise mit neuen Methoden sind weitere Vorteile. "Das professionelle Forschungsdatenmanagement mit der Schaffung neuer Strukturen, durchgängiger Prozesse und zeitgemäßer Services stellt eine große Herausforderung für Universitäten dar und wird uns in den nächsten fünf bis zehn Jahren intensiv beschäftigen", versichert Stephanie Klötgen.

 

Autorin: Kathrin Nolte

Dieser Artikel stammt aus der Universitätszeitung "wissen|leben" Nr. 2, April / Mai 2018.

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