„Im Weltraum ist bislang alles ohne größere Probleme verlaufen“
Seit dem 20. Oktober 2018 ist das Raumschiff BepiColombo auf dem Weg zum Merkur. Mit an Bord ist das Infrarot-Spektrometer „MERTIS“, das ein Planetologen-Team um Prof. Dr. Harald Hiesinger von der Universität Münster mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin und Industriepartnern über viele Jahre entwickelt hat. Die Mission hat das Ziel, den sonnennahsten Planeten zu erkunden und Hinweise auf seine Geschichte sowie zur Entstehung des Sonnensystems zu liefern. Im September tagt das internationale Forschungsteam in Münster, um sich über den Stand der Mission auszutauschen. Kathrin Kottke sprach mit Harald Hiesinger über die Rolle der Universität Münster bei dieser jahrelangen Reise ins Weltall.
Seit über vier Jahren ist das Raumschiff BepiColombo im All unterwegs. Ende 2025 soll es in die Merkur-Umlaufbahn eindringen und damit seine finale Destination erreichen. Warum ausgerechnet zum Merkur?
Der Merkur ist ein Planet der Extreme, über den wir bislang wenig wissen, der uns aber sehr viel über die Entstehung unseres Sonnensystems verraten kann. Er umkreist die Sonne in einer Entfernung von ‚nur‘ 58 bis 69 Millionen Kilometern. Zum Vergleich: Bei der Erde beläuft sich die Distanz auf rund 150 Millionen Kilometer. Die Oberfläche der Merkurs erreicht daher Temperaturen von bis zu 430 Grad Celsius. Dennoch existieren vermutlich Krater, deren Böden aufgrund des Orbits im permanenten Schatten liegen und Temperaturen von bis zu minus 170 Grad Celsius aufweisen. Zudem ist er der kleinste Planet in unserem Sonnensystem, wobei er eine sehr hohe Dichte hat – was auf schweres Material im Inneren schließen lässt, etwa Eisen oder Nickel. Wegen seiner Nähe zur Sonne, kann er von der Erde aus nur schwer beobachtet werden. Wir erhoffen uns von der BepiColombo-Mission neue Erkenntnisse.
Mit an Bord ist das von Ihnen über viele Jahre entwickelte MERTIS-Instrument. Was genau ist das für ein Gerät?
MERTIS steht für ‚Mercury Radiometer and Thermal Infrared Spectrometer‘, ein miniaturisiertes Infrarotspektrometer, das nur circa 37 Zentimeter lang und 20 Zentimeter breit ist und ein Gewicht von etwas mehr als drei Kilogramm hat. Die hochkomplexe Technik musste in kleinster Feinarbeit zusammengesetzt werden und extremen Bedingungen standhalten – etwa dem Start der Rakete, das Durchdringen der Erdatmosphäre sowie der kosmischen und extremen Sonnenstrahlung.
Wie funktioniert das Gerät?
MERTIS nutzt die emittierte Wärmestrahlung, das sogenannte thermische Infrarot, um Informationen über die Oberfläche des Planeten zu erhalten, etwa über die gesteinsbildenden Minerale. Die räumliche Auflösung beträgt dabei global etwa 500 Meter. Dadurch können wir die mineralogische Zusammensetzung der Merkuroberfläche sowie die gesteinsbildenden Minerale untersuchen. Gleichzeitig wird das integrierte Mikro-Radiometer die Temperatur und die thermische Leitfähigkeit messen. Wir wollen insbesondere Daten zur vulkanischen und tektonischen Evolution des Planeten und zu seiner Impaktgeschichte – also Einschläge von Himmelskörpern auf dem Merkur – sammeln und auswerten.
Gab es Probleme beim Zusammenbau oder während der bisherigen Zeit im All?
Beim Bau, der im DLR in Berlin erfolgte, mussten wir Teile immer mal wieder austauschen und neu justieren. Auch den Härtetest auf einer Rüttelplatte hat MERTIS zunächst nicht überstanden, weil das Material an einigen Stellen gebrochen ist. Nachdem die Probleme behoben waren und viele Komponenten doppelt verbaut wurden – falls zum Beispiel ein Netzteil ausfällt – wurde MERTIS mit den anderen Instrumenten an das Raumschiff gebaut. Im Weltraum ist bislang alles ohne größere Probleme verlaufen. Wir wissen auf die Sekunde genau, wo sich das Raumschiff befindet und wie es ihm geht. Beim Start der Ariane-5-Rakete in Kourou in Französisch-Guayana ist mir aber nochmal kurz das Herz stehen geblieben.
Was ist denn passiert?
Ich hatte die große Ehre, beim Start der Mission live vor Ort zu sein. In etwa fünf Kilometer Entfernung sahen wir, wie die Trägerrakete zündete. Da es schon dunkel war, nahmen wir zunächst nur einen großen Feuerball wahr, und es wirkte, als sei die Rakete explodiert. Zum Glück war dem nicht so. Kurze Zeit später erwischte mich die Druckwelle mit voller Wucht. Bei der Zündung wird eine gewaltige Energie freigesetzt. Das war ein Gänsehautmoment...
… den Sie vermutlich nicht so schnell vergessen werden!
Nein, sicherlich nicht. Für mich und meinem Kollegen Dr. Jörn Helbert vom DLR in Berlin, ist ein großer Traum in Erfüllung gegangen, Teil dieser Mission zu sein. Nun hoffen wir alle, dass die Mission erfolgreich weiterläuft und wir unsere Daten ab dem 5. Dezember 2025 erhalten – das ist der Zeitpunkt, an dem BepiColombo in die rund 430 bis 1.500 Kilometer von der Planetenoberfläche entfernte Umlaufbahn eintritt.
Im September findet die BepiColombo-Tagung in Münster statt. Wer kommt hier zusammen?
Wir erwarten Gäste aus Japan und ganz Europa – alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die an BepiColombo beteiligt sind. Besonders wichtig ist mir, dass Studierende an der Tagung teilnehmen, sich mit den Experten vernetzen und Teil dieses Forschungsabenteuers werden. Immerhin werden sie zukünftig solche Missionen leiten und begleiten. Die Tagung in Münster ist eine tolle Gelegenheit für den Nachwuchs mit den führenden Experten der BepiColombo-Mission ins Gespräch zu kommen.
Über welche Themen werden Sie sprechen?
Wie es dem Raumschiff geht, ob technisch alles funktioniert und ob wir im Zeitplan sind. Zudem tauschen wir uns über die Daten aus, die bereits gesammelt wurden – beispielweise bei den Vorbeiflügen an Erde, Venus und Merkur. Und auch zukünftige Strategien für den Betrieb des Raumschiffs und die exakte Durchführung der Mission werden diskutiert.
Informationen zur BepiColombo Mission
Die BepiColombo Mission ist ein Gemeinschaftsprojekt der ESA (European Space Agency) und der JAXA (Japan Aerospace Exploration Agency). Sie ist bis jetzt die dritte unbemannte wissenschaftliche Mission zum Merkur - benannt ist sie nach dem italienischen Mathematiker und Ingenieur Giuseppe Colombo (1920 - 1984), dessen Spitzname „Bepi“ lautet. Die Flugzeit beträgt bis zum Erreichen der Zielorbits etwa sieben Jahre. Während der "Reise" wird die Stromversorgung über große Solarzellen sichergestellt. Die Kommunikation wird mit einer Hochleistungsantenne (high gain antenna, HGA) sowie einer Mittelleistungsantenne (medium gain antenna, MGA) aufrechterhalten. Sämtliche Kommunikation zwischen der Raumsonde und der Erde findet mittels TM/TC statt (Telemetrie/Telekommando, telemetry/telecommand) statt.