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Münster (upm/nor).
Prof. Dr. Ahmad Milad Karimi<address>© WWU - Peter Grewer</address>
Prof. Dr. Ahmad Milad Karimi
© WWU - Peter Grewer

Ahmad Milad Karimi im Interview über Frieden und Gewalt

„Ich habe gelernt, selbst Frieden zu sein“

Können wir als Individuen die Welt friedlicher machen? Das geht sehr wohl, betont der stellvertretende Leiter des Zentrums für Islamische Theologie der Universität Münster, Prof. Dr. Ahmad Milad Karimi. Jeder Mensch könne Frieden leben und weitergeben. Norbert Robers sprach mit dem Philosophen über sein neues Buch „Frieden stiften, Frieden sein“, das er mit dem Benediktinermönch Anselm Grün geschrieben hat.

 

Sie appellieren an jeden Einzelnen, den Frieden zu leben. Das klingt in Zeiten des Ukraine-Kriegs etwas naiv ...

Ja, weil der Frieden in uns selbst beginnt. Es wird nicht reichen, nur theoretisch für den Frieden zu sein. Wir müssen aktiv für den Frieden eintreten, wir brauchen eine Friedenskultur. Wo lernen junge Menschen denn heute, wie Frieden überhaupt zu erreichen ist? Dafür reichen der übliche Religions- und Ethik-Unterricht nicht. Ich wäre sehr dafür, ein Schulfach ,Frieden‘ einzuführen. Wir müssen junge Menschen aktiv dazu befähigen, gegen Gewalt und für den Frieden einzutreten. Sie müssen lernen, dass man nie Frieden mit seinem Freund, sondern mit seinem Feind schließt, auf den man zugehen muss – und das ist erfahrungsgemäß nicht einfach. Selbst die Friedensforschung behandelt den Frieden nur als Abwesenheit von Gewalt.

Sie schreiben, dass Krieg auch seine Ursache darin hat, dass Menschen mit sich im Unfrieden sind. Gilt das auch für den russischen Präsidenten Wladimir Putin?

Derartige Konflikte machen auch mich fassungslos. Wladimir Putin lügt und manipuliert – und das lässt sich auch mit meinen Ansätzen nicht lösen. Aber seine Ideen und Entscheidungen haben auch damit zu tun, wie er sich selbst und die Welt betrachtet. Wir müssen gerade wegen derartiger Konflikte konsequent unsere Erziehung überdenken und besonders jungen Menschen Auswege aus ihren Gewaltfantasien anbieten. Man sollte in diesem Zusammenhang auch immer wieder den Punkt der Gerechtigkeit ansprechen – es gibt keinen ungerechten Frieden, sondern nur einen ungerechten Krieg.

Sie haben das Buch als Muslim mit dem Christen Anselm Grün geschrieben. Was mir dabei unter anderem in den Sinn kam: Es gab in der Geschichte unendlich viel Gewalt und Kriege im Namen der Religionen ...

Religionen sind ambivalente Gebilde. Es wäre naiv zu sagen, dass der Islam eine friedvolle Religion ist. Aber er ist eben auch keine gewalttätige Religion. Man kann aus dem Islam beides machen ...

... was für das Christentum ebenfalls gilt.

So ist es. In der Geschichte existierten beide Varianten. Ich stehe wie viele andere Muslime auch dafür, dass Tötungen und jede Form von Gewalt mit meiner Religion nicht vereinbar sind.

Die Medien sind tagtäglich voll mit Meldungen über Gewalt und Krieg. Viele Menschen sind deswegen sicher desillusioniert. Woher nehmen Sie vor diesem Hintergrund Ihre Zuversicht?

Aus meiner Biografie. Ich bin in Afghanistan geboren, ich bin ein Kind des Krieges, der Krieg hat mich gezeichnet. Meine heutige Haltung ist der Beweis dafür, dass das Leben trotzdem gelingen kann. Ich habe mich mit meiner Religion beschäftigt. Vor allem aber: Ich habe gelernt, den Frieden zu kultivieren, also nicht nur Frieden zu wollen und zu predigen, sondern selbst Frieden zu sein.

 

Publikationen:

Anselm Grün, Ahmad Milad Karimi: Frieden stiften, Frieden sein, Vier-Türme-Verlag, 144 Seiten, 22 Euro.

Neu auch: Ahmad Milad Karimi: Maradona und das göttliche Spiel, Patmos, 127 Seiten, 15 Euro.

 

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 2, 29. März 2023.

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