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Münster (upm/ab).
Prof. Dr. Thomas Hoeren<address>© Wolfgang Borrs</address>
Prof. Dr. Thomas Hoeren
© Wolfgang Borrs

„Wir sollten diese Werkzeuge nicht verteufeln“

Jurist Prof. Dr. Thomas Hoeren spricht im Interview über die rechtlichen Aspekte rund um ChatGPT

Die Nutzung von ChatGPT wirft viele rechtliche Fragen auf. Der Jurist Prof. Dr. Thomas Hoeren vom Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der Universität Münster erläutert im Interview mit Alice Büsch, was bei der Nutzung zu beachten ist und welche Herausforderungen auf die Hochschulen zukommen.

Sind die von ChatGPT generierten Texte urheberrechtlich geschützt?

Nein. Werke, die von Künstlicher Intelligenz (KI) erschaffen wurden, sind nicht urheberrechtlich geschützt. In Deutschland unterliegen nur solche Werke dem Urheberrecht, die natürliche Personen erschaffen haben. Es muss sich also um eine menschliche Schöpfung handeln. Man kann sagen: Im Bereich der KI gibt es keinen Urheber mehr.

Also kann ich ChatGPT-Texte bedenkenlos nutzen?

Es besteht zwar kein Urheberrecht an den generierten Texten. Trotzdem lautet die Antwort: nein. Denn es besteht das Risiko, dass in den generierten Texten sensible Daten und Informationen vorkommen oder auch, dass falsche Informationen verbreitet werden. Die Nutzer sind deshalb dazu verpflichtet, den Text vor der Verwendung auf mögliche datenschutzrechtliche Verstöße zu überprüfen.

ChatGPT und andere KI-Modelle basieren auf einer riesigen Menge an Daten, die mittels sogenanntem Data Mining erfasst werden. Ist das rechtlich zulässig?

Das Mining und die Vervielfältigung der Daten sind zulässig, wenn es sich um rechtmäßig zugängliche Werke handelt. Das ist zum Beispiel bei Daten der Fall, die unter Open-Access-Bedingungen veröffentlicht wurden. Auch quantitative Daten zum Beispiel aus der Naturwissenschaft haben oft keinen urheberrechtlichen Schutz. Für das kommerzielle Mining gibt es übrigens keine Vergütungspflicht zugunsten des Urhebers.

Was kann ich tun, wenn ich nicht möchte, dass mein Werk beim Data Mining erfasst wird?

Der Urheber kann die Nutzungsrechte an seinem Werk einschränken. Das muss in maschinenlesbarer Form erfolgen. Ein Ausdruck auf Papier oder ein PDF-Dokument reicht nicht aus. Viele nutzen dafür einen Schutz mithilfe des beliebten Werkzeugs ,Digital Rights Management‘.

Auch wenn wir noch am Anfang der Entwicklung stehen – welche Auswirkungen haben KI-Modelle wie ChatGPT schon heute auf die Hochschullandschaft?

Prüflinge können ChatGPT-Texte absichtlich betrügerisch oder täuschend einsetzen und als eigene geistige Schöpfung ausgeben. Natürlich können wir unsere Prüfungsordnungen um einen Passus ergänzen, der die Nutzung KI-basierter Texte untersagt. Zusätzlich sollten wir KI-Tools in der Lehre thematisieren und den Umgang mit ihnen in den Unterricht einbeziehen.

Können die Dozenten denn nicht auch überprüfen, ob es sich um einen selbst verfassten oder einen KI-Text handelt?

Dafür gibt es sehr gute kostenfreie Tools, die das zuverlässig erkennen, zum Beispiel GPTZeroX. Das ist ein Erkennungstool, das speziell für Lehrende entwickelt wurde. Auch ich habe es schon genutzt. Es hat sogar bei Texten, die zum Teil selbst verfasst waren und zum Teil aus KI-Inhalten bestanden, zuverlässig die entsprechenden Textpassagen ermittelt.

An den Hochschulen ist die Sorge vor Täuschungen groß, aber Sie machen diesbezüglich einen sehr gelassenen Eindruck.

Man kann die technische Entwicklung nicht aufhalten. Wir müssen einen Umgang mit diesen Werkzeugen finden, anstatt sie zu verteufeln.

 

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 2, 29. März 2023.

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