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Münster (upm/kk).
Im Polarisationsmikroskop sind reliktische Balkenoliven-Chondren im Kindberg Meteoriten sichtbar.<address>© Addi Bischoff</address>
Im Polarisationsmikroskop sind reliktische Balkenoliven-Chondren im Kindberg Meteoriten sichtbar.
© Addi Bischoff

Experten entdecken seltene Hochdruckminerale im Meteoriten

Erste Analyse-Ergebnisse des „Kindberg“-Chrondriten aus Österreich liegen vor

Vor fünf Jahren, am 19. November 2020, erhellte ein Meteorit den Himmel über Teilen Deutschlands, Österreichs und Italiens. Das europäische Feuerkugelnetzwerk konnte den Einschlagsort rasch eingrenzen. Jedoch wurde erst im Sommer 2021 ein 233 Gramm schweres Fragment bei Kindberg in der Steiermark gefunden. Dieser Fund gilt als der erst fünfte beobachtete Meteoritenfall in Österreich. Eine erste Klassifikation zeigte, dass „Kindberg“ ein sogenannter schwach geschockter L6-Chondrit ist. Die Klassifikation „schwach geschockt“ bedeutet, dass der Meteorit nur einer vergleichsweise geringen Stoßbelastung in seiner Geschichte ausgesetzt war. Dies hat seine Bestandteile trotzdem teilweise stark beeinflusst. „Mit seinen typischen schwarzen Schockadern ist ‚Kindberg‘ ein ideales Studienobjekt für Infrarot-Messungen. Daher suchen wir nach Effekten, die im Zusammenhang mit den Schockadern stehen, wie etwa die Aufschmelzungen einzelner Minerale, und gleichzeitig im Infrarotbereich sichtbar sind“, erklärt Prof. Dr. Addi Bischoff Institut für Planetologie der Universität Münster, der den Steinmeteoriten mit einem internationalen Team untersucht hat. Dies gelang dem Team nun auf überraschende Weise, wie der Fund verschiedener Hochdruckmineralien belegt. Die Ergebnisse sind nun in der Fachzeitschrift „Meteoritics & Planetary Science“ erschienen.

Zu sehen sind Prof. Dr. Bischoff und Dr. Maximilian P. Reitze. Sie arbeiten an einem Infrarotspektrometer mit Mikroskop und schauen auf einen Bildschirm.<address>© M.P. Reitze</address>
Prof. Dr. Bischoff (r.) und Dr. Maximilian P. Reitze arbeiten an einem Infrarotspektrometer mit Mikroskop.
© M.P. Reitze
Um die Geheimnisse des Kindberg-Meteoriten zu erforschen, stellten Addi Bischoff, Dr. Maximilian Reitze und Dr. Iris Weber eine Probenanfrage beim Naturhistorischen Museum in Wien. Gemeinsam mit einem deutsch-französisch-österreichischen Forschungsteam befassten sich die Planetologen mit der Analyse des kosmischen Bruchstücks. „In dem Gestein entdeckten wir unter anderem das seltene Mineral Wadsleyit, das nur unter extrem hohem Druck aus dem Magnesium-Eisen-Silikat Olivin entsteht“, sagt Maximilian Reitze. Wadsleyit tritt neben anderen Hochdruckmineralen wie beispielsweise Ringwoodit und Majorit in winzigen Bereichen auf. Erst durch den Einsatz eines Infrarot-Spektrometers mit Mikroskop konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diese besonderen Minerale identifizieren.

Solche Hochdruckphasen bilden sich auf der Erde normalerweise nur tief im Erdmantel oder künstlich im Labor. Im Fall des Kindberg-Meteoriten sind sie durch mindestens einen heftigen Zusammenstoß seines Mutterkörpers mit einem anderen Asteroiden im Asteroidengürtel entstanden, also rund 250 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Das Forschungsteam konnte nachweisen, dass selbst in schwach geschockten Meteoriten Hochdruckphasen entstehen und erhalten bleiben können.

Die Ergebnisse sind nicht nur für die Meteoritenforschung relevant. „Das neue Wissen liefert uns wertvolle Hinweise für die Fernerkundung von Asteroiden und Gesteinsplaneten wie dem Merkur“, erklärt Iris Weber. „Wenn Hochdruckphasen bereits bei geringer Schockbelastung auftreten, könnten sie bei stärker geschockten Gesteinen noch häufiger vorkommen.“ Dies müssen Expertinnen und Experten bei der Interpretation von Spektraldaten solcher Körper berücksichtigen. Die aktuellen Ergebnisse bilden zudem den Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen, beispielsweise die bevorstehende Erforschung der mineralogischen Zusammensetzung der Merkur-Oberfläche mit dem MERTIS-Instrument an Bord der der europäischen Mission BepiColombo, an dem das münstersche Institut für Planetologie beteiligt ist.

Originalpublikation

Addi Bischoff, Maximilian P. Reitze,,Julia Roszjar, Markus Patzek, Jean-Alix Barrat, Jasper Berndt, Tommaso Di Rocco, Andreas Pack, and Iris Weber: Kindberg, the 5th meteorite fall in Austria: A weakly shocked L6 chondrite breccia with high-pressure phases. Meteorit Planet Sci. DOI: 10.1111/MAPS.70072

 

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