Tiefe Einblicke in die Zeitgeschichte
Zeitungen sind für die historische Forschung und Bildung wichtige Quellen. Als „Zeugen“ der Vergangenheit spiegeln sie das einstige Tagesgeschehen wider und geben wertvolle Einblicke beispielsweise in die Regional- und Ortsgeschichte. Bislang war der Zugang zu Jahrzehnte alten Ausgaben, die nur gedruckt in Archiven lagen, schwer bis unmöglich. Mit dem Projekt „zeit.punktNRW“ soll sich das ändern: Das Zeitungsportal stellt Lokalzeitungen der Jahre 1801 bis 1945 aus Nordrhein-Westfalen digital und kostenfrei zur Verfügung. Ein Mammutprojekt, an dem mehrere Universitäts- und Landesbibliotheken und rund hundert Archive seit 2017 gemeinsam arbeiten.
Luisa Lischke gehört seit vier Jahren zum Team. Als studentische Hilfskraft in der ULB Münster sichtet die 25-Jährige eingescannte Zeitungsausgaben im „Visual Library Manager“ und versieht sie mit Stichpunkten wie Datum und Ausgabennummer. „Ich segmentiere, ordne und markiere Zeitungsseiten einzelner Jahrgänge und lösche gegebenenfalls Dopplungen oder unscharfe Scans, bevor die Ausgaben online gestellt werden“, erläutert sie. Seite für Seite scrollt sie sich durch die hochaufgelösten Mikro- oder Masterfilme einzelner Zeitungsjahrgänge, die von Archiven und Bibliotheken aus ganz Nordrhein-Westfalen in das Computerprogramm eingespielt werden, markiert die Titelblätter und notiert Beilagen in Excel-Tabellen. Mehr als 17 Millionen Zeitungsseiten stehen im Portal bereits zur Verfügung. „Das klingt vielleicht nach langweiliger Computerarbeit, ist es aber nicht“, sagt sie und lacht.
Als Spanisch- und Geschichtsstudentin habe sie großes Interesse an historischen Themen, der Job sei perfekt für sie. „Auch wenn ich keine Zeit dafür habe, einzelne Artikel zu lesen, bekomme ich doch spannende Einblicke in die Zeitgeschichte, zum Beispiel in die Propaganda im Nationalsozialismus“, betont die gebürtige Horstmarerin. Die politische Einflussnahme der Nationalsozialisten schwarz auf weiß und Tag für Tag in den Zeitungen nachlesen zu können, sei immer wieder aufs Neue eindrücklich. „Auch Karikaturen und Werbeanzeigen sind sehr interessant, weil sie den Zeitgeist auf besondere Weise widerspiegeln.“ Schmunzeln könne sie vor allem über alte Modeanzeigen oder Werbung für Waschmittel.
Ihren Arbeitsplatz hat Luisa Lischke in einem hellen und gemütlichen Gemeinschaftsbüro am Krummen Timpen mit Panoramablick auf die Überwasserkirche. Acht Stunden pro Woche investiert sie in das Projekt, an dem seitens der ULB noch eine weitere studentische Hilfskraft und einige Festangestellte beteiligt sind. „Wir sind gut vernetzt – es ist immer jemand ansprechbar, wenn man eine Frage hat“, hebt sie hervor. Und noch einen Vorteil habe der Job mit sich gebracht: „Ich habe gelernt, Frakturschrift zu lesen. Das macht die Arbeit mit Quellen im Studium und auch später im Beruf als Lehrerin viel leichter.“
Autorin: Julia Harth
Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 1, 29. Januar 2025.