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Münster (upm/anb).
Das Bild zeigt Sebastian Wachs in seinem Büro. Im Hintergrund sind sein Computer, ein Fenster sowie Pflanzen und ein Bild zu sehen.<address>© Uni MS - Johannes Wulf</address>
Sebastian Wachs beschäftigt sich im Institut für Erziehungswissenschaft mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf Menschen, vor allem auf Kinder und Jugendliche.
© Uni MS - Johannes Wulf

Mit kritischem Optimismus forschen

Sebastian Wachs beschäftigt sich mit Chancen und Risiken der Digitalisierung

Das Büro von Prof. Dr. Sebastian Wachs im ersten Stock der Georgskommende kontrastiert die dunkle Backsteinfassade des Instituts für Erziehungswissenschaft: Hell ist es, persönlich und modern eingerichtet, treffend für den jungen, 2023 an die Universität Münster berufenen Erziehungswissenschaftler sowie dessen Forschungsschwerpunkt – die Digitalisierung. Diesen „tiefgreifenden, gesamtgesellschaftlichen Veränderungsprozess“ untersuche seine Arbeitsgruppe in der Pädagogik, betont der Professor, um zu ermitteln, wie Informations- und Kommunikationstechnologien die Persönlichkeitsentwicklung vor allem von Kindern und Jugendlichen beeinflusst und wie diese im digitalen Zeitalter „mit Wohlergehen heranwachsen können“.

Aufgewachsen in Ostfriesland, studierte er zunächst in Bremen Erziehungswissenschaft mit dem Ziel der Erwachsenenbildung. Doch auf Einladung eines Professors beschäftigte sich Sebastian Wachs für seine Diplomarbeit mit der Lehrerbildung und dem Thema (Cyber-)Mobbing und blieb an der Uni. „Ich hatte diesen Weg nie auf dem Schirm, aber mir hat das Studium viel Spaß gemacht, das Interesse am Fach war immer da.“ Heute weiß er, dass es auch anders hätte kommen können. „Karriere an einer Uni ist nicht immer planbar, es gibt einige Bruchstellen, an denen man verloren gehen kann“, erklärt er.

Sebastian Wachs ging nicht verloren, schloss in Bremen seine Promotion ab und arbeitete anschließend an der Universität Potsdam, wo seine Begeisterung für Kooperationen mit anderen Hochschulen begann. Für Forschungsaufenthalte ging er an drei US-Universitäten, arbeitet(-e) mit indischen, thailändischen oder spanischen Kolleginnen und Kollegen zusammen. „Für mich ist es wichtig, nicht nur national, sondern auch international zu kooperieren. Denn so können wir Fragen, Probleme und Erkenntnisse vergleichen und voneinander lernen“, betont Sebastian Wachs.

Wenngleich der 44-Jährige sagt, dass die internationale Ausrichtung am Institut noch intensiviert werden könne, sei er froh, nach Münster gekommen zu sein. Denn zum einen empfindet er den Wechsel von seinem früheren Wohnort Berlin nach Münster dank Fahrradmobilität und kurzer Wege als „angenehmen Kulturschock“; zum anderen erkennt er inhaltliche Vorzüge. „Das Institut ist eines der größten in Deutschland, wodurch viele potenzielle Kooperationspartner vor Ort sind: von der frühkindlichen bis hin zu Erwachsenenbildung.“

Derzeit arbeitet seine Gruppe zu den Themen Hassrede, Desinformation und Cybergrooming. Bei letzterem handelt es sich um die Anbahnung sexueller Kontakte zu Kindern und Jugendlichen durch Erwachsene über das Internet. „Unser Projekt ,CERES‘ ist einmalig, da wir mit den Kriminalämtern von Bund und Land sowie deren gemeinsamer Kriminologischer Zentralstelle zusammenarbeiten und so die Betroffenen- wie die Täterperspektive untersuchen können“, erklärt Sebastian Wachs. Rund zehn Prozent der Heranwachsenden seien von Cybergrooming betroffen, es gebe diverse Risikofaktoren und Folgen, die derzeit untersucht würden. Wenn Sebastian Wachs von den Herausforderungen der „Online-Welten“ spricht, so betont er dennoch auch das Gute. „Wir vertreten einen kritisch-optimistischen Standpunkt. Denn die digitalen Medien bieten viele positive Erfahrungen, die meisten jungen Menschen erleben keine Gefahren. Gleichwohl wollen wir erarbeiten, wie Heranwachsende besser vor Gewalt, Hass und Desinformation geschützt werden können.“

Dabei ist ihm wichtig, nicht nur qualitativ und quantitativ anspruchsvoll zu forschen und zu publizieren, sondern stets den Transfer in die Praxis mitzudenken. Besonders stolz erzählt er von dem selbst entwickelten Präventionsprogramm „HateLess. Gemeinsam gegen Hass“. „Eine meiner Bedingungen war, dass der Finanzierungsplan Geld für ein attraktives Produktdesign vorsieht“, schildert Sebastian Wachs. So entstand ein Programm zur Prävention von Hatespeech an Schulen, das ästhetisch nicht nur Jugendliche anspricht, sondern dank der aufwendig didaktisch aufbereiteten Materialien auch für Lehrkräfte praktisch ist. Das Projekt sei ein Beispiel dafür, wie der Lehrstuhl die Praxis verbessert und gleichzeitig die Praxis Impulse in die Wissenschaft gibt.

Praktisch denkt Sebastian Wachs auch bei der universitären Lehre. „Lehre ist anstrengend – vor allem wenn man sie gut machen will. Aber sie ist ein wichtiges Bindeglied, um die wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Praxis zu transferieren. So werde ich in meinen Vorlesungen nie eine Theorie berücksichtigen, ohne mit den Studierenden zu erarbeiten, wie diese Theorie das eigene Handeln beeinflussen kann.“

Sebastian Wachs verbindet Forschung und Praxis, ihn interessieren „Menschen und ihre Interaktionen“. Zusammenhalt ist ihm wichtig – der gesellschaftliche und dessen Bedrohung durch Desinformation und Fake News sowie der persönliche im Institut. Die Arbeitsgruppe isst täglich gemeinsam zu Mittag, spricht über Privates und verfolgt klare Regeln, was etwa die (Nicht-)Erreichbarkeit am Wochenende betrifft. Und so wird im Gespräch klar, dass Sebastian Wachs sich sehr für das Wohlergehen interessiert – wissenschaftlich und persönlich, online und an der Georgskommende.

Autor: André Bednarz

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 3, 7. Mai 2025.

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