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Münster (upm/ch).
Prof. Dr. Hans-Ulrich Humpf, Dr. Benedikt Cramer und Doktorandin Amelie Frank (v. l.) am neuen Massenspektrometer: Mit diesem Gerät kann das Team besonders geringe Mengen von Schimmelpilzgiften und anderen Substanzen nachweisen.<address>© WWU - Peter Leßmann</address>
Prof. Dr. Hans-Ulrich Humpf, Dr. Benedikt Cramer und Doktorandin Amelie Frank (v. l.) am neuen Massenspektrometer: Mit diesem Gerät kann das Team besonders geringe Mengen von Schimmelpilzgiften und anderen Substanzen nachweisen.
© WWU - Peter Leßmann

Urin verrät unsere Essgewohnheiten

Lebensmittelchemiker um Hans-Ulrich Humpf suchen mit Biomarkern nach Hinweisen auf die Ernährung

Dass sich anhand des Urins nachweisen lässt, ob Menschen beispielsweise an einer Infektion der Harnwege leiden oder illegale Drogen konsumiert haben, ist bekannt. Doch es gibt noch viele weitere Spuren, die sich dort finden lassen – wenn man sie lesen kann. Die Entwicklung und Verfeinerung von Techniken, um Hinweise auf die Ernährung sowie auf Schadstoffe aus dem menschlichen Urin zu erhalten, ist eines der Steckenpferde von Lebensmittelchemiker Prof. Dr. Hans-Ulrich Humpf und seiner Arbeitsgruppe an der WWU. „Im Urin finden sich zahllose Stoffwechselprodukte, die etwas über die Umwelt eines Menschen sagen – beispielsweise, ob er Schadstoffen wie Mykotoxinen, also Schimmelpilzgiften, ausgesetzt ist“, sagt Mitarbeiter Dr. Benedikt Cramer.

Um Rückschlüsse auf Umweltfaktoren ziehen zu können, müssen die Forscher zunächst sogenannte Biomarker identifizieren. Diese Moleküle können im Urin oder beispielsweise auch im Blut per Massenspektrometrie nachgewiesen werden. Sie geben Hinweise auf die über die Nahrung aufgenommenen Substanzen, aus denen sie stammen. Die Herausforderung besteht darin, passgenaue Biomarker zu finden, die einer bestimmten Ausgangssubstanz – und nur dieser – zuzuordnen sind.

Hans-Ulrich Humpf und sein Team sind für ihre Expertise gefragt und an internationalen Projekten beteiligt. So untersuchen sie beispielsweise Urin- und Blutproben von Müttern und ihren Neugeborenen aus Simbabwe im Rahmen eines Projekts unter Koordination der US-amerikanischen Cornell-Universität. Kinder in Simbabwe leiden auffällig häufig unter Entwicklungsverzögerungen. Das internationale Forschungsteam möchte die Ursachen dafür herausfinden. Infrage kommen unter anderem bestimmte Schimmelpilzgifte im Mais wie Fumonisine und Aflatoxine. Sie werden von den Müttern aufgenommen und über die Muttermilch an die Säuglinge weitergegeben beziehungsweise stammen aus Maisbrei, der schon früh zugefüttert wird. Das münstersche Team hat in den vergangenen Jahren bereits mehrere Tausend Proben auf die entsprechenden Mykotoxin-Biomarker hin untersucht.

Im Zuge eines anderen Projekts analysieren die Lebensmittelchemiker, welche Schimmelpilzgifte in Reis und Gewürzen in Bangladesch verbreitet sind. „In Entwicklungsländern ist die Situation besonders herausfordernd“, betont Hans-Ulrich Humpf. „Während die Lebensmittelkontrollen in Europa für Sicherheit sorgen und verhältnismäßig wenige mit Mykotoxinen belastete Nahrungsmittel in den Handel gelangen, sind die Menschen in jenen Ländern teils regelmäßigen und höheren Belastungen ausgesetzt.“ Allerdings stellt sich die Frage, ob bereits sehr geringe Konzentrationen an Mykotoxinen schädlich sein können, wenn Menschen beispielsweise über einen längeren Zeitraum regelmäßig von dem belasteten Produkt essen. „Das Problem ist, diese Substanzen nachzuweisen, wenn die Spuren extrem gering sind“, beschreibt Benedikt Cramer. Die Nachweisgrenze sinkt mit dem Fortschritt der Technik. Das neue Massenspektrometer in der AG Humpf beispielsweise ist etwa fünfmal empfindlicher als das Vorgängermodell und kann Vorkommen von Schimmelpilzgiften nachweisen, die zuvor nicht erfasst wurden.

Neben den Schimmelpilzgiften widmet sich das Team von Hans-Ulrich Humpf auch einer anderen Art von Spuren im Urin. Doktorandin Amelie Frank schildert, worum es geht: „Über den Urin lässt sich einiges darüber aussagen, wie sich ein Mensch ernährt. Isst er viel Fleisch oder bevorzugt er Getreide? Ernährt er sich gesund mit viel frischem Obst und Gemüse? Spuren der verzehrten Lebensmittel lassen sich in der Regel zehn bis 24 Stunden nachweisen. Das könnte zum Beispiel sehr interessant für Ärzte sein, die sich ein möglichst genaues Bild vom Gesundheitszustand ihrer Patienten machen müssen.“ Bei Ernährungstagebüchern, vermutet die Lebensmittelchemikerin, werde zum Teil geschummelt, und manche Patienten seien schlicht nicht in der Lage, derartige Tagebücher zu führen. Stattdessen könnte eine regelmäßige Urinuntersuchung ein zutreffenderes Bild zeichnen.

Bislang gibt es einige Hundert bekannte Biomarker, um einen bestimmten Lebensmittelverzehr nachzuweisen. Allerdings, so Amelie Frank, seien viele der in der Literatur vorgestellten Biomarker nicht auf ihre Tauglichkeit geprüft oder sie seien nicht anwendbar, weil sie nicht zuverlässig nur einem einzelnen Lebensmittel oder zumindest einer kleinen Gruppe eng verwandter Früchte oder Ähnlichem zuzuordnen seien. Amelie Frank sucht daher nach Biomarkern, mit denen sich der Verzehr von Äpfeln, Zitrusfrüchten, Tomaten und Paprika eindeutig nachweisen lässt. „Ein routinemäßiger Einsatz in der Praxis ist zwar noch fern, aber die Vision einer möglichen Anwendung ist da“, betont die Doktorandin.

Autorin: Christina Hoppenbrock

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 7, 16. November 2022.

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