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Münster (upm/kn).
Alfred Müller-Armack – hier im Garten des Canisianerklosters in Vreden – arbeitete von 1938 bis 1950 an der Universität Münster.<address>© Archiv der Brüdergemeinschaft Canisius</address>
Alfred Müller-Armack – hier im Garten des Canisianerklosters in Vreden – arbeitete von 1938 bis 1950 an der Universität Münster.
© Archiv der Brüdergemeinschaft Canisius

Alfred Müller-Armack: Ein Mittäter ohne Vorbildcharakter

Politische Biografie über Ökonom Alfred Müller-Armack beleuchtet sein Schaffen und den öffentlichen Umgang damit

In seinem 1947 verfassten Lebenslauf verschweigt Alfred Müller-Armack vorsorglich das Werk „Staatsidee und Wirtschaftsordnung im neuen Reich“ von 1933 in der Liste seiner Hauptwerke.<address>© Universitätsarchiv Münster, Bestand 10, Nr. 4108</address>
In seinem 1947 verfassten Lebenslauf verschweigt Alfred Müller-Armack vorsorglich das Werk „Staatsidee und Wirtschaftsordnung im neuen Reich“ von 1933 in der Liste seiner Hauptwerke.
© Universitätsarchiv Münster, Bestand 10, Nr. 4108
Er gilt als Erfinder der sozialen Marktwirtschaft. 1946 brachte er das bis heute gültige gesellschafts- und wirtschaftspolitische Leitbild der Bundesrepublik Deutschland erstmals ins Gespräch. Alfred Müller-Armack war Wissenschaftler, Politikberater und hochrangiger Beamter. Von 1938 bis 1950 wirkte er als außerordentlicher Professor, ab 1940 als Inhaber des Lehrstuhls für Nationalökonomie und Kultursoziologie an der Universität Münster. Der 1901 in Essen geborene Wissenschaftler ließ sich allerdings ab 1933 auch auf die Denkwelt des Nationalsozialismus ein. Das jetzt veröffentlichte Buch „Alfred Müller-Armack – die politische Biografie eines Ökonomen“ zeichnet die intellektuelle und politische Entwicklung Alfred Müller-Armacks nach und eröffnet damit neue Perspektiven sowohl auf das Schaffen des Ökonomen als auch auf den öffentlichen Umgang damit. Es ist in der Reihe des Universitätsarchivs der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster erschienen.

War Alfred Müller-Armack ein Nationalsozialist? „Auf diese zugespitzt gestellte Frage gibt es keine einfache, in der Summe aber doch eine klare Antwort“, schildert Autor Prof. Dr. Thomas Großbölting, der bis Juli 2020 Professor für Neuere und Neuste Geschichte am Historischen Seminar der WWU war und nun als Direktor der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg arbeitet. „Alfred Müller-Armack reiht sich in die große Gruppe der universitären Mitläufer und Mittäter ein.“ Im Mai 1933 trat der Ökonom der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) bei. Im selben Jahr publizierte er mit „Staatsidee und Wirtschaftsordnung im neuen Reich“ ein Buch, in dem er den italienischen Faschismus und den deutschen Nationalismus als die dem Wirtschaftsgeschehen der Zeit angemessene Staatsform feierte. Der Ökonom setzte in seiner Gesellschaftskonzeption auf eine autoritäre und anti-plurale Staatsführung. In einem totalen Staat, betonte Alfred Müller-Armack, habe sich „die Wirtschaft dem Vollzug des völkischen Willens unterzuordnen“. Die berufliche Karriere von Alfred Müller-Armack habe „parallel zur Etablierung des Nationalsozialismus Fahrt aufgenommen“, betont Thomas Großbölting. Nach seiner Berufung zum Professor gründete Alfred Müller-Armack 1941 die Forschungsstelle für allgemeine und textile Marktwirtschaft (FATM) an der Universität Münster. Die FATM fertigte im Auftrag staatlicher Behörden und für die Wehrmacht Studien an, die vor allem Wissen um die Warenbewirtschaftung erarbeiteten.

Die Frage nach der politischen Haltung und der daraus resultierenden Praxis zieht sich auch über das Ende des Nationalsozialismus hinaus: Das Kriegsende im Jahr 1945 und die nachfolgende Besatzungszeit hatten für Alfred Müller-Armack keinen Bruch zur Folge. Stattdessen arbeitete der Ökonom nahezu nahtlos weiter und dehnte seinen Wirkungskreis deutlich aus. In der frühen Bundesrepublik begann er eine Laufbahn als Ministerialmitarbeiter und politischer Beamter. Von 1958 bis 1963 war er Staatssekretär für europäische Angelegenheiten. Die Grundlage für diesen Schritt bildete der zweite Teil seiner 1946 publizierten Schrift „Wirtschaftslenkung und Marktwirtschaft“, die den bezeichnenden Titel „Soziale Marktwirtschaft“ trug. „Bereits seit den 1950er-Jahren hatte in der Bundesrepublik die ‚Stunde der Ökonomen‘ eingesetzt“, erläutert Thomas Großbölting. „Fragen nach möglichen Verstrickungen in die NS-Diktatur wurden rasch abgeschmettert. Erst Jahrzehnte später setzte die Erforschung der Rolle der Wissenschaft im Nationalsozialismus ein.“

Alfred Müller-Armack in Ludwig-Erhard-Pose inklusive der ikonischen Zigarre – der Ökonom war eine schillernde Persönlichkeit.<address>© Aschendorff Verlag</address>
Alfred Müller-Armack in Ludwig-Erhard-Pose inklusive der ikonischen Zigarre – der Ökonom war eine schillernde Persönlichkeit.
© Aschendorff Verlag
Alfred Müller-Armack äußerte sich nur zweimal und dabei äußerst knapp zu seiner Tätigkeit in der Diktatur von 1933 bis 1945. „Eine ernsthafte Selbstreflexion Alfred Müller-Armacks findet sich in der zugänglichen Überlieferung nicht“, unterstreicht Thomas Großbölting. „Das Verhalten des Ökonomen im und nach dem Nationalsozialismus lassen ihn nicht als eine Person erscheinen, die einen Vorbildcharakter für heute oder für die Zukunft hat.“

Originalpublikation

Großbölting, Thomas: Alfred Müller-Armack – die politische Biografie eines Ökonomen (Veröffentlichungen des Universitätsarchivs Münster, 17), Münster 2023. 93 Seiten, 29 Euro. ISBN 978-3-402-15903-3.

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