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Münster (upm/kn).
Mit dem „EXPERT“-Projekt soll ein digitales Expertenforum für die Behandlung von Frakturen mit sogenannten Weichteilschäden und postoperativen Komplikationen aufgebaut werden.<address>© stock.adobe.com - mrmohock</address>
Mit dem „EXPERT“-Projekt soll ein digitales Expertenforum für die Behandlung von Frakturen mit sogenannten Weichteilschäden und postoperativen Komplikationen aufgebaut werden.
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Disziplinübergreifend Komplikationen bei Knochenbrüchen verringern

Mit dem „EXPERT“-Projekt wollen Universitätsmediziner ein digitales Expertenforum entwickeln

Beim Autounfall verletzt, beim Joggen umgeknickt, im Haushalt gestürzt: Ein Knochenbruch ist schnell passiert. Fraktur ist aber nicht gleich Fraktur. Es können zudem Komplikationen wie Fehlstellungen oder postoperative Infektionen auftreten. Um die Patientinnen und Patienten in solchen Fällen optimal versorgen zu können, ist eine fächerübergreifende Abstimmung in der Diagnostik und Therapie essentiell. Das im Juni 2022 gestartete Projekt „EXPERT“ der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster setzt an diesem Punkt an. Mehrere Universitätsmediziner um Projektleiter Dr. Steffen Roßlenbroich wollen ein digitales Expertenforum für die Behandlung von Frakturen mit sogenannten Weichteilschäden und postoperativen Komplikationen aufbauen, das interdisziplinäre Absprachen auch in nicht-universitären Krankenhäusern ermöglicht.

„Wir arbeiten seit jeher interdisziplinär zusammen. Besonders bei älteren Patienten ist das von großem Vorteil“, betont Prof. Dr. Michael J. Raschke, Direktor der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum Münster (UKM) und Initiator des EXPERT-Projektteams. „Mit der Plattform wollen wir unsere Expertise zur Verfügung stellen.“ Damit sollen Risiken minimiert, schnellere Entscheidungswege ermöglicht und moderne Therapieformen etabliert werden. „Wir geben individuelle Rezepte, um eine optimale Behandlung für die Patienten zu gewährleisten“, erläutert Michael Raschke. „Wichtig ist, dass wir die universitäre Expertise in die Fläche tragen wollen. Nicht jedes Krankenhaus in der Peripherie kann sämtliche Fachdisziplinen vorhalten“, ergänzt Prof. Dr. Tobias Hirsch, Leiter der Sektion Plastische Chirurgie an der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie des UKM und Chefarzt der Plastischen Chirurgie der Fachklinik Hornheide. „Es gibt keine digitalen Strukturen für Patienten mit komplizierten Knochenbrüchen oder Komplikationen. Bislang müssen die Spezialisten einzeln angefragt werden.“ Das sei mühselig und zeitaufwendig.

Deshalb sind in das Projekt 33 Krankenhäuser unterschiedlicher Versorgungsstufen in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bremen eingebunden. Anhand von rund 2.700 Patienten wird in der Studie untersucht, ob Aspekte wie die Dauer der Behandlung, Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen und die Kosten der stationären Versorgungen optimiert werden können. Denn der telemedizinische Zugang zu dem interdisziplinären Expertenforum soll nicht nur eine schnellstmögliche Therapie ermöglichen, sondern auch unnötige Doppeluntersuchungen vermeiden. Ziel ist es, die Komplikationsrate in der Behandlung von komplizierten, offenen Frakturen zu senken und erneute Operationen abzuwenden. An dem Projekt beteiligt sind Experten der Unfallchirurgie, Plastischen Chirurgie, Gefäßchirurgie, Angiologie, Mikrobiologie, Radiologie, Hygiene, Infektiologie und Pharmazie. Mit Dr. Dagmar Horn ist auch eine Apothekerin im Boot, die am UKM neben ihrer Arbeit im Antibiotic-Stewardship (ABS)-Team auch für das Medikationsmanagement mit verantwortlich ist. „Wir haben viel Erfahrung bei der patientenindividuellen Arzneimitteltherapie, mit einem ganz besonderen Fokus auf die Therapie von Infektionen“, schildert Dagmar Horn. „Uns ist es zum Beispiel ein Anliegen, unnötigen Antibiotikaverbrauch – und das damit verbundene Auftreten von Resistenzen – zu reduzieren.“

Voraussichtlich ab dem kommenden Herbst wollen die Universitätsmediziner erste Empfehlungen für die teilnehmenden Krankenhäuser aussprechen. „Langfristig ist es unser Ziel, den Online-Austausch von Experten verschiedener Disziplinen in den Regelbetrieb zu überführen“, erläutert Steffen Roßlenbroich, der nicht nur das EXPERT-Projekt leitet, sondern auch geschäftsführender Oberarzt der UKM-Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie ist. Die dauerhafte Etablierung des Forums soll schlussendlich dazu beitragen, das Gesundheitssystem zu entlasten.

Das Projekt „EXPERT“

EXPERT steht für „Extremitätenboards zur Prozessoptimierung, Evaluation, Risikominimierung und Therapieoptimierung bei Frakturen mit Weichteilschäden oder post-operativer Infektion der unteren Extremitäten im Traumanetzwerk“. Das dreijährige Projekt wird vom Gemeinsamen Bundesausschuss mit 6,9 Millionen Euro gefördert. Kooperationspartner sind die AOK NordWest, die BARMER, die Fachklinik Hornheide, das OFFIS-Institut für Informatik, die Steinbeis Hochschule, die Techniker Krankenkasse und die Universität Bielefeld.

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