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Münster (upm/kk).
Der Vergleich macht deutlich, wie damals und heute gelernt wird: Während die Studierenden um 1950 im Lesesaal der Universitätsbibliothek an ihrem damaligen Standort am Bispinghof zahlrei-che Bücher wälzten (links), nutzen sie heutzutage fast ausschließlich digitale Geräte für ihr Stu-dium, wie ein Blick in das neu eröffnete Forum Oeconomicum zeigt (rechts).<address>© Uni MS (links) / Uni MS - Michael C. Möller (rechts)</address>
Der Vergleich macht deutlich, wie damals und heute gelernt wird: Während die Studierenden um 1950 im Lesesaal der Universitätsbibliothek an ihrem damaligen Standort am Bispinghof zahlrei-che Bücher wälzten (links), nutzen sie heutzutage fast ausschließlich digitale Geräte für ihr Stu-dium, wie ein Blick in das neu eröffnete Forum Oeconomicum zeigt (rechts).
© Uni MS (links) / Uni MS - Michael C. Möller (rechts)

Neue Lernwelten schaffen

Wie sich die Universitätsbibliotheken den neuen Nutzungsbedürfnissen anpassen

Bereits der französische Philosoph und Schriftsteller Voltaire wusste: „Lesen stärkt die Seele“. Wo geht das besser als in Münster? Die Universitäts- und Landesbibliothek (ULB) hat nicht nur an ihrem zentralen Standort am Krummen Timpen und unweit des Domplatzes entsprechend viel zu bieten, sondern auch an ihren über 60 dezentralen Standorten – verteilt über die ganze Stadt. Wer etwas zu einem bestimmten Thema erfahren möchte, wird fündig: von Altorientalistik und Vorderasiatischer Archäologie an der Rosenstraße über Geophysik und Lebensmittelchemie an der Corrensstraße bis hin zu Medizin am Albert-Schweitzer-Campus.

Aber müssen die Wissensdurstigen überhaupt noch kreuz und quer durch die Stadt fahren, um stundenlang Bücher zu wälzen? Eigentlich genügt es doch, das Smartphone zu zücken oder den Laptop hochzuklappen, um auf fast alle Informationen digital zuzugreifen. Trotzdem, ob morgens früh oder abends spät: Wer durch die Fenster der ULB schaut, sieht zu jeder Zeit zahlreiche Studierende, die konzentriert an Tischen sitzen und für ihr Studium büffeln. Ob mit oder ohne Bücher, der Laden ist voll. Im Jahr 2022 registrierte die Verwaltung mehr als eine Million Gäste.

Vor einigen Wochen schrieb die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, dass sich niemand mehr so richtig fürs Lesen interessiere und dass Universitätsbibliotheken ihr Profil verlören, wenn sie sich ausschließlich als studentischer Arbeitsplatz, Informationszentrum oder Publikationsdienstleister verstünden. ULB-Direktorin Dr. Beate Tröger schätzt die Situation weniger drastisch ein: „Natürlich beobachten wir einen Nutzungswandel, aber von einem Profilverlust würde ich nicht sprechen, eher von einer Veränderung des Anforderungsprofils. Neue Services und Unterstützungen entstehen im kontinuierlichen Dialog mit den Wissenschaften bei Forschung wie Lehre – ‚Digital Humanities‘ gehört ebenso dazu wie ein umfassendes Forschungsdatenmanagement. Ein zentraler Part ist nicht zuletzt die steigende Nachfrage nach Arbeits- und Lernplätzen. Darauf sind wir gut vorbereitet und passen uns den neuen Bedarfen kontinuierlich an.“

Und das wird an vielen Standorten in der Stadt sichtbar. So eröffnete beispielsweise vor wenigen Wochen das „Forum Oeconomicum“ der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät. Nach einem rund zweijährigen Umbau stehen den Studierenden nunmehr 3.000 statt 400 Quadratmeter Bibliotheksfläche und 400 statt 170 Arbeitsplätze sowie sogenannte „Learn Labs“ zur Verfügung – abgeschlossene Glaskabinen mit Gruppenarbeitstischen und Touchscreens. Ein weiteres Großprojekt ist der Bau des Hüffercampus. In wenigen Jahren entsteht zwischen der Hüfferstraße und der Robert-Koch-Straße unter anderem der Campus der Theologien und der Religionswissenschaft. Dazu wird eine gemeinsame Bibliothek der Evangelisch- und der Katholisch-Theologischen Fakultät sowie des Zentrums für Islamische Theologie gehören. Mit über 560.000 Bänden entsteht eine der größten theologischen Bibliotheken weltweit. Aktuell plant auch die Zentralbibliothek einige Umbauten: Das Lehrbuchmagazin wird umstrukturiert, um mehr Arbeitsplätze einzurichten. Zudem werden die Arbeitsplätze an den dezentralen Standorten im Sinne der Bedarfe modernen Arbeitens ausgestattet, sei es durch mehr Gruppenarbeitsplätze oder zusätzliche Steckdosen an den Lernplätzen. „Es gibt schon viele, und es entstehen weitere neue Lernwelten für die Studierenden und die Öffentlichkeit“, betont Beate Tröger. Und das ist auch gut so, wie eine aktuelle Studie der Hochschule der Medien Stuttgart zeigt. Das Forschungsteam hat Trends und die größten Herausforderungen deutscher Bibliotheken identifiziert. „Dazu gehört, dass wissenschaftliche Bibliotheken Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterbilden und Arbeitsabläufe neu organisieren müssen, um auf den großen Modernisierungsschub und die damit verbundenen neuen Aufgaben zu reagieren. Zudem müssen die Bibliotheken zukünftig die Sichtbarkeit von digitalen Angeboten erhöhen“, betont Studienleiterin Prof. Cornelia Vonhof.

Das merken auch die münsterschen Bibliothekare und Beschäftigten der ULB. Die Nachfrage nach elektronischen Medien wie beispielsweise E-Books wächst. Das Spektrum reicht von digitalisierten historischen Büchern bis hin zu aktuellen Lehrbüchern bekannter Verlage. Sowohl der Lehrbuchbestand als auch das Portfolio an digitaler Forschungsliteratur werden laufend aktualisiert und erweitert. Außerdem können die Nutzer auf rund 50.000 elektronische Zeitschriften und Tageszeitungen sowie zahlreiche Datenbanken und digitale Sammlungen weltweit zugreifen.

Die Zahl der Ausleihe von Büchern und die Fernleihe gehen zwar auch in der ULB zurück – doch sie sind mit fast 900.000 „Zugriffen“ pro Jahr nicht zu vernachlässigen. „Wir bewahren auch diese Kernkompetenzen und werden weiterhin Literatur für Forschung und Lehre beschaffen, erschließen und bereitstellen. Und diese Aufgaben reihen sich ein in ein umfassendes Spektrum zukunftsorientierter und vielseitiger Themen einer modernen wissenschaftlichen Bibliothek“, unterstreicht Beate Tröger. Und nach wie vor gilt: Wer durch die Bibliotheken in Münster geht, schaltet automatisch einen Gang runter. Es sind Orte der Ruhe, des Lernens und des Denkens – ob in Gruppen oder allein, ob in der großen Zentralbibliothek oder in einer der kleinen Fachbibliotheken. Einen Besuch ist es wert.

 

Autorin: Kathrin Kottke

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 7, 8. November 2023.

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