
Eine Erfahrung fürs Leben
Unter den vielen Auslandskooperationen der Universität Münster zählt das „Theologische Studienjahr Jerusalem“ zu den beständigsten. Es ist angesiedelt an der Benediktinerabtei Dormitio am südlichen Rand der Jerusalemer Altstadt und wird vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) gefördert. Seit über 50 Jahren widmen sich Theologie-Studierende beider Konfessionen hier in einem intensiven Programm von August bis Ostern vor allem den biblischen Fächern und der Archäologie, daneben der Ostkirchenkunde, Judaistik und Islamwissenschaft. Mehr als 1.100 Studierende haben im Laufe der Jahre daran teilgenommen, schätzt Prof. Dr. Lutz Doering von der Evangelisch-Theologischen Fakultät, darunter zahlreiche Studierende aus Münster. Er kennt das Programm seit langem: als ehemaliger Teilnehmer, als Studienleiter und später mehrfach als Gastprofessor.
Einen Ausgleich zu den vielen Eindrücken, die im Studienjahr auf sie zukamen, fand Annika Freyhoff im klösterlichen Leben vor Ort. „Die tiefe Spiritualität der Mönche hat mich beeindruckt. Es hat mir gutgetan, dies über einen längeren Zeitraum im Alltag mitzuerleben.“ Sie habe im Studienjahr ihre Liebe zur Archäologie entdeckt und belegt seitdem zusätzlich den Masterstudiengang Antike Kulturen des östlichen Mittelmeerraums. „Ich wollte unbedingt Mittelägyptisch lernen, also Hieroglyphen zu lesen – jetzt schreibe ich auch meine Dissertation über ein Thema aus diesem Themenfeld.“ Das Studienjahr hat ihren Lebensweg beeinflusst. In Münster ist die Doktorandin mittlerweile Ansprechpartnerin für Studierende, die sich für einen Auslandsaufenthalt in Jerusalem interessieren.
Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer machten später Karriere in der akademischen Welt; Lutz Doering geht von mehr als 30 Professuren an theologischen Fakultäten und Instituten aus, nicht nur in der Exegese, sondern auch in anderen Fächern wie der Kirchengeschichte. Andere promovierten und arbeiten seitdem beispielsweise in der Kirchenleitung, in der Bildungsarbeit oder in Personalabteilungen.
Die Zahl der Beteiligten variiert von Jahr zu Jahr, nicht zuletzt wegen der fragilen politischen Lage im Nahen Osten. Der Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 auf Israel und die militärische Eskalation in der Region hatten ebenfalls mittelbare Auswirkungen auf das Studienjahr: So musste der laufende Jahrgang nach dem iranischen Raketenangriff Anfang Oktober 2024 an die Benediktinerhochschule Sant’Anselmo in Rom wechseln. Im Januar durfte die Gruppe wieder nach Jerusalem zurückkehren. „Mir wäre dennoch wohler, wenn ich wüsste, wann die restlichen Geiseln freigelassen werden und die Gewalt in der Region nachlässt“, betont Lutz Doering.
Bewerbung:
Die nächste Bewerbungsfrist für das Studienjahr ist voraussichtlich im Januar 2026; auch Lehramtsstudierende der katholischen und evangelischen Religionslehre können sich bewerben. Studierende der evangelischen und katholischen Theologie aus Münster können in einem anderen Programm auch für zwei Semester an der Hebräischen Universität studieren, unterstützt von der Evangelischen Kirche in Deutschland. Daneben besteht für Studierende der Theologien, der Jüdischen Studien und der Altertumswissenschaften die Möglichkeit eines Erasmus-Aufenthalts an der Hebräischen Universität oder der Tel Aviv University; der Verlängerungsantrag dafür ist gerade gestellt worden.
Autorin: Brigitte Heeke
Die Wüstenexkursion in der Negev-Wüste im Süden von Israel stellte in meinem theologischen Studienjahr, dem 50. Jahrgang, eine Zäsur dar. Schon immer gibt es im Studienjahr ein „Vor“ und ein „Nach“ der Wüste, da die siebentägige Wanderung mit Übernachtung unter freiem Himmel die Gruppe in besonderer Weise zusammenschweißt. Ein Schwerpunkt der Exkursion liegt auf dem Nachfühlen der Erfahrung der sogenannten Wüstenväter – frühchristliche Mönche, die die Stille der Wüste genutzt haben, um dadurch zu Gott oder innerem Frieden zu finden. Am „Wüstentag“ hatten wir die Chance, uns ein einsames Plätzchen zu suchen und in unsere Gedanken zu vertiefen. Es war einer der für mich wertvollsten Tage im gesamten Studienjahr, fernab vom Trubel Jerusalems – so empfand ich es am Abend, als wir alle wieder zusammenkamen. Es war aus einem weiteren Grund ein spezieller Tag: Es war der Tag des Terrorangriffs der Hamas auf Israel. Das „Nach“ der Wüste war somit ebenfalls anders als erwartet. Die Erinnerung an die Wüste, in der Licht und Schatten, wie so oft im Heiligen Land, nahe beieinanderliegen, ist bis heute umso intensiver.
Ein Beitrag von Johanna Wirth (Ev.-Theol. Fakultät)
Die Erinnerung an die Wüste, in der Licht und Schatten, wie so oft im Heiligen Land, nahe beieinanderliegen, ist bis heute umso intensiver.
Die Serie „Von der Uni in die Welt“:
Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 3, 7. Mai 2025.