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Münster (upm/bhe).
Zu sehen ist der Eingang der Jerusalemer Grabeskirche.<address>© Annika Freyhoff</address>
Die Besichtigung der Grabeskirche ist fester Bestandteil des Programms. Die Kirche steht an der überlieferten Stelle der Kreuzigung und des Grabes Jesu.
© Annika Freyhoff

Eine Erfahrung fürs Leben

Teil 2 der Serie „Von der Uni in die Welt“: Im „Theologischen Studienjahr Jerusalem“ entdecken Studierende das Land der Bibel

Unter den vielen Auslandskooperationen der Universität Münster zählt das „Theologische Studienjahr Jerusalem“ zu den beständigsten. Es ist angesiedelt an der Benediktinerabtei Dormitio am südlichen Rand der Jerusalemer Altstadt und wird vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) gefördert. Seit über 50 Jahren widmen sich Theologie-Studierende beider Konfessionen hier in einem intensiven Programm von August bis Ostern vor allem den biblischen Fächern und der Archäologie, daneben der Ostkirchenkunde, Judaistik und Islamwissenschaft. Mehr als 1.100 Studierende haben im Laufe der Jahre daran teilgenommen, schätzt Prof. Dr. Lutz Doering von der Evangelisch-Theologischen Fakultät, darunter zahlreiche Studierende aus Münster. Er kennt das Programm seit langem: als ehemaliger Teilnehmer, als Studienleiter und später mehrfach als Gastprofessor.

Zu sehen ist Annika Freyhoff, im Hintergrund zeichnet sich die ägyptische Hauptstadt Kairo ab, die sie während ihres Studienjahrs besuchte.<address>© Annika Freyhoff</address>
Annika Freyhoff hat im Studienjahr ihre Liebe zur Archäologie entdeckt und belegt seitdem zusätzlich den Masterstudiengang Antike Kulturen des östlichen Mittelmeerraums.
© Annika Freyhoff
„Plötzlich mit 20 wildfremden Menschen zusammenzuleben, war anfangs eine Herausforderung“, erinnert sich Annika Freyhoff von der Katholisch-Theologischen Fakultät an ihre Teilnahme im „Beit Josef“ vor sieben Jahren – 2022 nahm sie zusätzlich als Assistentin teil. Jede und jeder hat dort ein eigenes Zimmer mit Bad. Allen gemeinsam ist ein voller Stundenplan mit vielen Exkursionen in das Land der Bibel. „Nach einer Vorlesung über die Archäologie Jerusalems zieht der Kurs los und schaut sich die erwähnten Schauplätze an“, berichtet die Theologin. Vor allem die Besichtigung der Grabeskirche sei beeindruckend gewesen. „Jede Kapelle darin gehört zu einer anderen Konfession. Wer dort wann und wie Gottesdienst halten darf, ist lange ausgehandelt worden und genau festgelegt.“ Im Studienjahr absolviere man zwei Semester in acht Monaten. Die Anerkennung der Leistungen in Münster ist normalerweise problemlos möglich.

Einen Ausgleich zu den vielen Eindrücken, die im Studienjahr auf sie zukamen, fand Annika Freyhoff im klösterlichen Leben vor Ort. „Die tiefe Spiritualität der Mönche hat mich beeindruckt. Es hat mir gutgetan, dies über einen längeren Zeitraum im Alltag mitzuerleben.“ Sie habe im Studienjahr ihre Liebe zur Archäologie entdeckt und belegt seitdem zusätzlich den Masterstudiengang Antike Kulturen des östlichen Mittelmeerraums. „Ich wollte unbedingt Mittelägyptisch lernen, also Hieroglyphen zu lesen – jetzt schreibe ich auch meine Dissertation über ein Thema aus diesem Themenfeld.“ Das Studienjahr hat ihren Lebensweg beeinflusst. In Münster ist die Doktorandin mittlerweile Ansprechpartnerin für Studierende, die sich für einen Auslandsaufenthalt in Jerusalem interessieren.

Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer machten später Karriere in der akademischen Welt; Lutz Doering geht von mehr als 30 Professuren an theologischen Fakultäten und Instituten aus, nicht nur in der Exegese, sondern auch in anderen Fächern wie der Kirchengeschichte. Andere promovierten und arbeiten seitdem beispielsweise in der Kirchenleitung, in der Bildungsarbeit oder in Personalabteilungen.

Die Zahl der Beteiligten variiert von Jahr zu Jahr, nicht zuletzt wegen der fragilen politischen Lage im Nahen Osten. Der Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 auf Israel und die militärische Eskalation in der Region hatten ebenfalls mittelbare Auswirkungen auf das Studienjahr: So musste der laufende Jahrgang nach dem iranischen Raketenangriff Anfang Oktober 2024 an die Benediktinerhochschule Sant’Anselmo in Rom wechseln. Im Januar durfte die Gruppe wieder nach Jerusalem zurückkehren. „Mir wäre dennoch wohler, wenn ich wüsste, wann die restlichen Geiseln freigelassen werden und die Gewalt in der Region nachlässt“, betont Lutz Doering.

Bewerbung:

Die nächste Bewerbungsfrist für das Studienjahr ist voraussichtlich im Januar 2026; auch Lehramtsstudierende der katholischen und evangelischen Religionslehre können sich bewerben. Studierende der evangelischen und katholischen Theologie aus Münster können in einem anderen Programm auch für zwei Semester an der Hebräischen Universität studieren, unterstützt von der Evangelischen Kirche in Deutschland. Daneben besteht für Studierende der Theologien, der Jüdischen Studien und der Altertumswissenschaften die Möglichkeit eines Erasmus-Aufenthalts an der Hebräischen Universität oder der Tel Aviv University; der Verlängerungsantrag dafür ist gerade gestellt worden.

Autorin: Brigitte Heeke

 

Zu sehen ist ein Porträtfoto von Johanna Wirth.<address>© Johanna Wirth</address>
Für Johanna Wirth und ihren Jahrgang gilt das „Vor“ und „Nach“ der Wüstenexkursion in besonderem Maße: Sie erfuhren unterwegs vom Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023.
© Johanna Wirth
Einblicke in das Studienjahr

Die Wüstenexkursion in der Negev-Wüste im Süden von Israel stellte in meinem theologischen Studienjahr, dem 50. Jahrgang, eine Zäsur dar. Schon immer gibt es im Studienjahr ein „Vor“ und ein „Nach“ der Wüste, da die siebentägige Wanderung mit Übernachtung unter freiem Himmel die Gruppe in besonderer Weise zusammenschweißt. Ein Schwerpunkt der Exkursion liegt auf dem Nachfühlen der Erfahrung der sogenannten Wüstenväter – frühchristliche Mönche, die die Stille der Wüste genutzt haben, um dadurch zu Gott oder innerem Frieden zu finden. Am „Wüstentag“ hatten wir die Chance, uns ein einsames Plätzchen zu suchen und in unsere Gedanken zu vertiefen. Es war einer der für mich wertvollsten Tage im gesamten Studienjahr, fernab vom Trubel Jerusalems – so empfand ich es am Abend, als wir alle wieder zusammenkamen. Es war aus einem weiteren Grund ein spezieller Tag: Es war der Tag des Terrorangriffs der Hamas auf Israel. Das „Nach“ der Wüste war somit ebenfalls anders als erwartet. Die Erinnerung an die Wüste, in der Licht und Schatten, wie so oft im Heiligen Land, nahe beieinanderliegen, ist bis heute umso intensiver.

Ein Beitrag von Johanna Wirth (Ev.-Theol. Fakultät)

Die Erinnerung an die Wüste, in der Licht und Schatten, wie so oft im Heiligen Land, nahe beieinanderliegen, ist bis heute umso intensiver.
Johanna Wirth

 

Die Serie „Von der Uni in die Welt“:

<address>© Designservice</address>
© Designservice
Immer schön im eigenen Saft schmoren, mit Scheuklappen durch den Lernmarathon, forschen ohne Kontakt zur Außenwelt? Nicht an der Uni Münster! Die Universität legt Wert auf Internationalität und eine weltoffene Atmosphäre. Wer eine Zeit lang im Ausland forscht oder lehrt, bringt viele Geschichten mit. Einige davon erzählen wir in dieser Serie.

 

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 3, 7. Mai 2025.

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