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Luftaufnahme des Golfplatz Brückhausen© Uni MS - Johannes Wulf
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Spagat zwischen Ökologie und Sport

Mit dem Projekt „GolfBiodivers“ sollen ökologische Flächenaufwertungen auf Golfplätzen gefördert werden

Ein lautes „Fore“ ertönt über den Wiesen des Golfclubs Brückhausen. Instinktiv duckt sich die kleine Gruppe, die an diesem sonnigen Vormittag über die rund 60 Hektar große Anlage marschiert. Dass dieser Fachbegriff aus dem Golfsport vor tief fliegenden Geschossen warnt, war ihnen nicht bewusst. Anstelle eines Golfschlägers ist die Gruppe mit Fernglas und Lupe ausgestattet. Schnell wird deutlich: Sie sind nicht wegen des Sports in die Gemeinde Everswinkel gefahren.

„Da drüben fliegt ein ‚Landkärtchen‘, und einen ‚Kleinen Sonnenröschen-Bläuling‘ habe ich auch schon gesichtet“, ruft Dr. Frederike Velbert ihren Kollegen, Prof. Dr. Norbert Hölzel und Jens Schaper, zu. Die beiden Schmetterlingsarten lassen die Herzen der drei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Institut für Landschaftsökologie höherschlagen. „Für das Münsterland sind das Raritäten“, erklärt Norbert Hölzel, der die Arbeitsgruppe Biodiversität und Ökosystemforschung leitet. „Wir hoffen, dass solche Arten hier bald wieder öfter anzutreffen sind.“

Bis das so weit ist, muss allerdings noch einiges passieren. Bereits seit zwei Jahren läuft in Kooperation mit den Universitäten in München, Freiburg und Kiel sowie dem Deutschen Golf Verband (DGV) das Forschungsprojekt „GolfBiodivers“. Das Vorhaben ist ein wichtiger Baustein der „nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt“, denn der starke Rückgang vieler Tier- und Pflanzenarten wirkt sich negativ auf die sogenannten Ökosystemdienstleistungen aus, etwa die Pflanzenbestäubung oder die Klimaregulation. Nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz gelten in Deutschland mehr als ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten als gefährdet. Die Menge an Fluginsekten ist in den letzten dreißig Jahren um mindestens 75 Prozent zurückgegangen, zahlreiche Blütenpflanzenarten stehen in Deutschland auf der „Roten Liste“ für gefährdete Pflanzen. „Golfplätze haben ein enormes Potenzial, positiv auf die biologische Vielfalt einzuzahlen“, unterstreicht Norbert Hölzel.

„Viele Menschen identifizieren mit einem Golfplatz kurzen Rasen und höchstens einige Zierpflanzenbeete mit wenig Struktur“, sagt Jürgen Stiegler. „Das muss nicht so sein“, unterstreicht der stellvertretende Präsident und Platzwart des Golfclubs. „Wir haben eine hohe Verbundenheit zur Natur und sind offen für innovative Vorschläge, um unsere Flächen ökologisch aufzuwerten.“ Die Anlage in Everswinkel ist eine von deutschlandweit 32 Golfplätzen, die das Forschungsteam unter die Lupe nimmt. „Einige Clubs haben bereits Kleingewässer, Trockenmauern, Blühstreifen, Streuobstwiesen und Hecken angelegt. Das ist erfreulich und sinnvoll. Aber um ein systematisches Wissen zur Biodiversität auf Golfanlagen zu erhalten, müssen wir zunächst zahlreiche Parameter erheben und analysieren“, erklärt Frederike Velbert.

Dazu führen die Forscherinnen und Forscher verschiedene Untersuchungen durch. „Im Institut stapeln sich aktuell Kisten mit Bodenproben von den 32 Golfplätzen“, erklärt Jens Schaper, der im Rahmen des Projekts promoviert. Mit sechs Hilfskräften siebt er die Böden und mahlt die Biomasse als Vorbereitung für die Analysen. Diese ermöglichen ihm, wichtige Hintergrunddaten zu identifizieren. „Erst wenn wir wissen, ob wir es mit einem nährstoffreichen oder nährstoffarmen Boden zu tun haben, können wir passgenaue Maßnahmen planen und umsetzen“, erklärt er.

In Brückhausen wurde bereits einiges realisiert. „Wir haben den Golfplatz in zwei Hälften geteilt: eine Maßnahmen- und eine Kontrollhälfte, die wir nicht ökologisch aufwerten“, erklärt Frederike Velbert. Das Forschungsteam hat auf den extensiv gepflegten Flächen Blühstreifen angelegt. Mithilfe von regional zusammengestelltem Saatgut lassen sich schon ein Jahr später Besonderheiten feststellen. Etwa die blaublühende Acker-Witwenblume, die in Nordrhein-Westfalen als gefährdete Art auf der Roten Liste steht. Für Aussagen über den Zusammenhang zwischen Maßnahmen und Artenvielfalt ist es allerdings noch zu früh. Ein wichtiges Ziel sei aber schon erreicht, unterstreicht Jürgen Stiegler: „Viele Mitglieder akzeptieren und interessieren sich für das Projekt. Einige unterstützen das Vorhaben sogar als sogenannte Citizen Scientists“. Und so freuen sich auch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, als zufällig eine kleine Gruppe Freiwilliger vorbeikommt, um die sechs Insektenhotels auf der Anlage zu untersuchen. Heute finden sie unter anderem die Lehmwespe und die Rostrote Mauerbiene. „Die Daten zur Belegung und Nutzung der Brutröhren sind wichtige Indikatoren für die biologische Vielfalt“, betont Norbert Hölzel.

Neben den Blühstreifen nimmt das Forschungsteam weitere Besonderheiten unter die Lupe, etwa die vielen Kleingewässer, Totholzbestände, Säume, eine alte Gräfte und neu gepflanzte Obstbäume. In einigen Jahren werden sich Heuschrecken, Tagfalter, Wildbienen, Vögel und Fledermäuse hier wohlfühlen, sind sich die Expertinnen und Experten sowie der Golfclub sicher. Im Idealfall soll die Aufwertung auf die Kontrollflächen ausgeweitet werden. Langfristiges Ziel von „GolfBiodivers“ ist es, dass möglichst viele Golfclubs ihre Flächen ökologisch aufwerten. Frei nach dem Motto: Nachmachen ist ausdrücklich erwünscht.

Autorin: Kathrin Kottke

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 4, 12. Juni 2025.

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