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Münster (upm/kk)
Mit einer Virtual-Reality-Brille (VR-Brille) tauchen Spielerinnen und Spieler in computergenerierte 3D-Welten ein.© WWU - Peter Leßmann
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Spielerisch in 3D-Welten eintauchen

Teil 7 der Labor-Serie: Im Virtual Reality und GameLab untersuchen Wissenschaftler Nutzung und Wirkung technologischer Innovationen

Steigt man die Treppe des Backsteingebäudes in der Georgskommende 14 bis unters Dach, eröffnet sich am Ende eines mit blauem Linoleum ausgelegten Ganges der Traum eines jeden Computerspielers. Hinter zwei grauen unscheinbaren Türen hat der Arbeitsbereich von Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Thorsten Quandt das „Virtual Reality und GameLab“ aufgebaut. Neben mehreren leistungsfähigen Standrechnern für diverse Computerspiele befindet sich ein großer Fernseher im hinteren Teil des Raumes, um diverse gängige Spielekonsolen wie eine Playstation oder XBox anzuschließen. In einem großen Tresorschrank stapeln sich zudem Virtual-Reality-Brillen (VR-Brillen) unterschiedlicher Hersteller, mit denen Spielerinnen und Spieler komplett in computergenerierte 3D-Welten eintauchen können.

„Games haben sich von einem Nischenhobby zu einem Mainstreamphänomen entwickelt“, stellt Thorsten Quandt fest. „Dementsprechend gewinnt auch die Frage nach der Nutzung und Wirkung von Games zunehmend gesellschaftliche Relevanz.“ Denn was in einer Universität zunächst unterhaltsam und skurril anmutet, hat einen ernstzunehmenden wissenschaftlichen Hintergrund. „In diesem Forschungsbereich geht es natürlich unter anderem um das vieldiskutierte Thema Games und aggressives Verhalten“ erklärt Dr. Felix Reer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kommunikationswissenschaft. „Aber auch das Thema Computerspielsucht ist noch einmal stärker in den Fokus gerückt, seit die Weltgesundheitsorganisation kürzlich eine offizielle Anerkennung von ‚Gaming Disorder‘ beschlossen hat.“

Medieninnovationen wie Virtual Reality haben der Kommunikationswissenschaft zudem ganz neue Forschungsfelder eröffnet. Untersucht wird im GameLab zum Beispiel, ob das stark involvierende Erlebnis, dass VR-Inhalte bieten können, bei Nutzern mehr Empathie auslöst und als authentischer erlebt wird als klassische journalistische Formate. Gemeinsam mit Studierenden erforscht das Team darüber hinaus auch die Unterhaltsamkeit oder das Erholungspotenzial von Games. Mittlerweile kann man in dem Labor daher nicht nur mittels VR-Brille in die Wälder des Rollenspiels „Skyrim“ eintauchen oder gemeinsam mit R2D2 gegen Stormtrooper kämpfen: Für das ultimative Spielerlebnis gibt es in dem Labor seit einiger Zeit das „Virtuix Omni VR-Laufband“. Es erlaubt den Spielern, sich nicht mehr mittels Cursor durch die digitale Welt bewegen zu müssen, sondern dank spezieller Schuhe durch tatsächliche Laufbewegungen im Spiel navigieren zu können.

Neben all der futuristisch anmutenden Technik wirkt der Kickertisch mitten im Labor und das rote Sofa dagegen fast ein bisschen aus der Zeit gefallen. Beides diene jedoch nicht dazu, dass sich das Team im Labor entspannt und gut unterhalten die Zeit vertreiben könne, wie unter Studierenden immer wieder gemunkelt werde, betont Felix Reer. „Der Kickertisch war Teil eines Forschungsprojekts, bei dem es um soziale Interaktionen beim Spielen unterschiedlicher Formen von Fußball-Games ging. Das Sofa haben wir, um bei der Forschung zu Gaming-Konsolen ein typisches Wohnzimmersetting herstellen zu können“, erläutert er.

Aktuell hat die Corona-Pandemie die Forschungsarbeiten im GameLab jedoch erschwert und es konnten nur vergleichsweise wenige Studien in den Laboren stattfinden. Um dennoch Untersuchungen unter den geltenden Hygiene-Regeln durchführen zu können, hat das Team sogar extra eine Desinfektionsanlage angeschafft, die die VR-Brillen mittels UV-Licht virenfrei reinigt. „Aufgrund der Umstände hat sich auch die Anzahl der Mitarbeitenden aktuell etwas verringert. Vor der Pandemie hatten wir hier 4 festangestellte Mitarbeitende und 3 Hilfskräfte“, erklärt Thorsten Quandt. „Hinzu kommen regelmäßig Masterstudierende, die im Rahmen ihrer Forschungsseminare Projekte durchführen.“

Einer davon ist Benjamin Scheffel. Er studiert im dritten Mastersemester Kommunikationswissenschaft und arbeitet seit 2019 als studentische Hilfskraft im GameLab. „Die Arbeit macht mir Spaß, weil ich mich praktisch einbringen kann. Durch die Experimente erhalte ich immer neue spannende Einblicke, die mir auch im Studium helfen“, betont er.

Gemeinsam mit anderen Studierenden hat er in diesem Semester im Rahmen eines Forschungsseminars selbst eine Studie im GameLab durchgeführt und den Wissenserwerb über eine Lern-App gemessen. „Im Labor hatten wir die Möglichkeit, den Probanden zwei kurze Lektionen über Molekularbiologie im VR-Format zu zeigen, auf einem Tablet und transkribiert mit Stift und Papier“, um anschließend den Lernerfolg miteinander zu vergleichen, erklärt der Student.

Obwohl das Labor so gut ausgestattet ist wie nur wenige andere seiner Art in Deutschland, machen sich die Verantwortlichen bereits Gedanken über die nächste Anschaffung. „Die Technik in diesem Bereich entwickelt sich sehr schnell. Um auf dem neuesten Stand zu bleiben, rüsten wir das Labor fortlaufend nach“, erläutert Thorsten Quandt. Teilweise entwickle sich der Bereich sogar so schnell, dass man mit üblichen Beschaffungszeiträumen an Universitäten kaum hinterherkomme. Als nächstes soll eine neue Generation VR-Brillen in das Labor einziehen.

Wer sich jetzt als Proband für die nächste Gaming-Studie zur Verfügung stellen möchte, wird enttäuscht sein. Aktuell finden keine Experimente im GameLab statt. Auf der Homepage informiert das Team allerdings, sobald wieder Teilnehmer gesucht werden: go.wwu.de/k1i45

Autorin: Jana Haack

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 1, 2. Februar 2022.

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