
„Es geht nicht um eine Militarisierung der Forschung“
Unter der Leitung des Althistorikers Prof. Dr. Patrick Sänger findet vom 29. bis 31. Mai die internationale öffentliche Konferenz „War in the Ancient World International Conference Münster 2025 – WAWIC 2025“ an der Universität Münster statt – Interessierte sind ohne Anmeldung willkommen. Im Interview mit André Bednarz schildert der münstersche Professor für Alte Geschichte und Experte für Papyrologie die Inhalte und Ziele der Tagung sowie sein Verständnis von moderner militärgeschichtlicher Forschung.
Sie richten eine Konferenz zur antiken Kriegsführung aus – ein weites Feld. Welche inhaltlichen Schwerpunkte und Ziele verfolgen Sie genau?
Schwerpunktmäßig geht es um Söldner und Hilfstruppen im antiken Mittelmeerraum, genauer in der griechischen und römischen Einflusssphäre zwischen dem 4. und 2. Jahrhundert vor Christus. Doch auch Aspekte wie Fahnenflucht, Rebellion, Kriegsrecht und Militärmedizin werden eine Rolle spielen. Dabei sind uns zwei Punkte wichtig: Zum einen möchten wir neben der Fachwelt die interessierte Öffentlichkeit erreichen. Zum anderen haben wir ein althistorisches Thema gewählt, mit dem wir an die Gegenwart anknüpfen können. Darum haben wir uns für den Fokus auf Söldner entschieden, da diese Art irregulärer Truppen auch im aktuellen Angriffskrieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine eine große Rolle spielt. Heute wie damals sind mit dem Thema spannende Fragen verknüpft: Wer setzt solche Truppen wo und warum ein? Welche Dynamiken gibt es, die dafür sorgen, dass sich Söldnereinheiten verselbstständigen und sogar gegen den Dienstherrn richten können? Wie homo- oder heterogen sind solche Truppen zusammengesetzt?
Sie versuchen also, fast zweieinhalb Jahrtausende miteinander zu verknüpfen?
Genau. Ein Höhepunkt der Konferenz ist folglich ein Vortrag des Hauptmanns und Historikers Hendrik Remmel, der am ,German Institute for Defence and Strategic Studies‘ der Bundeswehr in Hamburg arbeitet. Als Experte für Kriegsführung kann er uns wichtige Einblicke in den modernen Einsatz von Söldnern und anderen irregulären Truppen geben. Durch die anschließende Erwiderung des Althistorikers und Oberstleutnants der Reserve, Klaus Zimmermann, wollen wir weit Vergangenes und Aktuelles zusammengebracht werden. Er bringt dafür das praktische Verständnis mit und ist zudem ein profunder Kenner der griechischen und römischen Militärgeschichte. Die aus beiden Beiträgen gesammelten Eindrücke sollen in der darauffolgenden Podiumsdiskussion weiter vertieft werden.
Sie haben in einem anderen Zusammenhang betont, dass die Konferenz nicht im Sinn einer „Militarisierung der Forschung“ verstanden werden soll. Was genau bedeutet das?
Die deutschsprachige Militärgeschichte ist bis heute noch mitunter von der preußischen und der kaiserlich und königlichen (k. u. k.) Vergangenheit geprägt. Das heißt, dass es in der älteren Forschung vor allem um taktische und strategische Fragestellungen, um Schlachtenverläufe sowie um die Organisation von Armeen ging. In den aktuellen Debatten und während der Konferenz interessieren uns aber auch andere Aspekte, beispielsweise die soziale und wirtschaftliche Einbettung von Militär in antike Gesellschaften. War eine Armee integriert in die sie umgebende Gesellschaft oder ein Fremdkörper? Hat sie mit ihrem Lebensstil die besetzten Gebiete beeinflusst und damit die zivile Kultur geprägt? Und welche Folgen hat Kriegsführung etwa mit Blick auf Siedlungsgründungen und Handel nach sich gezogen?
Sie nehmen also in der Forschung und während der Konferenz weitere Perspektiven im Kontext der Militärgeschichte ein …
Richtig, und die haben gerade nichts mit einer Militarisierung von Forschung zu tun. Im Gegenteil. Moderne militärhistorische Forschung kann sich auch mit psychologischen Folgen von Kriegsführung beschäftigen. Mit unserem heutigen Wissen über psychische Traumata, die aus Krieg und Gewalt resultieren können, ist es uns möglich, aus dieser Perspektive auf die Geschichte zu blicken und danach zu fragen, welche Folgen Kriege für die Menschen verschiedener vergangener Kulturen abseits körperlicher Versehrtheit hatten. Darum ist Militärgeschichte auch und in besonderem Maße Sozialgeschichte.
Ihre Tagung schlägt nicht nur inhaltliche und zeitliche Brücken, sondern auch räumliche. Wie?
Ein wesentliches Merkmal dieser jährlich stattfindenden Konferenz ist, dass es gleichzeitig einen europäischen und einen nordamerikanischen Teil gibt. Der europäische Teil findet in Münster, der nordamerikanische in Duluth im US-Bundesstaat Minnesota statt. Die Zeitverschiebung sorgt zwar dafür, dass nicht alle Beiträge und Veranstaltungen an beiden Standorten verfolgt werden können, doch haben wir mehrere Liveschalten geplant, die es uns ermöglichen, in den Austausch zu kommen und Sektionen gemeinsam durchzuführen. Dadurch verbinden wir die einzelnen Standorte, an denen in Präsenz viele internationale Expertinnen und Experten zum Thema zusammenkommen.
Eine solche Konferenz erfordert monatelange Vorbereitungen. Was soll idealerweise nach den drei Tagen der Zusammenkunft bleiben?
Wir möchten durch die kritische und interdisziplinäre Ausrichtung der Konferenz dazu beitragen, militärhistorische Themen und Zusammenhänge ins akademische und allgemeine Bewusstsein zu rücken. Die Gegenwart zeigt, dass kriegerisches Handeln vor den Toren Europas leider nicht der Vergangenheit angehört. Diese Tatsache wirkt sich als Impuls auch auf altertumswissenschaftliche Fragestellungen und Forschungsthemen aus, das zeigt auch unsere Konferenz. Damit davon etwas bleibt, planen wir, mehrere Konferenzbeiträge in der neuen Schriftenreihe „Bellona. Militär, Gewalt und Kriegskultur im Altertum“ zu veröffentlichen.