
Angeborenes Immungedächtnis beeinflusst Evolution von Krankheitserregern
Der Mensch besitzt wie alle Wirbeltiere zwei Arten von Immungedächtnis: Das Gedächtnis des erworbenen (adaptiven) Immunsystems ist hochspezifisch gegen bestimmte Erreger und langanhaltend, was zum Beispiel Impfungen ermöglicht. Außerdem gibt es im angeborenen Immunsystem die „trainierte Immunität“, die schnell, aber weniger spezifisch reagiert. Wirbellose Tiere wie Insekten haben nur das angeborene Immunsystem, aber auch bei ihnen existiert eine Form der Immunisierung durch Kontakt mit Krankheitserregern („immune priming“). Bislang gab es keine Studie dazu, wie sich die Konfrontation von Pathogenen mit Wirten, die ein derart aktiviertes angeborenes Immunsystem haben, auf die Evolution der „Gefährlichkeit“ (Virulenz) der Krankheitserreger auswirkt. Ein Forschungsteam der Universität Münster um den Evolutionsbiologen Prof. Dr. Joachim Kurtz hat dies nun erstmals durch experimentelle Evolution eines Insekten-Pathogens (Bacillus thuringiensis tenebrionis) in Mehlkäfern untersucht. Ein Ergebnis: Die Virulenz unterschied sich nach einiger Zeit der Evolution zwischen den verschiedenen Bakterien-Linien deutlich. Diese größere Vielfalt könnte die Anpassung der Pathogene an ihre Wirte beschleunigen.
Die Virulenz war in der Studie ein Maß dafür, wie viele der Käfer durch die Infektion mit den Bakterien getötet wurden. Im Mittel veränderte sie sich nicht. Dass die Varianz bei den Bakterien über die Generationen deutlich größer wurde, wenn die Käfer jeweils zuvor Kontakt mit Bakterien-Substanzen gehabt hatten, könnte mit einer stärkeren Aktivität in bestimmten Bestandteilen des evolvierten Bakteriengenoms (Prophagen und Plasmide) zusammenhängen.
„Es ist nicht nur von grundsätzlichem Interesse, unter welchen Bedingungen sich die Virulenz von Bakterien evolutiv verändert. Unsere Erkenntnisse sind zum Beispiel aus medizinischer Sicht interessant, wenn man vermeiden will, dass Krankheitserreger durch evolutionäre Prozesse gefährlicher werden“, unterstreicht Erstautorin Dr. Ana Korša. Auch bei Wirbellosen spiele das ‚immune priming‘ in der Praxis eine Rolle, zum Beispiel in der Aquakultur, wo wirbellose Tiere wie Garnelen in großer Zahl gezüchtet würden und krankheitsanfällig seien. „Darüber hinaus werden das von uns untersuchte Bakterium sowie die von ihm produzierten Giftstoffe seit Langem zur Bekämpfung von Insekten eingesetzt. Es wäre wichtig zu wissen, ob das Immungedächtnis dieser Wirte die Virulenz des Bakteriums evolutiv verändern kann.“
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) förderte die Arbeit finanziell im Rahmen des Graduiertenkollegs EvoPAD sowie anteilig durch den Transregio-Sonderforschungsbereich SFB-TRR 212 der Universitäten Münster und Bielefeld.
Originalveröffentlichung
Korša A., Baur M., Schulz N. K. E., Anaya-Rojas J. M., Mellmann A., Kurtz J. (2025): Experimental evolution of a pathogen confronted with innate immune memory increases variation in virulence. PLOS Pathogens; DOI: 10.1371/journal.ppat.1012839