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Münster (upm).
Die Lehre an der Universität hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt.<address>© Unsplash - John Schnobrich</address>
Die Lehre an der Universität hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt.
© Unsplash - John Schnobrich

Von Plastikfolien zu Streaming-Angeboten

Der Blick nach vorn: Herbert Kuchen über den Wandel in der heutigen Lehre

Seit dem Beginn meiner Arbeit am Institut für Wirtschaftsinformatik im Jahr 1997 hat sich die Lehre an der Universität Münster erheblich gewandelt. Damals wurden oft (Plastik-)Folien auf Tageslichtprojektoren aufgelegt, während heute Inhalte zumeist über Powerpoint- oder LaTeX-Präsentationen mit Hilfe eines Beamers an die Wand geworfen werden. Nach wie vor gibt es an einigen Fachbereichen aber auch Vorlesungen mit Tafel und Kreide oder ohne jegliche optische Unterstützung. Lehrmaterialien wurden oft in Form von zumeist käuflich erwerbbaren Skripten zugänglich gemacht, während dies heute weitestgehend digital und kostenlos über das Learning-Management-System Learnweb erfolgt. Das Learnweb bietet viele andere Funktionen, die es um die Jahrtausendwende noch nicht gab, etwa Diskussionsforen und Foren für Ankündigungen. Lösungen von Übungsaufgaben werden heute nicht mehr in Briefkästen geworfen, sondern können elektronisch über das Learnweb abgegeben und dort digital korrigiert und bewertet werden. Im Falle von Java- oder Haskell-Programmieraufgaben und teilweise auch bei mathematischen Beweisen erfolgt heute in meinen Veranstaltungen die Korrektur automatisch über Learnweb-Plugins.

Durch Corona kam ab 2019 die Umstellung vieler Veranstaltungen von Präsenz auf Streaming oder Videos beispielsweise mithilfe von Tools wie Zoom auf. Auch heute drängen viele Studierende darauf, dass Veranstaltungen hybrid angeboten werden und es daher neben Präsenzveranstaltungen weiterhin Streaming- oder Videoangebote gibt. Dies schützt nicht nur die Gesundheit von gefährdeten Gruppen – es ist auch für Studierende mit Kindern oder für Werkstudenten von Vorteil. Es hat aber auch zu einem erheblichen Rückgang der Besucherzahlen in Präsenzveranstaltungen geführt, der für die Lehrenden teilweise demotivierend ist.

In den Spitzenzeiten der Coronapandemie wurden auch Klausuren digital über Zoom geschrieben und beaufsichtigt. Nach meiner Erfahrung hat dies zu erhöhtem Schummeln geführt. Häufiger als vorher gab es nahezu identische Lösungen bei mehreren Studierenden. Die Umstellung auf Online-Klausuren machte es erforderlich, von Closed-Book- zu Open-Book-Klausuren überzugehen, da sich das Nachschlagen in Unterlagen bei einer Klausurbeaufsichtigung über Zoom nicht verhindern lässt. Auch vor der Pandemie wurden einzelne Klausuren elektronisch beispielsweise über das System L-Plus geschrieben und automatisch vorkorrigiert. L-Plus erlaubt es, neben Single- und Multiple-Choice-Aufgaben auch Aufgaben mit Freitextfeldern und Drag-und-Drop-Aufgaben zu stellen. Kreative Prüfungsleistungen lassen sich hiermit kaum umsetzen.

Prof. Dr. Herbert Kuchen<address>© Studio Wiegel</address>
Prof. Dr. Herbert Kuchen
© Studio Wiegel
Noch einschneidender als diese Digitalisierungsentwicklung war die Umstellung von Diplom- auf Bachelor- und Masterstudiengänge. Da Bachelorstudiengänge berufsqualifizierend sein sollen, mussten alle Veranstaltungen, die für einen Berufseinstieg erforderlich waren, in diese Studiengänge verschoben werden. Masterveranstaltungen bekamen dadurch einen eher vertiefenden Charakter. Während früher Hochschulwechsel die Ausnahme waren, wechseln heute viele Studierende nach dem Bachelor an eine andere Universität. Dies hat zur Folge, dass man als Dozent nicht mehr davon ausgehen kann, dass den Masterstudierenden alle Inhalte des lokalen Bachelorstudiengangs bekannt sind. Stattdessen müssen Bachelor-Inhalte teilweise im Masterstudiengang wiederholt werden.

 

Autor Dr. Herbert Kuchen ist Professor für Praktische Informatik in der Wirtschaft am Institut für Wirtschaftsinformatik der WWU sowie Mitglied im Vorstand des Zentrums für Hochschullehre.

 

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 1, 2. Februar 2023. Er ist Teil einer Themenseite zum 250-jährigen Vorlesungsbeginn an der Universität Münster.

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