|
Münster (upm)
Katherine M. Grosser<address>© Roland Berg</address>
Katherine M. Grosser
© Roland Berg

Lügenpresse, Fake News und Alternative Fakten

"Viele Bürger beziehen ihr Wissen über die Welt aus der Medienberichterstattung"

"Lügenpresse", "Fake News" und "Alternative Fakten" sind heutzutage in aller Munde und viele Bürgerinnen und Bürger – und auch viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – denken über den Zusammenhang zwischen Vertrauen, Misstrauen und Journalismus nach. Dabei geht es meist um Vertrauen oder Misstrauen in den Journalismus. Nicht minder wichtig für unsere Gesellschaft ist dabei aber auch die Frage nach Vertrauen und Misstrauen im Journalismus.

Meine Dissertation "Die mediale Darstellung von Vertrauen, Misstrauen und Vertrauensproblemen im Kontext der Digitalisierung" beschäftigt sich mit genau dieser Frage, und zwar konkret damit, wie in den Medien über Beziehungen berichtet wird, in denen Vertrauen, Misstrauen oder Vertrauensprobleme – die ich zusammengefasst als Vertrauensdimensionen bezeichne – in einem digitalen Kontext vorliegen. Dabei habe ich einen längeren Zeitraum (2002-2015) in den Blick genommen, um mögliche Veränderungen erfassen zu können. Nachfolgend werden einige Teilergebnisse der Arbeit, die im Graduiertenkolleg "Vertrauen und Kommunikation in einer digitalisierten Welt" entstanden ist, präsentiert.

Die Inhaltsanalyse von über 2000 Beiträgen aus den Medien Spiegel, Spiegel Online, taz, Stuttgarter Zeitung und Kölner Express zeigt dabei, dass die Berichterstattung über Vertrauen, Misstrauen und Vertrauensprobleme seit dem Jahr 2002 stark zugenommen hat. Wir lesen in den Medien also immer häufiger davon, wer wem im Kontext der Digitalisierung vertraut, misstraut oder weniger vertraut. In fast zwei Drittel dieser Beiträge werden auch Gründe für die Vertrauensdimension genannt, womit das Publikum besser nachvollziehen kann, wie Vertrauen, Misstrauen oder Vertrauensprobleme entstanden sind.

<address>© fotolia.com/Coloures Pic</address>
© fotolia.com/Coloures Pic
Auffällig sind vor allem die Jahre 2013 und 2015, denn in diesen wird besonders häufig über Vertrauen, Misstrauen und speziell Vertrauensprobleme berichtet. Erklären lässt sich dies durch zwei Schlüsselereignisse, nämlich den NSA-Skandal (2013) und die VW-Abgasaffäre (2015). Im Kontext des NSA-Skandals werden Vertrauensprobleme zwischen verschiedenen Akteuren dargestellt:  Die Deutschen vertrauen den USA nicht mehr, die USA haben das Vertrauen der Bundesregierung verloren oder es geht um persönliche Vertrauensprobleme zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem ehemaligen amerikanischen Präsidenten Barack Obama. Grund ist die langjährige digitale Überwachung seitens der NSA. Im Kontext des VW-Abgasskandals gibt es weniger Variation in den dargestellten Beziehungen: Hier geht es stets um verlorengegangenes Vertrauen der Öffentlichkeit oder der Kunden in den VW-Konzern. Grund ist hier der jahrelange Einsatz einer manipulativen Software zur Umgehung von Abgasnormen.

Warum ist es wichtig, die mediale Darstellung der drei Vertrauensdimensionen näher zu erforschen? Die Antwort liegt in der Orientierungsfunktion der Medien. Ob sie nämlich den Medien nun vertrauen oder misstrauen – viele Bürgerinnen und Bürger beziehen ihr Wissen über die Welt aus der Medienberichterstattung. Der Journalismus wird somit zu einem Vermittler und kann einen Einfluss darauf haben, ob und inwieweit das Publikum Vertrauen, Misstrauen oder Vertrauensprobleme gegenüber den dargestellten Objekten – also den USA oder dem VW-Konzern – entwickelt. Hier geht es also schließlich um die Frage nach Vertrauen, Misstrauen und Vertrauensproblemen durch den Journalismus. Gerade in Bezug auf die komplizierte digitale Welt mit ihren vielfältigen Chancen und Risiken ist solch eine Orientierung wichtig. So können beispielsweise in Kommentarspalten auf sozialen Netzwerken gesellschaftlich wertvolle und bereichernde Debatten und Diskussionen aufkommen oder sich neue Bekanntschaften und Freundschaften formieren, gleichzeitig  finden sich aber gerade an dieser Stelle auch häufig rassistische, unsachliche und unhöfliche Beiträge oder es entstehen Filterblasen, die eine Gesellschaft weiter spalten können. Um die beschriebene Wirkung der Medienberichterstattung auf das Publikum besser nachvollziehen zu können, muss die Kommunikationswissenschaft daher zunächst eruieren, wie genau über die drei Vertrauensdimensionen im Journalismus berichtet wird. Neben dem Inhalt der Berichterstattung selbst sind aber auch noch andere Faktoren relevant. So haben bisherige kommunikationswissenschaftliche Studien bereits einen weiteren wichtigen Einflussfaktor gezeigt: ob und inwieweit Vertrauen in den Journalismus vorliegt.

 

Autorin Katherine M. Grosser arbeitet als akademische Rätin a. Z. am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster. Ihre Forschungsschwerpunkte sind unter anderem die Journalismus- und Vertrauensforschung, die politische Kommunikation sowie Terrorismus und Medien.

Links zu dieser Meldung