
Auf der Wiederholspur
Die Reihen im Hörsaal JUR 3 sind an diesem Januarmorgen um 9 Uhr noch dünn besetzt, doch das liegt allein an der akademischen Viertelstunde, dem cum tempore. Denn kurze Zeit später steht Prof. Dr. Sebastian Lohsse, Experte unter anderem für Römisches Recht und für das darauf aufbauende deutsche bürgerliche Recht und europäische Privatrecht, vor rund 120 Studierenden. Sie wiederum sitzen hinter und neben ungefähr genauso vielen Laptops und Gesetzestexten, dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) oder dem „Habersack“, einer rund 5.000 Seiten starken Sammlung von Paragrafen verschiedener Rechtsgebiete.
Die Studierenden und der Dozent haben heute den Weg durch eisige Temperaturen nicht bloß wegen einer Vorlesung, wie es sie täglich dutzendfach an der Uni Münster gibt, auf sich genommen. Nein, sie kommen im „Herzstück“ des „unirep“, wie es auf der Website der Veranstalter heißt, zusammen – den Examenskursen. Diese finden das Jahr über beinahe täglich statt und sind nicht wie gewöhnlich 90 Minuten lang, sondern 150 und ermöglichen den Jurastudierenden höheren Semesters als eines von vielen Angeboten, das bisher Erlernte zu wiederholen und sich auf das erste Staatsexamen vorzubereiten.
Diese Wiederholung, also die Repetition, ist ein Merkmal der juristischen Ausbildung in Deutschland, das „unirep“ eine Besonderheit der münsterschen Rechtswissenschaftlichen Fakultät. Ohne die angeleitete und strukturierte Wissenswiederholung gehen wohl nur wenige Studierende in die Examina. Ein Teil nutzt dafür immer noch kommerzielle Angebote, besonders Kleingruppenkurse, die mindestens rund 3.000 Euro pro Jahr kosten. Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Uni Münster hat als eine der ersten ihren Studierenden mit einem eigenen Repetitorium eine Alternative aufgezeigt.
Sebastian Lohsse behandelt heute das Schuldrecht: etwa das Kaufrecht im Hinblick auf den Unterschied von Schadenersatzforderungen bei analogen und digitalen Produkten. „Schon seit 2012 lehre ich im ,unirep‘, da ich sowohl den Studierenden als auch der Gesellschaft gegenüber eine Verantwortung empfinde. Vertrauen in die Rechtsordnung ist ein hohes Gut und setzt gut ausgebildete Juristinnen und Juristen voraus“, erklärt er nach der Veranstaltung.
Dabei möchte er auch auf die entscheidenden Methoden aufmerksam machen. So geht es nicht nur um das Schuldrecht im Speziellen, sondern um die juristische Praxis im Allgemeinen. Erkennbar wird das, wenn er etwa nach Gesetzessystematiken und dem „juristischen Instrumentarium“ fragt. Und das nicht zum Selbstzweck, sondern immer mit Blick auf die Klausuren. So erklärt er beispielsweise, dass die Klausurrelevanz der „Schuldübernahme“ gering sei, oder nimmt ein Szenario vorweg, wenn er sagt: „Das ist immer eine unsaubere Formulierung, das können Sie besser.“
Sebastian Lohsse weiß um all das, weil er selbst im Examen als Prüfer, Korrektor und Ersteller von Klausuren auftritt – eine zentrale Voraussetzung für den Einsatz im „unirep“, wie der Koordinator Volker Reuschenbach erklärt. Für den Kursteilnehmer Fatih Asıl ist genau das eine große Stärke des Unirepetitoriums: „Dort stehen die Leute vorne, die auch Examensklausuren stellen und daher aus der Prüfungspraxis erzählen.“ Das macht Sebastian Lohsse, und zwar enthusiastisch, nahbar und mit Witz. Denn wenngleich ihm Details wichtig sind, scheint ihm die Rechtsprechung kein Heiligtum und die Situation der Studierenden bewusst zu sein. „Das kann sich kein Mensch merken“, kommentiert er einen Paragrafen. „Und wenn Sie es doch können, dann haben Sie meine große Bewunderung.“
Liv Wortmann, wie Fatih Asıl ebenfalls seit Oktober im „unirep“ und im Kurs von Sebastian Lohsse, ist sehr zufrieden mit dem Angebot der Uni. „Ich würde mich jederzeit wieder dafür entscheiden – schon allein aus purer Überzeugung, da ich es wichtig finde, dass die Examensvorbereitung auch ermöglicht werden muss, ohne dafür zu bezahlen“, betont sie. Wie die beiden Studierenden im Kurs sieht es auch die Fachschaft. „Das ,unirep‘ ist in der Studierendenschaft tief verwurzelt und bietet aufgrund der hohen Lehrqualität eine ausgesprochen gute Alternative zu kommerziellen Repetitorien, wodurch der Bildungserfolg unabhängig vom Portemonnaie ermöglicht wird“, erklärt der Fachschaftsratsvorsitzende Christian Hovestadt. Und was braucht es neben dem offenbar sehr geschätzten „unirep“ von den Studierenden selbst? „Vor allem mentale Kraft und Durchhaltevermögen“, erklärt Liv Wortmann. Es sei zudem wichtig, „das Staatsexamen nicht zur ganzen Persönlichkeit zu machen“. An den Studierenden selbst liegt es, dabei die richtige Balance zu finden. Die Verantwortlichen des „unirep“, egal ob im JUR 3 oder darüber hinaus, scheinen derweil alles dafür zu tun, die Examinanden bestmöglich zu unterstützen.
Autor: André Bednarz
Einblicke in den Lernalltag
Ein Beitrag von Judith Boland
Das „unirep“:
Das universitätseigene Repetitorium gibt es seit den 1980er-Jahren und wurde 2008 im Rahmen einer Landesförderung neukonzipiert, maßgeblich von Volker Reuschenbach, seit vielen Jahren Koordinator des Angebots. Es bietet den münsterschen Studierenden ein umfangreiches Angebot, mit dem sie den Pflichtstoff für das erste Staatsexamen wiederholen können. Das auf eine zwölfmonatige Teilnahme angelegte „Rep“ besteht aus einem Examens- und einem Klausurenkurs, einer Reihe zu aktueller höchstrichterlicher Rechtsprechung, einem Kurs zur Vorbereitung auf die mündliche Prüfung und einer AG. Außerdem bietet die Plattform unirep-online.de den Studierenden, auch denen unteren Semesters, Zugriff auf eine Vielzahl von Skripten, Klausuren, Lösungen, Videos und mehr. Der Einstieg ins „unirep“ ist zu jedem Zeitpunkt im Jahr möglich, die Teilnahme kostenfrei.
Diese Artikel stammen aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 1, 29. Januar 2025.