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Münster (upm).
Drei Wissenschaftlerinnen und ein Wissenschaftler der WWU geben Einblicke in ihren Arbeitsalltag mit nicht-demokratischen Partnern<address>© WWU - privat, Khorchide, Karberg</address>
© WWU - privat, Khorchide, Karberg

Weltweite Kooperationen mit Hindernissen

Drei Wissenschaftlerinnen und ein Wissenschaftler der WWU geben Einblicke in ihren Arbeitsalltag mit nicht-demokratischen Partnern

Die Germanistin Prof. Dr. Susanne Günthner, die Biologin Prof. Dr. Eva Liebau, der Islamwissenschaftler Prof. Dr. Mouhanad Khorchide und die Archäologin Prof. Dr. Angelika Lohwasser arbeiten mit nicht-demokratischen Partnern zusammen. In ihren Gastbeiträgen geben die Wissenschaftlerinnen und der Wissenschaftler der WWU einen Einblick in ihren Arbeitsalltag.

Susanne Günthner pflegt seit den 1980er-Jahren den wissenschaftlichen Austausch mit chinesischen Universitäten und besucht China regelmäßig.<address>© privat</address>
Susanne Günthner pflegt seit den 1980er-Jahren den wissenschaftlichen Austausch mit chinesischen Universitäten und besucht China regelmäßig.
© privat
Nach Beendigung meines Studiums habe ich in den 1980er-Jahren für vier Jahre als DAAD-Lektorin an der Shanghai-Jiao-Tong-Universität, der Fremdsprachenuniversität in Guangzhou sowie der Tongji-Universität in Shanghai gearbeitet. Nach diesem mehrjährigen Aufenthalt an verschiedenen chinesischen Hochschulen und nach meiner Promotion zur interkulturellen Kommunikation Chinesisch-Deutsch war ich regelmäßig als Gastwissenschaftlerin an verschiedenen Universitäten in China tätig. Seit ich 2001 den Lehrstuhl für deutsche Philologie an der WWU übernommen habe, habe ich meine wissenschaftlichen Kontakte mit chinesischen Germanistikabteilungen fortgesetzt. Seit 2017 leite ich die vom Deutschen Akademischen Austauschdienst finanzierte germanistische Institutspartnerschaft zwischen der Universität Münster und der Xi‘an International Studies University im Nordwesten Chinas. Ein wichtiger Teil dieser engen Kooperation, die aktuell ausläuft, ist der Studierendenaustausch zwischen Münster und Xi‘an. Ferner arbeiten die Kolleginnen und Kollegen sowie die Doktorandinnen und Doktoranden aus beiden Ländern zusammen an Forschungsprojekten, insbesondere zu kontrastiven Studien Chinesisch-Deutsch. Eng mit dieser Forschung verbunden sind einige sowohl in Xi‘an als auch in Münster durchgeführte Kolloquien und Konferenzen wie auch gemeinsame Publikationen und Sammelbände. Die sprach- und kulturübergreifende Zusammenarbeit bietet für beide Seiten enorme Chancen: China ist gerade für die Germanistik ein wichtiges Land, da dort die Nachfrage nach der Fremdsprache Deutsch in den vergangenen 30 Jahren stark gestiegen ist.

Selbstverständlich gibt es auch Risiken: In den vergangenen zehn Jahren ist eine stetig steigende Politisierung des Alltags – auch des Uni-Alltags – zu beobachten. Bislang war Konsens, dass es eher heikel ist, die sogenannten „drei T-Themen“ – Tibet, Tiananmen und Taiwan – offen mit den Studierenden zu besprechen. Doch mittlerweile werden auch Abstracts bei Tagungen, Lehrmaterialien und Publikationen „kontrolliert“ – auch in den Geisteswissenschaften.

Ich hoffe sehr, dass die Kommunikation zwischen der deutschen Hochschulkultur und China nicht abbricht und wir trotz bestehender Konflikte im wissenschaftlichen und persönlichen Kontakt mit diesem faszinierenden Land, seiner Kultur und seinen Menschen bleiben.

Prof. Dr. Susanne Günthner lehrt und forscht am Germanistischen Institut.

 

Eva Liebau (l.) liegt es am Herzen, afrikanische Wissenschaftlerinnen wie Dr. Emelia Oppong Bekoe – die an der WWU promoviert hat – zu fördern.<address>© privat</address>
Eva Liebau (l.) liegt es am Herzen, afrikanische Wissenschaftlerinnen wie Dr. Emelia Oppong Bekoe – die an der WWU promoviert hat – zu fördern.
© privat
Vor meinem Ruf an die Universität Münster war ich am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg tätig und war im Rahmen meiner Forschungsarbeit häufig mit afrikanischen Kolleginnen und Kollegen in Kontakt. Auch an der WWU fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft bis heute unsere deutsch-afrikanischen Kooperationsprojekte in der Infektiologie.

Der Hauptgrund meiner erfolgreichen Zusammenarbeit mit der Universität Ngaoundéré in Kamerun ist ein persönlicher: Der dortige Prodekan der Lebenswissenschaften Prof. Dr. Dieudonné Ndjonka und ich haben den gleichen Doktorvater, und wir wertschätzen und vertrauen uns gegenseitig. Durch seinen mehrjährigen Aufenthalt in Deutschland hat er unsere Forschungswirklichkeit kennengelernt und weiß, was bei Drittmittelanträgen erwartet wird und was nicht. Auf der anderen Seite kann er sich sicher sein, dass die von ihm zu uns nach Münster entsandten jungen Wissenschaftler an neuen Geräten, die im Rahmen unseres Projekts nach Kamerun verschickt werden, fachgerecht ausgebildet werden.

Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist für mich das Wichtigste an der Zusammenarbeit mit Kamerun. Fast ausnahmslos handelt es sich für sie um ihren ersten Auslandsaufenthalt, der sie prägen wird. Ob positiv oder negativ liegt größtenteils in meiner Verantwortung, zumindest was das wissenschaftliche Arbeiten betrifft. Ich dränge immer darauf, mir junge Wissenschaftlerinnen zu schicken, die nach wie vor – bedingt durch finanzielle Abhängigkeit, Tabus und alte Traditionen – unter dem Joch der männlichen Dominanz leiden. Als junge Professorin habe ich die Erfahrung gemacht, von Kollegen in Kamerun nicht ernst genommen zu werden, nur weil ich eine Frau bin. Das wissenschaftliche Arbeiten wird in Kamerun durch nicht planbare Ereignisse erschwert. Das Land leidet unter einer hohen Armutsrate, einem angeschlagenen Bildungs- und Gesundheitssystem, der Korruption und verschiedenen internen Konflikten, die die nationale Sicherheit gefährden. Aufgrund seiner kolonialen Vergangenheit ist Kamerun mit Französisch und Englisch sprachlich zweigeteilt. Da ich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus beiden Teilen aufnehme und die Wissenschaftssprache Englisch ist, müssen die frankophonen Kameruner oft die ernüchternde Erfahrung einer Benachteiligung machen. Spannungen zwischen franko- und anglophonen Wissenschaftlern aus Kamerun habe ich jedoch niemals erlebt.

Prof. Dr. Eva Liebau leitet das Institut für Integrative Zellbiologie und Physiologie.

 

Mouhanad Khorchide (l.) tauschte sich 2019 mit dem ägyptischen Religionsminister Dr. Mohammed Mokhtar Guma über Kooperationen aus.<address>© Khorchide</address>
Mouhanad Khorchide (l.) tauschte sich 2019 mit dem ägyptischen Religionsminister Dr. Mohammed Mokhtar Guma über Kooperationen aus.
© Khorchide
Wenn man mit Ländern wie Ägypten zusammenarbeitet, sitzt man regelrecht zwischen zwei Stühlen, denn es treffen unterschiedliche Positionen aufeinander, die größtenteils in einem starken Spannungsfeld zueinanderstehen. Es ist kein Geheimnis, dass das Land nicht gerade demokratisch regiert wird. Daher werde ich immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert, dass ich mit einem Regime zusammenarbeite, dem man eine Militärdiktatur vorwirft. Oppositionelle in Ägypten werfen einem Verrat vor, Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren sowie Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler an staatlichen akademischen Institutionen sind hingegen äußerst dankbar, dass sie nicht isoliert werden und durch unsere Kooperation in Form von Tagungen und gemeinsamen Publikationen eine Bühne bekommen, um ihre liberalen Haltungen zum Ausdruck zu bringen. Und ich muss meinen deutschen Kolleginnen und Kollegen immer wieder erklären, dass wir, wenn wir mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Ägypten kooperieren, nicht mit dem Regime zusammenarbeiten, sondern bemüht sind, gerade denen eine Stimme zu geben, die dort kaum Gehör finden, weil sie in ihrer theologischen Arbeit als zu liberal beziehungsweise zu progressiv gelten.

Hinzu kommt, dass Ägypten – wie einige andere arabische Länder – in jüngster Zeit stark gegen den Islamismus vorgehen und man dort nach Alternativverständnissen des Islams jenseits einer fundamentalistischen Auslegung sucht. Deshalb bekomme auch ich mit meiner weltoffenen Lesart des Islams eine große Bühne in Ägypten, die staatlich gewollt ist und zwar im Kampf gegen den Islamismus und Extremismus.

Ich gebe zu, dass mein akademisches und privates Leben sehr viel entspannter wären, wenn ich mich für die bequemere Variante entschieden und auf jegliche Kooperation mit Ägypten und anderen arabischen Ländern verzichtet hätte. Da ich allerdings meinen Beruf als eine Art Berufung im Sinne der Aufklärung und des Friedens verstehe, sehe ich die dringliche Notwendigkeit, meine Kollegen vor Ort nicht im Stich zu lassen und alles zu versuchen, um demokratische Strukturen „von innen“ sukzessive zu etablieren.

Prof. Dr. Mouhanad Khorchide leitet das Zentrum für Islamische Theologie.

 

Angelika Lohwasser – hier mit ihrem langjährigen Inspektor Mohammed el Toum – ist immer wieder für Ausgrabungen im Sudan.<address>© Karberg</address>
Angelika Lohwasser – hier mit ihrem langjährigen Inspektor Mohammed el Toum – ist immer wieder für Ausgrabungen im Sudan.
© Karberg
Wie in jedem anderen Land auch ist für eine Ausgrabung im Sudan eine Grabungslizenz für ein bestimmtes Gebiet erforderlich, die der Antikendienst ausstellt. Nach einem schriftlichen Antrag, den man vorab mittels E-Mail stellen kann, trifft man den Generaldirektor – bis vor kurzem die Generaldirektorin – des sudanesischen Antikendienstes zu einem persönlichen Gespräch. Dabei geht es um die Planung der Arbeiten, beispielsweise die Ausfuhr von Funden zu Forschungszwecken und alles, was aktuell anliegt. Die Ausgrabung selbst wird dann von einem Inspektor des Antikendienstes begleitet, eine ausgebildete Archäologin oder ein ausgebildeter Archäologe. Deren Aufgabe besteht vor allem in der Unterstützung bei allen administrativen Angelegenheiten vor Ort, wie die Kommunikation mit den Arbeitern und Vorbereitung der bürokratischen Schritte bei Ausfuhren. Das Potenzial liegt in der Zusammenarbeit mit interessanten Personen und dem Austausch zwischen unterschiedlichen Kulturen, Gesellschaftssystemen und Wertvorstellungen – zum Beispiel genießt die Familie und die gegenseitige Unterstützung im Sudan einen viel höheren Stellenwert als bei uns.

Die Zusammenarbeit war bis jetzt problemlos, wobei der Antikendienst als Regierungsinstitution zwar einem Ministerium untersteht, dort jedoch wenig Aufmerksamkeit erfährt. Die Diskussion von politischen Fragen ist aber naturgemäß sehr sensibel, die ich nur mit engen Vertrauten führe. Das Risiko bei der Arbeit in einem so instabilen Staat liegt auf der Hand: Man muss gegebenenfalls sehr flexibel reagieren können und die Planung entsprechend offenhalten. Der politische Umsturz 2019, der das Ende der Diktatur von Omar al-Bashir gebracht hat, und der Coup von 2021, der die Übergangsregierung torpedierte, zeigen die Bandbreite der möglichen Unsicherheiten. Dies betrifft auch die Regularien, die sich schnell ändern können – die vor vielen Jahren abgeschafften Genehmigungen zum Verlassen der Hauptstadt Khartoum wurden plötzlich wieder eingeführt, zunächst fühlte sich aber keine Behörde für ausländische Gäste zuständig ... Zuletzt klappt dann aber doch irgendwie alles, nur nicht auf dem geraden Weg. Die Maxime ist daher immer: Geduld und Flexibilität.

Prof. Dr. Angelika Lohwasser ist geschäftsführende Direktorin des Instituts für Ägyptologie und Koptologie.

 

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 2, 29. März 2023.

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