|
Münster (upm/kk)
Prof. Dr. Ute Hamer erklärt den Studierenden die Besonderheiten des Bodens in der Hohen Ward.© Uni MS - Kathrin Kottke
Fotos

„Außeneinsatz“ 2025, Teil 10: Mit dem "Pürckhauer" Proben nehmen

Unterwegs mit Ute Hamer in der Hohen Ward

<address>© Uni Münster - Linus Peikenkamp</address>
© Uni Münster - Linus Peikenkamp
Auch in den Semesterferien gibt es an der Universität Münster allerhand zu tun. Die Redakteurinnen und Redakteure der Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit nutzen die vorlesungsfreie Zeit, um das eigene Büro zu verlassen und im Außeneinsatz Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universität bei ihrer Arbeit zu begleiten, die buchstäblich unterwegs sind.

 

Für mich als Landschaftsökologin, die dieses Geländepraktikum zur Bodenkunde bereits vor fast 20 Jahren selbst absolviert hat, ist das Treffen am frühen Morgen wie ein Déjà-vu. Los geht es um 9 Uhr auf dem Parkplatz am Hiltruper See. An diesem schönen Spätsommertag Anfang September empfängt mich Prof. Dr. Ute Hamer. Zu ihren Tätigkeiten am Institut für Landschaftsökologie gehören regelmäßige Geländetage und Exkursionen für Forschung und Lehre. Und so frage ich mich, ob von meinem eigenen Wissen noch etwas übriggeblieben ist.

Bevor es an diesem dritten Geländetag losgeht, versammeln sich die rund 30 Studierenden zur Besprechung. „Heute gehen Sie zunächst nicht zu Ihrem eigenen Bodenprofil, sondern analysieren einen Ihnen noch nicht bekannten Boden an“, sagt Ute Hamer, die das Bodenpraktikum in der Hohen Ward seit 2013 anbietet. Das etwa zehn Kilometer südlich des Stadtzentrums Münsters gelegene Waldgebiet wird überwiegend zur Trinkwassergewinnung und als Naherholungsgebiet genutzt. Hier wechseln sich Buchen- und Eichenbestände mit jüngeren Kiefern, feuchteren Senken und Gewässern ab. „Die Böden sind durch die regionale Geschichte von eiszeitlichen Ablagerungen und den wechselnden Grundwasserständen geprägt – ideal für ein Bodenpraktikum, denn die Wege zwischen den verschiedenen Standorten sind kurz und dennoch abwechslungsreich“, erläutert Ute Hamer. Wir machen uns – bewaffnet mit Eimer, Spaten und allerlei Messinstrumenten – vom Parkplatz aus auf den Weg zum ersten Bodenprofil.

Die Studierenden kommen aus den Bereichen Landschaftsökologie, Geografie, Geoinformatik sowie Archäologie-Geschichte-Landschaft. Sie werden in fünf Gruppen aufgeteilt, die jeweils einen Standort betreuen. Am ersten Geländetag müssen sie dort zunächst unter Einsatz körperlicher Kräfte das Bodenprofil ausheben. „Das kann je nach Bodenbeschaffenheit zwei bis vier Stunden dauern“, sagt Dr. Julian Heitkötter, der Ute Hamer als wissenschaftlicher Mitarbeiter unterstützt. Die Arbeit mit dem sogenannten Pürckhauer erfordert ebenfalls die Muskelkraft der Studierenden. Diesen speziellen Bohrstock schlagen sie mit einem Hammer bis zu zwei Meter tief in die Erde, um die Bodentypen zu bestimmen. Zudem entnehmen die Studierenden Bodenproben aus verschiedenen Tiefen, den sogenannten Horizonten, um diese am Folgetag im Labor zu analysieren.

Es fallen Begriffe wie „Podsolierung“, „Humifizierung“ oder „Kapillaraufstieg“. Zwar erinnere ich mich an vieles, dennoch bin ich beeindruckt, mit welcher Genauigkeit die Studierenden die einzelnen Parameter und Besonderheiten der Böden darstellen. Immer im Austausch mit Ute Hamer. Ein Dialog auf Augenhöhe, kein Belehren oder Frontalunterricht. Augenfällig ist Ute Hamers Bestreben, die Studierenden dazu zu bringen, ihr Wissen bei den Geländetagen selbstständig zu erarbeiten. Sie geht auf das Gesagte ein, stellt Nachfragen und bohrt im wahrsten Sinne des Wortes tiefer. Denn an jedem der fünf Bodenprofile nimmt sie selbst Spaten oder Spachtel in die Hand und entnimmt einige Proben. „Spüren Sie mal“, fordert sie die Studierenden auf. „Können Sie die Bodenproben rollen, oder zerbröseln sie? Riecht es faulig oder frisch?“ All das hilft bei der Bestimmung. Das Lernziel ist mehrschichtig: vom praktischen Umgang mit Werkzeug über das Erkennen und Interpretieren pedogener Prozesse – also Vorgänge, die zur Entstehung und Entwicklung von Böden führen – bis hin zur Fähigkeit, aus wenigen Beobachtungen die Nährstoff- und Wasserverfügbarkeit einzuschätzen sowie die standortökologische Eignung der Hauptbaumarten zu beurteilen.

Ab dem frühen Mittag stellen die Kleingruppen ihre Profile und die Laborergebnisse des Vortags vor. Sie skizzieren die geschichtliche Nutzung des Gebiets, die klimatischen und hydrologischen Aspekte sowie den vorherrschenden Bodentyp. Im Anschluss ergänzt Ute Hamer die Präsentationen mit weiteren Fragen oder fachlichen Aspekten. Besonders bei einem Bodenprofil betont sie, dass sie den Gr-Horizont dieses Jahr zum ersten Mal sehen kann. Ein Bereich, der normalerweise ständig im Grundwasser liegt. Dieses Jahr kann die Gruppe das komplette Profil erkennen und Proben nehmen, ohne nass zu werden.

„Ein solcher Praktikumstag bietet viele fachliche Lernmomente und macht die Theorie aus den Vorlesungen greifbar“, erklärt Ute Hamer. Ein Beispiel ist die Verknüpfung von kleinräumigen Beobachtungen mit großräumigen Fragen, beispielsweise zum Grundwasserschutz, zur Landnutzung oder zur Bedeutung sauberer, reproduzierbarer Probenahme für die spätere Laborarbeit. „Bodenbildungsprozesse, die in Vorlesungen abstrakt und langsam erscheinen, zeigen sich im Gelände als sichtbare Horizonte – als Ergebnis von Ausgangsgestein, Klima, Pflanzen, Topographie, Zeit und menschlicher Nutzung“, betont sie beinahe philosophisch.

Beim Abschied in der Hohen Ward und auf dem Weg nach Hause schließt sich für mich ein Kreis: Ich erinnere mich an mein eigenes Praxissemester vor zwei Jahrzehnten, die gleiche Mischung aus Neugier, Fehlschlägen und Aha-Momenten. Und die Gewissheit, dass Bodenpraktika mehr sind als Techniken und Notizen. Oder wie Ute Hamer es formuliert: „Wer den Boden versteht, versteht die Landschaft.“

 

Autorin: Kathrin Kottke

Links zu dieser Meldung