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Münster (upm/kn).
Begabungs- und Begabtenförderung gelten als Motor der Entwicklung und Gestaltung von Schulen und gehen  mit einer Veränderung der Schulkultur einher.<address>© WWU - Peter Grewer</address>
Begabungs- und Begabtenförderung gelten als Motor der Entwicklung und Gestaltung von Schulen und gehen mit einer Veränderung der Schulkultur einher.
© WWU - Peter Grewer

„Schüler sollen individuelle Potenziale optimal im Unterricht entfalten können“

Initiative „Leistung macht Schule“ startet in die zweite Förderphase / Forschungstransfer in die Schulen geplant

Begabungs- und Leistungsförderung zählt zu den Kernaufgaben jeder Schule. Um die leistungsstarken und die potenziell besonders leistungsfähigen Schülerinnen und Schüler zu fordern und zu fördern, müssen sich Schule und Unterricht auf institutioneller, organisatorischer, struktureller, personeller und inhaltlicher Ebene verändern. Der interdisziplinäre Forschungsverbund „Leistung macht Schule“ (LemaS) nimmt sich diesem Thema an. Das Projekt wird ab Juli in einer zweiten Förderphase mit 6,6 Millionen Euro erneut vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt. Projektleiter Prof. Dr. Christian Fischer vom Institut für Erziehungswissenschaft der WWU spricht im Interview mit Kathrin Nolte über die Möglichkeiten der individuellen Förderung von Kindern im Unterricht und den geplanten Transfer in die Schulen.

Warum ist es wichtig, eine leistungsfördernde Lernkultur in den Schulen zu schaffen?

Schulen sind die Orte, an denen entscheidende Weichen gestellt werden: für Kinder und ihre persönliche Zukunft, aber auch für die Entwicklung unserer Gesellschaft, für das Weiterbestehen der Demokratie, das Wohlergehen der nächsten Generationen. Daher sollten Schulen ihren Schülerinnen und Schüler Raum geben, ihre individuellen Potenziale optimal zu entfalten, eigenen Neigungen und Interessen nachzuspüren und sie dazu befähigen, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen und zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen beizutragen. Dafür ist es wichtig, die Lernangebote im Unterricht an die individuellen Lernvoraussetzungen und die Bedürfnisse der Kinder anzupassen und so die Freude am Lernen und den Lernerfolg zu steigern. Die LemaS-Initiative hat vor allem das Ziel, eine solche individuelle Förderung, die sich an den vielfältigen Begabungen und Interessen der Schülerinnen und Schüler orientiert, im Regelunterricht zu verankern. Daher steht LemaS nicht nur für ‚Leistung macht Schule‘, sondern gleichzeitig auch für die Erkenntnis ‚Lernen macht Spaß‘.

Wie kann eine individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern im Regelunterricht verankert werden?

Projektleiter Prof. Dr. Christian Fischer<address>© Ute Schernau</address>
Projektleiter Prof. Dr. Christian Fischer
© Ute Schernau
LemaS möchte die Entwicklungsmöglichkeiten aller Kinder unabhängig von Herkunft, Geschlecht und sozialem Status verbessern, indem in einem begabungs- und leistungsfördernden Unterricht individuelle Förderung realisiert wird. Für eine individuelle Förderung im Regelunterricht ist es erforderlich, die individuellen Lernausgangslagen, Lernstände und Lernbedarfe der Schülerinnen und Schüler zu ermitteln, differenzierte Fördermaßnahmen anzubieten, eine am Kind ausgerichtete persönliche Lernberatung und -begleitung zu ermöglichen. Es muss ein schulisches Konzept entwickelt werden, das Rahmenbedingungen schafft, unter denen die Lehrkräfte in ihrem Bemühen, die Lernpotenziale aller Schülerinnen und Schüler zu erkennen und zu fördern, entlastet und unterstützt werden.

In der ersten Förderphase haben sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von der WWU an sechs von 22 Teilprojekten beteiligt. Womit befassen sich die Teilprojekte inhaltlich?

Die an der WWU beheimateten Teilprojekte der ersten Förderphase befassen sich mit der Entwicklung von Diagnose- und Förderkonzepten für eine praktische Anwendung im schulischen Unterricht, und zwar für alle Kinder, nicht nur für die leistungsstarken. In den Bereichen potenzial- und prozessorientierte Diagnostik, selbstreguliertes und forschendes Lernen, diversitäts- und differenzsensibles Lernen, Gestaltung der Übergänge (KiTa-Grundschule-weiterführende Schule) im MINT-Bereich, diagnosebasierte individuelle Förderung in Mathematik sowie diagnosebasierte differenzierte Leseförderung wurden in enger Zusammenarbeit mit den teilnehmenden Projektschulen Produkte entwickelt, die eine individuelle Förderung im Regelunterricht ermöglichen. So sind beispielsweise Erklärvideos, Lernmaterialien, komplexe Aufgabenformate, Fortbildungskonzepte für Lehrkräfte und weitere Produkte entstanden.

In der zweiten Förderphase soll bis 2027 nun der Transfer in die „breite“ Schullandschaft erfolgen. Wie sieht er konkret aus?

In der ersten Förderphase haben 300 Schulen eng mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Forschungsverbunds kooperiert und an der Etablierung begabungsförderlicher Unterrichts- und Schulstrukturen an ihren jeweiligen Schulen gearbeitet. Entstanden sind zum einen über das gesamte Bundesgebiet verteilte, kleine begabungs- und leistungsförderliche Schuloasen und etwa 100 Produkte, die von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gemeinsam mit den Schulen entwickelt, in den Schulen erprobt und evaluiert wurden. Diese 300 Schulen geben in der zweiten Förderphase als sogenannte Multiplikatoren in Schulnetzwerken ihre Erfahrungen und Erkenntnisse zum Einsatz der entstandenen LemaS-Produkte sowie damit einhergehende pädagogische Haltungen an die neu einsteigenden bis zu 1.000 Schulen weiter. Dazu ist das gesamte Bundesgebiet in fünf Regionalzentren aufgeteilt, innerhalb derer 100 Schulnetzwerke durch den Forschungsverbund begleitet und im Bereich der begabungsfördernden Schul- und Unterrichtsentwicklung professionalisiert werden. Akteure der Bildungspolitik sowie der Bildungsadministration – beispielsweise Bezirksregierungen und pädagogische Landesinstitute – unterstützen die Prozesse. Digitale und interaktive Formate, die der Vernetzung, dem Austausch und der gemeinsamen Arbeit mit den verschiedenen Projektakteuren dienen, sind elementarer Bestandteil dieser zweiten Förderphase.

Was ist darüber hinaus in der zweiten Förderphase angedacht?

Die Multiplikatorenschulen werden außerdem in vier Schwerpunkten zur Potenzial- und Stärkenförderung kontinuierlich weiterqualifiziert, um auch die Schulentwicklungsprozesse an ihren Schulen weiter voranzutreiben. Dazu zählen die Entwicklung hin zu einer begabungsfördernden Schulkultur, die Individualisierung des Unterrichts sowie die fachspezifische Gestaltung eines potenzialorientierten Unterrichts in den Bereichen MINT und Sprachen.

 

Leistung macht Schule an der Universität Münster

Im Rahmen der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Kultusministerkonferenz gemeinsamen getragenen Initiative „Leistung macht Schule“ zur Förderung leistungsstarker und besonders leistungsfähiger Schülerinnen und Schüler beteiligt sich die WWU als eine von 17 Hochschulen an sechs von 22 Teilprojekten. Partner sind 300 Schulen aller Schulformen aus den 16 Bundesländern. Ziel der Initiative ist es, Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, ihre Talente zu entfalten – unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Geschlecht und ihrem sozialen Status. Im Fokus steht hierbei die Forderung und Förderung im Regelunterricht.

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