
„Es ist wichtig, das Lithium-Ionen-Monopol zu brechen“
„15 + 10“ Jahre geballte Power für die Batterieforschung: Vor fünfzehn Jahren fiel der Startschuss für das MEET Batterieforschungszentrum der Universität Münster. Fünf Jahre später siedelte sich das Helmholtz-Institut Münster (HI MS) „Ionics in Energy Storage“ in direkter Nachbarschaft an. Beide Einrichtungen feiern am 7. Juli ihr Doppeljubiläum. Aus diesem Anlass gibt Prof. Dr. Martin Winter im Interview mit Christina Hoppenbrock Einblicke in die aktuelle Batterieforschung, Trends und Marktstrategien. Martin Winter ist mit beiden Einrichtungen eng verbunden: Er ist Gründer und wissenschaftlicher Leiter des MEET und Gründungsdirektor des HI MS.
In der Batterietechnologie hat es in den vergangenen Jahren viel Bewegung gegeben. Welche Entwicklungen und Fortschritte würden Sie hervorheben?
Seit nahezu 35 Jahren dominiert die Lithium-Ionen-Batterie den Markt. In den vergangenen Jahren wurde sie immer weiter verbessert, ist leistungsfähiger, langlebiger und noch sicherer geworden. Solche Weiterentwicklungen sind nur durch langfristige, zielgerichtete Forschung möglich. Gleichzeitig konzentrieren wir uns auf alternative Zellchemien mit höherer Energiedichte. Ein Beispiel dafür ist die Lithium-Metall-Batterie. Insbesondere für die Elektromobilität sind diese Energiespeicher attraktiv, schließlich haben sie das Potenzial, eine größere Reichweite zu realisieren als die Lithium-Ionen-Batterie. Diese Batteriechemie kann man mit flüssigen und festen Elektrolyten designen, was wir in Münster, und hier insbesondere am Helmholtz-Institut, intensiv erforschen. Wir befinden uns allerdings noch in einer Lernkurve. Es gibt keinen Automatismus, der sicherstellt, dass die Lithium-Metall-Batterie eine Energiespeicherlösung der Zukunft sein wird.
Sie denken also nach wie vor, dass die Lithium-Ionen-Technologie eine Zukunft hat?
Auch wenn es viele nicht glauben wollen: Die Lithium-Ionen-Batterie wird noch besser werden, weil wir weiter intensiv an ihr forschen, sowohl in den Grundlagen als auch in den Anwendungen. Trotzdem ist es wichtig, das Lithium-Ionen-Technologiemonopol zu brechen. Mit immer mehr Anwendungen wird sich der Markt weiter ausdifferenzieren.
Gibt es weitere Batterietechnologien, die derzeit im Kommen sind?
Wir halten es für sehr wahrscheinlich, dass sich zunächst die Natrium-Ionen-Batterie einen weiteren Platz im Markt erobern wird. Sie ist eine sogenannte Drop-In-Technologie. Das bedeutet, dass bestehende Fertigungsanlagen für Lithium-Ionen-Batterien vergleichsweise einfach auf die Produktion von Natrium-Ionen-Batterien umgestellt werden können. Das Thema spielt auch in Münster eine wichtige Rolle: Gemeinsam mit 20 weiteren Projektpartnern sind das MEET Batterieforschungszentrum und das Helmholtz-Institut Münster aktuell Teil von Deutschlands größtem Konsortium für Natrium-Ionen-Batterien. Das Ziel des Projekts ist der Aufbau eines umfassenden industriellen Ökosystems für die Produktion von Natrium-Ionen-Batterien.
Und wie sieht es mit dem Umweltschutz aus?
Das Thema Nachhaltigkeit hat die Batterieforschung in den vergangenen Jahren stark geprägt, insbesondere das Recycling und die zirkuläre Wirtschaft. Ein Ansatz ist das Konzept ,Design for Recycling‘. Es zielt darauf ab, den Aufbau von Batterie-Modulen oder Zellen so zu standardisieren und zu designen, dass eine möglichst automatisierte Demontage der Batterie beziehungsweise Zellen in die Einzelkomponenten möglich ist. Gleichzeitig schließt der Ansatz das Materialdesign ein. Entwickelt werden sollen zum Beispiel wasserbasierte ‚grüne‘ Bindersysteme für Elektrodenmaterialen, um beim Recycling teure, potenziell toxische Lösungsmittel oder die derzeit verwendeten fluorierten Binder zu reduzieren oder auszuschließen. Ein anderer Ansatz, den wir am MEET intensiv erforscht haben und weiterentwickeln, ist das direkte Recycling. Dabei werden Aktivmaterialien, hauptsächlich aus der Kathode, nach dem Gebrauch reaktiviert, um sie direkt in neuen Zellen verbauen zu können. Am Recycling von Feststoffbatterien arbeitet auch das Helmholtz-Institut Münster intensiv.
Trotz all dieser Fortschritte in Münster und andernorts: Haben China und andere asiatische Länder Deutschland in der Batterietechnik nicht längst abgehängt?
Es geht nicht darum, gegen Asien zu gewinnen, sondern sich in einem stark wachsenden Markt eigene Anteile zu sichern. Die globale Wettbewerbsfähigkeit und Unabhängigkeit von Hightech-Standorten werden maßgeblich von der Fähigkeit abhängig sein, Batterien selbst produzieren und weiterentwickeln zu können. Auch deshalb hat allein das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt in den vergangenen 15 Jahren mehr als eine Milliarde Euro in den Aufbau der deutschen Batterieforschung investiert. Nach den langen Jahren des Aufbaus sind wir in der Phase angekommen, in der wir unsere Forschungsergebnisse in die Wirtschaft transferieren.
Die aktuelle Wirtschaftslage ist aber nicht gerade rosig …
Trotzdem baut die deutsche Industrie die Produktion im Bereich Elektromobilität derzeit stark aus. Jetzt heißt es, diesen Weg konsequent weiterzuverfolgen, um nicht abgehängt zu werden. Deutschland und Europa müssen, um der Dominanz asiatischer Akteure in der Batterietechnologie und den dazugehörigen Lieferketten zu begegnen, konstant die Kompetenzen und Technologien zur großvolumigen Batteriezellproduktion für alle Anwendungen aufbauen, auch als Versicherung gegen geopolitische Abhängigkeiten.
Die USA waren bislang ein verlässlicher Partner im Bereich Forschung, doch diese Gewissheit bröckelt. Welche Auswirkungen haben die aktuellen Entwicklungen dort, zum Beispiel, Budgetkürzungen, auf die Forschung bei uns?
Es wird Folgen haben, aber diese lassen sich noch nicht endgültig abschätzen. Noch können wir auf unsere guten Beziehungen und langfristigen Kooperationen bauen, zum Beispiel mit der Pritzker School of Molecular Engineering der University of Chicago, dem Berkeley National Laboratory, dem Argonne National Laboratory und der Stanford University. Im Jahr 2019 haben wir eine deutsch-amerikanische Kooperation in der Batterieforschung initiiert die seit vielen Jahren sehr erfolgreich verläuft.