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Münster (upm/bhe).
Das Team des Projekts „Electronically Augmented Astronomy“ möchte der städtischen Bevölkerung mit kostengünstigen Hightech-Beobachtungssystemen ein neues Fenster ins Universum öffnen.<address>© AFO - Nina Nolte</address>
Das Team des Projekts „Electronically Augmented Astronomy“ möchte der städtischen Bevölkerung mit kostengünstigen Hightech-Beobachtungssystemen ein neues Fenster ins Universum öffnen.
© AFO - Nina Nolte

Universitätsstiftung prämiert zwei bürgerwissenschaftliche Projekte

Citizen-Science-Preis für Forschungskooperationen aus der Planetologie und Medizin

Zwei bürgerwissenschaftliche Forschungsvorhaben haben den Citizen-Science-Preis der Universitätsstiftung Münster erhalten. Die beiden Forschungskooperationen, die nun mit jeweils 7.500 Euro unterstützt werden, kommen aus unterschiedlichen Bereichen: der Planetologie und der Medizin.

Vom Schulhof ins Universum mit der „Electronically Augmented Astronomy“

Der Blick in den Sternenhimmel fasziniert die Menschen schon immer. Für relativ kleines Geld gibt es heute eine gute Ausrüstung dafür, die trotz hoher Lichtverschmutzung in den Städten einen optischen Zugang zum Weltall ermöglicht. Die sogenannte Electronically Augmented Astronomy (Elektronisch Assistierte Astronomie, kurz: EAA) eröffnet neue Möglichkeiten, das Universum zu erkunden. Genau das möchte das gleichnamige Projekt erarbeiten und vermitteln.

Unterstützt von der Bildungsinitiative „Astronomy and internet in Münster“ (AiM) und dem Institut für Planetologie der Universität Münster können Schülerinnen und Schüler der Mathilde-Anneke-Gesamtschule in Münster als Citizen Scientists eigenständig vom Schulhof aus das Universum erforschen. In öffentlichen Workshops kommen dabei kostengünstige EAA-Systeme zum Einsatz, die beispielsweise Eruptionen auf der Sonne sichtbar machen. Die benutzerfreundlichen Beobachtungsmethoden basieren auf Bedürfnissen und Ideen der städtischen Bevölkerung.

„Wir gehen heute davon aus, dass wir 95 Prozent des Universums nicht kennen“, erläutert Paul Breitenstein von der AiM-Initiative. Wenn sich jedoch viele Augen darauf richteten, sei es wahrscheinlicher, dass man etwas Neues entdecke. Citizen Scientists hätten dafür mittlerweile Geräte zur Verfügung, von denen die Wissenschaft im vergangenen Jahrhundert noch geträumt habe. Die Initiative möchte dafür Bewusstsein schaffen.

„Wir wollen herausfinden, wie man moderne Technologien einsetzen kann, um junge Menschen zur Teilhabe an Wissenschaftsprojekten zu motivieren“, erläutert Prof. Dr. Bastian Gundlach. „Dafür arbeiten wir mit großen und kleinen Teleskopen, die wir zum Beispiel auf dem Schulhof einsetzen oder auch robotisch steuern können, um den Blick vom Klassenzimmer in den Weltraum zu richten.“ Zudem wertet das Projekt Daten großer internationaler Forschungsteleskope aus.

Die Jury hob besonders das Zusammenwirken von Forschung und Bildung in diesem Projekt hervor, zu dem auch begleitende Lehrveranstaltungen zu Themen wie „Unser Sonnensystem“ gehören. Experimenteller Eifer, praktische Erfahrung und wissenschaftliche Expertise sollen den Wissenstransfer und die Zusammenarbeit zwischen Fachwissenschaftlern, Experten und interessierten Bürgern intensivieren. Die Ergebnisse der Bürgerwissenschaftler werden auf einer öffentlichen, digitalen Plattform für alle zugänglich gemacht.

Palliativpflegeplanung für wohnungslose Menschen mit „VORAUS.MS“

Die Verantwortlichen des Projekts „VORAUS.MS“ engagieren sich für eine vorausschauende Pflegeplanung und Palliativversorgung für wohnungslose Menschen.<address>© AFO - Nina Nolte</address>
Die Verantwortlichen des Projekts „VORAUS.MS“ engagieren sich für eine vorausschauende Pflegeplanung und Palliativversorgung für wohnungslose Menschen.
© AFO - Nina Nolte
Wohnungslosigkeit ist kein Randgruppenphänomen. Allein in Münster geht man von über 1.000 Personen ohne eigenen Wohnraum aus. Die Tendenz ist steigend. Menschen ohne festen Wohnsitz nehmen reguläre Gesundheitsleistungen seltener in Anspruch. Das gilt auch für Angebote der Palliativversorgung, also der Behandlung von fortgeschrittenen, unheilbaren Erkrankungen. Dabei gibt es hier durchaus mehr Bedarf, denn Vorerkrankungen erhöhen das Risiko für Wohnungslosigkeit, und Wohnungslosigkeit erhöht das Risiko zu erkranken.

Diesem Problem widmet sich ein interdisziplinäres Konsortium der Zentralen Einrichtung Palliativmedizin des Universitätsklinikums Münster (UKM), des Mobilen Dienstes im Haus der Wohnungslosenhilfe, des Palliativnetzes Münster und der Ansprechstelle im Land Nordrhein-Westfalen zur Palliativversorgung, Hospizarbeit und Angehörigenbegleitung (ALPHA NRW) im Citizen Science-Projekt „VORAUS.MS“. Im Mittelpunkt steht eine Verbesserung der vorausschauenden Pflegeplanung und Palliativversorgung für wohnungslose Menschen. Das Projekt sammelt und entwickelt Ideen zur Verbesserung der Situation. „Wohnungslose Personen bringen Faktoren mit, die eine Versorgung schwieriger machen“, erläutert Florian Bernhardt vom UKM. „Ohne Citizen Science wäre das Projekt nicht möglich, weil wir diese Gruppe gar nicht erreichen würden.“ Auch Dr. Janina Krüger vom Palliativnetz unterstreicht, wie wichtig es ist, Versorgungslücken zu schließen. Diese seien ihr durch das Projekt bewusst geworden. Sie erhofft sich von der engeren Vernetzung, dass die Mitarbeiter des Palliativnetzes vorausschauender auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen können. Dr. Sabine Pöppelmann, Ärztin im Haus der Wohnungslosen, betont: „Wir holen alle ab, da wo sie stehen.“ Die palliative Versorgung müsse hier neu gedacht werden, da man bestehende Konzepte nicht eins zu eins übertragen könne. „Dafür brauchen wir Flexibilität, Kreativität und Partner, die uns unterstützen und sich darauf einlassen.“

Neben der Verknüpfung von relevanten Institutionen und Personen sowie einer Erhebung der Bedürfnisse von wohnungslosen Menschen ist ein zentrales Element von VORAUS.MS eine sogenannte „Theory of Change“. Diese Methode setzt unter anderem auf Partizipation und adaptives Management und soll den sozialen Wandel fördern. Die Jury lobte besonders den Modellcharakter und den hohen Praxisbezug des Projekts sowie die Multiprofessionalität der Beteiligten.

Citizen Science an der Uni Münster

Forschung und Lehre sind für die Universität Münster kein Selbstzweck. Die Universität möchte zivilgesellschaftliche Prozesse initiieren und moderieren. Das beinhaltet, diejenigen in die Wissenschaft einzubeziehen, für die sie gemacht ist: die Bürgerinnen und Bürger. Die Universität Münster verfügt über langjährige Erfahrung mit vielfältigen Citizen-Science-Projekten und lädt alle Interessierten zum Mitmachen ein. Als Kontakt- und Servicestelle sowie als Projektbüro für den Wissens-, Forschungs- und Technologietransfer baut die Arbeitsstelle Forschungstransfer (AFO), die den Citizen-Science-Wettbewerb koordiniert und inhaltlich begleitet, die Bürgerwissenschaften stetig aus. Seit 2020 fördert die Universitätsstiftung Münster den Citizen-Science-Wettbewerb und zeichnet jährlich zwei herausragende Projekte aus, die die Beteiligung der Bürger exzellent umsetzen. Jedes Projekt erhält ein Preisgeld von 7.500 Euro.

Autorin: Brigitte Heeke

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 3, 8. Mai 2024.

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