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Münster (upm)
Dr. Lena Frischlich<address>© IfK/Susanne Lüdeling</address>
Dr. Lena Frischlich
© IfK/Susanne Lüdeling

Fake News? Desinformation in Zeiten digitaler Medien

"In unserer digitalisierten Alltagswelt scheinen sich sowohl Fehl- als auch Desinformationen sprunghaft zu verbreiten." / Ein Gastbeitrag von Felix Brinkschulte und Dr. Lena Frischlich

Vor kurzem verlieh der amtierende U.S. Präsident Donald Trump einen "Fake News"-Award an etablierte Medienhäuser wie den CNN – angeblich um deren "verzerrte Berichterstattung" hervorzuheben. Gleichzeitig beklagen dieselben Medien, dass gerade Donald Trump häufig faktisch falsche Nachrichten, also "Fake News", verbreite. Natürlich sind weder Präsidenten, die der Presse Fehler in ihrer Berichterstattung vorwerfen, noch politisch motivierte Desinformationen eine neue Erfindung. Seit der US-Wahl 2016 ist der Begriff "Fake News" aber in aller Munde. Dabei ist häufig gar nicht klar, was "Fake News" eigentlich sind. Auch die Wissenschaft hat bisher keine einheitliche Definition hervorgebracht. Grob lassen sich aber zwei Bedeutungen unterscheiden:

(1) Fake News als ein politischer "Kampfbegriff": Theoretisch können alle Inhalte einfach als "Fake News" gelabelt werden, etwa um politische Gegner zu denunzieren oder das Vertrauen in etablierte Medien zu erschüttern. Dieses Label ist mit der Bezeichnung "Lügenpresse" verwandt – bei beiden Labeln geht es weniger darum handwerkliche Fehler zu benennen als alle Medien pauschal der Manipulation zu bezichtigen.

(2) Fake News als die mehr oder weniger korrekte Darstellung von Fakten: Der Begriff "Fake News" wird inzwischen eher kritisch gesehen. Besser ist es stattdessen zwischen unbeabsichtigter "Fehlinformation" und gezielter "Desinformation" mitsamt bestehender Täuschungsabsichten zu unterscheiden. Fehlinformationen sind unabsichtliche Fehler, zum Beispiel handwerkliche Mängel oder schlecht recherchierte Berichte, die keine Absicht haben zu täuschen. Desinformationen beinhalten hingegen absichtlich verzerrte oder frei erfundene Informationen, etwa Zitate die manipuliert oder aus dem Kontext gerissen wurden, um das Publikum bewusst zu täuschen. Vor allem letzteres ist aus ethischer Perspektive problematisch und widerspricht gesellschaftlichen Verhaltensnormen.

Felix Brinkschulte<address>© privat</address>
Felix Brinkschulte
© privat
In unserer digitalisierten Alltagswelt scheinen sich sowohl Fehl- als auch Desinformationen sprunghaft zu verbreiten. Die Vielzahl an Angeboten im Netz macht es oft schwer die Glaubwürdigkeit bestimmter Quellen zu beurteilen. Vor allem dann, wenn uns Informationen nicht mehr beim Aufschlagen der Tageszeitung erreichen, sondern über Freunde und Familienmitglieder via Facebook oder WhatsApp. In einigen Fällen ist es schwer nachzuvollziehen woher letztere Informationen eigentlich stammen. Außerdem unterscheiden Empfelungsalgorithmen nicht zwischen "wahren und falschen" Nachrichten. Populäre Desinformationen können dadurch im Netz sogar mehr Reichweite erzielen als traditionelle Medienangebote.

Hinzu kommt, dass Online-Desinformationen häufig durch Postings oder Webseiten verbreitet werden, die sich als etablierte Presseorgane inszenieren und die Namen oder Auftritte professioneller Medien imitieren. Solche Desinformationen lassen sich als Angebote einer Pseudo-Presse charakterisieren. Analog zum professionellen Mediensystem gibt es auch von dieser Sorte eine Vielzahl von Medienangeboten, Verlagen, Redaktionen und Mitarbeitern – demnach eine Nachahmung der etablierten Presse, welche aber nicht denselben (journalistischen) Verhaltensnormen unterliegt. Stattdessen missbraucht die Pseudo-Presse Glaubwürdigkeitserwartungen, die Leser und Leserinnen im Hinblick auf professionelle Medien haben, etwa um Geld über Online-Klickraten einzunehmen oder politische Propaganda zu verbreiten. Fehl- und Desinformationen oder die politisch motivierte Pseudo-Presse sind nicht neu. Diese Phänomene profitieren aber durch bestimmte Merkmale der Digitalisierung. Heute kann man als Mediennutzer oder Nutzerin nahezu allerorts und zu nahezu jeder Zeit Bilder, Texte und demnach auch Pseudo-Presseangebote digital erstellen, verbreiten und abrufen. Im digitalen Raum wird das journalistische Gatekeeping – die Kontrolle darüber welche Inhalte ein Massenpublikum erreichen – häufig umgangen. Diese erleichterten Zugänge zu digitalen Öffentlichkeiten können für die Verbreitung dieser Informationstypen missbraucht werden.

<address>© © fotolia.com/Coloures Pic</address>
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Gleichzeitig bietet die Digitalisierung aber auch Chancen zur Bekämpfung von Desinformationen. Information können durch Online-Recherchen von Mediennutzern und Nutzerinnen überprüft werden. Angefangen bei der Überprüfung des Impressums bis hin zur Rückwärtssuche von Zitaten, Fotos oder Videos. Ein kritischer Blick bietet viele Möglichkeiten selber aktiv zu werden und falschen Informationen auf die Spur zu kommen. Der pauschalisierende und denunzierende Begriff "Fake News" sollte dabei aber besser vermieden werden.

 

Felix Brinkschulte schloss im Sommersemester 2017 den Masterstudiengang Kommunikationswissenschaft an der WWU ab. Seine Masterarbeit trägt den Titel: "Onlinenetzwerke der Rechten. Eine explorative Studie zur Erfassung digitaler Strukturen mit dem Ausgangspunkt des rechtspopulistischen Akteurs »AfD«". Während des Masterstudiums arbeitete er als Forschungsstudent im Graduiertenkolleg "Vertrauen und Kommunikation in einer digitalisierten Welt". Seit Januar 2018 ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Nachwuchsforschungsgruppe "Demokratische Resilienz in Zeiten von Online-Propaganda, Fake News, Fear- und Hate Speech (DemoRESILdigital)" tätig.

Dr. Lena Frischlich hat 2016 an der Universität zu Köln promoviert. Seit 2011 forscht sie zur Inszenierung und Wirkung (extremistischer) Propaganda und medialer Gegenangebote. Seit Juli 2016 forscht sie am Institut für Kommunikationswissenschaften der WWU. Zunächst war sie in einem Projekt zur "Erkennung, Nachweis und Bekämpfung verdeckter Propaganda-Angriffe über Online-Medien" bei Prof. Dr. Thorsten Quandt beschäftigt. Seit Januar 2018 leitet sie die Nachwuchsforschungsgruppe "Demokratische Resilienz in Zeiten von Online-Propaganda, Fake News, Fear- und Hate Speech (DemoRESILdigital)".

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