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Münster (upm/anb).
Das Bild zeigt Andreas Hensel, Martina Düfer und Katarina Kühn (von links) in einem Labor. Sie halten eine Patenturkunde in die Kamera.<address>© Uni MS - Linus Peikenkamp</address>
Prof. Dr. Andreas Hensel und Prof. Dr. Martina Düfer konnten sich für ihre Erfindung, die sie mit zwei Doktoranden gemacht hatten, ein Patent sichern. Katarina Kühn (rechts) und weitere Angehörige des Forschungsdezernats unterstützten sie dabei.
© Uni MS - Linus Peikenkamp

Von der Linde zum Patent

Wie die Universität Münster Erfindungen fördert – ein Beispiel aus der Pharmazie

Mitte Oktober vermeldete der Deutschlandfunk: „Deutsche Forschungsinstitute sind führend bei Patentanmeldungen“. Grundlage war eine Studie des Europäischen Patentbüros (EPO), wonach rund ein Drittel aller europäischen Patentanmeldungen, die zwischen 2001 und 2020 öffentlich gefördert wurden, aus deutschen Instituten stammt. Auch an der Universität Münster gibt es Entdeckungen, die zu Patenten führen. Wer ist daran beteiligt? Welche Hürden gibt es? Was folgt auf eine Patentierung?

Die Rechtslage

Am Anfang eines Patents steht eine Erfindung. In Paragraf 1 des deutschen Patentgesetzes heißt es: „Patente werden für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind.“ 147 Paragrafen regeln detailliert, was patentiert werden kann. Nicht patentierbar sind etwa das „Verfahren zum Klonen von Menschen“, wissenschaftliche Theorien oder mathematische Methoden.

Die Rolle der Erfinderinnen und Erfinder

Am PharmaCampus der Universität Münster kam es 2019 zu einer erfinderischen Tätigkeit und einer daraus resultierenden Neuigkeit, die nicht dem damaligen Stand der Technik entsprach – und damit grundsätzlich patentwürdig war. Prof. Dr. Martina Düfer und ihr damaliger Promovend Dr. Alexander Hake vom Institut für Pharmazeutische und Medizinische Chemie sowie Prof. Dr. Andreas Hensel und sein früherer Promovend Dr. Nico Symma vom Institut für Pharmazeutische Biologie und Phytochemie waren auf sechs neuartige Alkaloide aus Lindenblüten und ihre Effekte auf den menschlichen Organismus gestoßen. „Manchmal hilft auch der Zufall“, sagt Martina Düfer und lacht. Die Alkaloide hemmen das Enzym Acetylcholinesterase, wodurch die Menge an aktivem Acetylcholin steigt. „Dieser Neurotransmitter wirkt als Motor für Gedächtnis, kognitive Stressresistenz und geistige Flexibilität“, erklärt Andreas Hensel. Die Erfindung ermögliche es, mentalen und emotionalen Stress zu beeinflussen.

Nach der Entdeckung prüfte das Team das biomedizinische Potenzial und mögliche Synthesestrategien, analysierte den Markt und meldete, wie es das Gesetz über Arbeitnehmererfindungen vorschreibt, die Erfindung dem Forschungsdezernat. Die 20-seitige Meldung beinhaltet persönliche und dienstliche Angaben sowie eine Beschreibung der Erfindung und ihrer möglichen Anwendung. Die Antwort auf die erste zu beantwortende Frage im Dokument ist derart wichtig, dass sie über Wohl und Wehe des gesamten Vorhabens entscheidet: „Welche Veröffentlichungen haben Sie bisher zum Thema der Erfindung getätigt?“ Unter acht Antwortmöglichkeiten, etwa „Dissertation“ und „Vortrag“, gibt es nur eine richtige: „Keine“. „Jegliche Veröffentlichung vor der Anmeldung lässt den Patentanspruch erlöschen. Darum ist Verschwiegenheit bis zur Patentanmeldung essenziell“, erklärt Katarina Kühn von der Arbeitsstelle Forschungstransfer (AFO). Das Lindenblütenteam wusste darum und handelte entsprechend.

Die Rolle der Universität

Nach einer Entdeckung in den Instituten und Laboren wird das Forschungsdezernat aktiv – unter anderem mit seinem Justiziariat und den AFO-Patentreferentinnen Katarina Kühn und Janita Tönnissen. Diese prüfen die Meldung und leiten sie, wie 2019 beim Lindenblütenextrakt, an die PROvendis GmbH weiter. Sollte die Erfindung aus der Medizin stammen, ist dafür die fakultätseigene „Clinic Invent“ zuständig. „Die Patentverwertungsagentur PROvendis, eine Tochtergesellschaft von 27 NRW-Hochschulen, bewertet die Erfindung unter rechtlichen, technologischen und wirtschaftlichen Aspekten. Anschließend empfiehlt sie der Uni, ob sie die Erfindung in Anspruch nehmen oder freigeben sollte“, erklärt Katarina Kühn. Bei Inanspruchnahme beauftragt PROvendis eine Patentanwaltskanzlei.

So geschah es bei den Lindenblüten. „Die Erstellung der Patentschrift durch den Patentanwalt erfolgte in weniger als einer Woche, unsere Telefone glühten in diesen Tagen“, schildert Andreas Hensel. Die Uni nahm die Erfindung an, und das EPO erteilte am 30. Oktober 2024 das Patent EP3960174. Es schützt das geistige Eigentum der Erfinder in zahlreichen europäischen Ländern. Fast fünf Jahre lagen zwischen der Entdeckung und der Patenterteilung – keine Seltenheit. „Geduld und Ausdauer sind gefragt. Zudem müssen die Erfinderinnen und Erfinder ihre Expertise fortwährend einbringen“, unterstreicht Katarina Kühn. Das tat das Team aus der Pharmazie. Gleichzeitig stärkte die Uni den Forschern den Rücken: Im Frühjahr 2025 beschloss die Universitätsleitung, die Erfindung durch den Validierungsfonds zu fördern, um sie marktreif zu machen. „Die Universität unterstützt Erfinderinnen und Erfinder aus eigenen Mitteln sowie solchen des Landes NRW finanziell und mit Expertise, um Innovationen in Gesellschaft und Wirtschaft zu tragen. Erfolgreiche Patentverwertungen kommen auch der Universität zugute“, betont Forschungsdezernentin Dr. Katharina Steinberg.

Die nächsten Schritte

Für Martina Düfer, Andreas Hensel und ihr Team ist das Substanzpatent aber nicht das Ende ihres Erfindungsprozesses. Mithilfe des Validierungsfonds und einer Unternehmensgründung wollen sie den Extrakt in Form einer Arznei oder eines Nahrungsergänzungsmittels auf den Markt bringen. „Das ist ein komplexes Unterfangen. Wir verlassen unser Labor und beschäftigen uns stattdessen mit Großmarktpreisen, Produktionsverfahren und Vermarktung“, sagt Andreas Hensel. „Aber die Zusammenarbeit macht Spaß“, ergänzt Martina Düfer. Dank ihrer Expertise und Ausdauer sowie der Beratung durch die Uni und PROvendis haben sie bereits einige Hürden gemeistert.

Autor: André Bednarz

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 8, 10. Dezember 2025.

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