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Münster (upm/lp).
Das Bild zeigt einen Computerbildschirm, auf dem die Website der Zeitschrift „Replication Research“ geöffnet ist.<address>© Uni MS - Linus Peikenkamp</address>
Ab Oktober publiziert das Münster Center for Open Science (MüCOS) die Zeitschriftenreihe „Replication Research“
© Uni MS - Linus Peikenkamp

„Das System ist nicht auf Wiederholungen ausgelegt“

Lukas Röseler über die Bedeutung und Akzeptanz von Replikationsstudien in der Wissenschaft

Forschungsergebnisse durch Replikationsstudien zu überprüfen, ist entscheidend, um die Zuverlässigkeit von Wissenschaft zu sichern. Wiederholungen von Studien finden in der Forschung bislang jedoch nur wenig Beachtung. Das „Münster Center for Open Science“ (MüCOS) möchte Abhilfe schaffen und hat daher die wissenschaftliche Zeitschriftenreihe „Replication Research“ ins Leben gerufen. Im Interview mit Linus Peikenkamp erklärt Dr. Lukas Röseler, Psychologe und Geschäftsführer des MüCOS, warum Replikationen für den Erhalt wissenschaftlicher Qualität unerlässlich sind und welche Rolle die neue Zeitschrift in diesem Kontext spielt.

 

Dem einen oder anderen Leser könnte helfen, wenn Sie uns zur Einstimmung ein konkretes Beispiel für eine Replikation schildern würden ...

Stellen Sie sich vor, Sie kochen Nudeln und möchten das optimale Kochzeitfenster ermitteln. Die Daten jedes Durchlaufs tragen Sie in ein Diagramm ein. Bei einer Reproduktion würden Sie die vorhandenen Daten erneut auswerten, um das Ergebnis zu überprüfen. Bei einer Replikation würden Sie über einen längeren Zeitraum unter gleichen Bedingungen erneut Nudeln kochen, um neue Daten zu sammeln. Oder anders gesagt: Replikationen sind wissenschaftliche Untersuchungen, die bereits veröffentlichte Ergebnisse überprüfen. Dabei werden entweder bestehende Daten neu ausgewertet, um die Korrektheit eines Befundes zu testen – dann sprechen wir von einer Reproduktion –, oder eine Studie wird unter den gleichen Bedingungen wie bei der Originalstudie erneut durchgeführt, um die Verallgemeinerbarkeit von Befunden zu prüfen. Diesen Prozess nennen wir Replikation.

 

Stimmen Sie mir zu, dass Replikationsstudien oft nur wenig Beachtung finden?

Nicht generell. Das hängt von der Disziplin ab: In der Sozialpsychologie oder der Linguistik sind Replikationsstudien weit verbreitet. In vielen Fächern setzen Forscherinnen und Forscher jedoch auf neue, ‚eigene‘ Studien.

 

Dr. Lukas Röseler<address>© privat</address>
Dr. Lukas Röseler
© privat
Woran liegt das?

Viele klassische Zeitschriften bevorzugen neue Erkenntnisse gegenüber Replikationen älterer Studien. Das führt insbesondere für junge Forscher zu einem Innovationsdruck, da sie sich in ihrer wissenschaftlichen Gemeinschaft beweisen wollen – zu Recht. Problematisch wird es, wenn die wissenschaftliche Qualität darunter leidet. Zudem kann die Überprüfung von Studien als Kritik an den Originalautorinnen und -autoren verstanden werden. Kurzum: Das Belohnungssystem in der Wissenschaft ist nicht auf Replikationsstudien ausgelegt. Das hat in den vergangenen Jahren in manchen Forschungsgebieten sogar zu einer ‚Replikationskrise‘ geführt. Experten gehen in manchen Fächern von einer Replikationsquote von nur 50 Prozent aus.

 

Mit anderen Worten: 50 Prozent der wissenschaftlichen Befunde können in erneuten Studien nicht bestätigt werden?

Die Zahl ist mit Vorsicht zu genießen, denn in vielen Fächern wurden nur etwa 0,1 Prozent der Studien repliziert. Zudem schwanken die Ergebnisse. Je nach Berechnungsweise des Replikationserfolges kann die Erfolgsrate zwischen 30 und 60 Prozent liegen. Das zeigt, dass auch an der Replikationsmethode noch gearbeitet werden muss.

 

Was bedeutet das alles für das allgemeine Vertrauen in die Wissenschaft?

Eine geringe Replikationsquote geht mit einem leichten Vertrauensverlust in das betroffene Forschungsgebiet einher. Der Verlust kann jedoch durch Bemühungen der Forscherinnen und Forscher wieder ausgeglichen werden, indem sie wissenschaftliche Prozesse frei zugänglich und transparent gestalten.

 

Und an dieser Stelle setzt die neue Zeitschriftenreihe des MüCOS an?

Genau. Wir veröffentlichen sowohl Replikationen als auch Beiträge über die Methode der Replikation, an denen sich Forscher bei ihrer Arbeit orientieren können. Alle Interessierten aus der Wissenschaft können Beiträge einreichen. Der gesamte Begutachtungsprozess ist öffentlich und nachvollziehbar.

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 6, 1. Oktober 2025.

 

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