Wissenschaft am Strand
Aus ganz Europa gut zu erreichen, nicht zu kostspielig und mit einer geeigneten Unterkunft in der touristischen Nebensaison: Diese Voraussetzungen hatten Dr. Katrin Bergener und Dr. Armin Stein vom European Research Center for Information Systems (ERCIS) des Instituts für Wirtschaftsinformatik im Hinterkopf, als sie sich auf die Suche machten, um die Ausbildung von Doktorandinnen und Doktoranden des internationalen Netzwerks zu fördern. Fündig geworden sind sie auf einer beliebten Ferieninsel im Süden. Auf Mallorca traf sich in diesem Jahr schon zum vierten Mal eine Gruppe aus unterschiedlichen europäischen ERCIS-Partnerinstitutionen, beispielsweise der Universität Viterbo (Italien), der französischen Grenoble Business School und der norwegischen Universität Agder. Trotz der üblicherweise sonnigen Bedingungen liegen die Teilnehmerinnen und Terilnehmer selbstverständlich nicht etwa tagsüber am Strand, sondern diskutieren in erster Linie ihre Forschungsthemen.
Gerade erst ist die aktuelle Gruppe vom einwöchigen „Doctoral Consortium“ auf der Insel zu ihren Heimatuniversitäten zurückgekehrt. „Unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind nicht mehr ganz am Anfang ihrer Promotion, sodass Thema und Methode schon weitgehend feststehen“, erläutert Katrin Bergener, die ebenfalls vor Ort war. „Jedoch sollten sie auch nicht kurz vor der Abgabe sein.“ In diesen Fällen sei es schwierig, neue Anregungen umzusetzen. „Eine Dissertation zu verfassen dauert in unserem Fach durchschnittlich vier Jahre“, sagt die Wirtschaftsinformatikerin. Die Erfahrung habe gezeigt, dass man am besten im zweiten Jahr der Promotion am ERCIS-Seminar auf Mallorca teilnehme. „Zu diesem Zeitpunkt hat man eine konkretere Vorstellung vom eigenen Thema, kann aber zum Beispiel methodisches Feedback noch gut berücksichtigen.“
Um einen der zehn exklusiven Plätze des Konsortiums zu ergattern, reicht eine Online-Bewerbung auf der ERCIS-Webseite. Bisher haben seit 2018 41 Teilnehmerinnen und Teilnehmer diese Chance ergriffen. Beispielsweise ERCIS-Postdoktorandin Dr. Nina Herrmann, die das Gemeinschaftsgefühl in guter Erinnerung hat. „Mir hat besonders gut gefallen, dass wir von unterschiedlichen Universitäten mit unterschiedlichen Forschungsschwerpunkten kamen“, betont die Wissenschaftlerin, die im Jahr 2022 dabei war. „Dadurch diskutiert man über die langfristigen Ziele der Promotion aus diversen Perspektiven.“
Nachmittags lockt ein Segelkurs die Gruppe, aufgeteilt in kleinere Teams, für drei Stunden aufs Meer. „Vor vielen Jahren habe ich als Doktorandin an einem Seminar auf einem Plattbodenschiff teilgenommen“, erzählt Katrin Bergener. „Als wir überlegten, der Ausbildung von Doktoranden ein internationales Element hinzuzufügen, griffen wir das Thema Segeln wieder auf.“ Deshalb findet das ERCIS-Konsortium in der mallorquinischen Stadt Port de Pollensa statt, denn dort gibt es sowohl eine passende Unterkunft mit mehreren Appartements für vier bis fünf Personen und einem Seminarraum als auch eine Segelschule. Je nach Vorkenntnissen bietet sie Kurse für Anfänger oder Fortgeschrittene. Während des Freizeitprogramms, den gemeinsamen Mahlzeiten und den abendlichen Gesprächen werde der inhaltliche Austausch vom Vormittag fortgesetzt. Auch der Aspekt, Netzwerke zu bilden, sei nicht zu unterschätzen. „Gerade in unserem Fach ist es wichtig, internationale Kontakte zu knüpfen.“
Doch zurück zum Konsortium auf Mallorca. Jeden Vormittag werden zwei Arbeiten präsentiert, mit einer Besonderheit: Anstelle von PowerPoint-Folien steht dafür lediglich ein Flipchart zur Verfügung. „Das ist für viele am Anfang eine Herausforderung, eröffnet aber neue Möglichkeiten, das eigene Thema zu strukturieren und zu präsentieren“, erläutert Katrin Bergener. „Es handelt sich auch nicht um eine Prüfungssituation, sondern alle aus der Gruppe geben dazu Feedback.“ In den Gesprächen oder nach der Veranstaltung entstünden neue Ideen für Forschungsprojekte und Kooperationen.
Die Kontakte dienen auch dazu, sich über gemeinsame Publikationen und Publikationsstrategien auszutauschen. Üblicherweise veröffentlicht man Dissertationen der Wirtschaftsinformatik kumulativ, also in mehreren Beiträgen in wissenschaftlichen Magazinen. Von deren Redaktionen angenommen zu werden, ist nicht selbstverständlich. „Auch da helfen gegenseitige Tipps. Die Teilnehmer tauschen ihre Kontaktdaten aus und können den fachlichen Dialog über das eigentliche Seminar hinaus fortsetzen.“ Das funktioniere natürlich auch bei einem kühlen Getränk am Strand ...
Immer schön im eigenen Saft schmoren, mit Scheuklappen durch den Lernmarathon, forschen ohne Kontakt zur Außenwelt? Nicht an der Uni Münster! Die Universität legt Wert auf Internationalität und eine weltoffene Atmosphäre. Wer eine Zeit lang im Ausland forscht oder lehrt, bringt viele Geschichten mit. Einige davon erzählen wir in dieser Serie.
Autorin: Brigitte Heeke
Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 5, 16. Juli 2025.