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Münster (upm/kn)
Prof. Dr. Sabine Schlacke<address>© WWU - Benedikt Weischer</address>
Prof. Dr. Sabine Schlacke
© WWU - Benedikt Weischer

"Bereits vorhandene Initiativen stärken"

Auftakt zum neuen Dossier: Umweltjuristin Sabine Schlacke über Nachhaltigkeit an Hochschulen

Nachhaltigkeit bezeichnet ein globales Konzept, das Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Prosperität zugunsten gegenwärtiger und zukünftiger Generationen zu vereinen sucht. Die Vereinten Nationen und ihre Mitgliedstaaten verfolgen dieses Leitbild seit mehr als 30 Jahren und haben sich 2015 mit 17 Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals) auf eine richtungsweisende, aber unverbindliche Konkretisierung bis 2030 geeinigt. Auch Hochschulen in Deutschland können Forschung, Lehre, Wissenstransfer und ihren Betrieb an diesen Nachhaltigkeitszielen ausrichten.

Bislang werden Hochschulen nicht auf die Verabschiedung von Nachhaltigkeitszielen oder -konzepten verpflichtet. Eine solche Pflicht hätte jedenfalls der verfassungsrechtlich verankerten Freiheit von Forschung und Lehre ausreichend Rechnung zu tragen, wenngleich der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen für gegenwärtige und zukünftige Generationen gemäß Grundgesetz und die Berücksichtigung der Klimaschutzziele des Bundes auch Hochschulen obliegt. Nach Auffassung des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen sind Hochschulen zentrale Akteure für die erforderliche große Transformation zur Nachhaltigkeit.

„Die“ nachhaltige Universität gibt es– noch – nicht. Es existiert allerdings eine Vielzahl wegweisender Ansätze zur Orientierung von Hochschulen an den Nachhaltigkeitszielen. Einige Hochschulen bieten Nachhaltigkeitsstudiengänge an oder verpflichten zu einer diesbezüglichen Einführungsveranstaltung (zum Beispiel die Leuphana Universität Lüneburg). Zwecks Bündelung von Nachhaltigkeitsforschung und -lehre werden Kompetenzzentren gebildet (Universität Hamburg) oder Nachhaltigkeit als Aufgabe der Verwaltung zugewiesen (Universität Köln). Einige Hochschulen haben Nachhaltigkeit als Zielsetzung, Leit- und Handlungsprinzip formuliert (Universität Oldenburg) und einen Nachhaltigkeitsprozess (Universität Duisburg-Essen) durchgeführt. Von der Möglichkeit einer Anerkennung als nach EU-Recht zertifizierte Umweltmanagement-Institution haben bislang nur 13 Hochschulen Gebrauch gemacht.

Es gibt bereits zahlreiche Forschungsprojekte mit Bezug zur Nachhaltigkeit an der WWU, beispielsweise in der Batterieforschung, der Forschung an Solarzellen in der Nanophysik, der Pflanzenbiologie, in der Gummi aus Löwenzahn oder antibakterielle Verpackungen aus Chitosan entwickelt werden, oder in den Wirtschafts- und Rechtswissenschaften zu Steuerungsinstrumenten im Energie- und Klimabereich sowie den Geistes- und Sozialwissenschaften zu Nachhaltigkeit und Ethik, Religion und Geschichte.

Die WWU beabsichtigt, einzelne Nachhaltigkeitsziele, zum Beispiel „sauberes Wasser“, zum Gegenstand von Transfermaßnahmen wie Veranstaltungen („Münster Summit“) und Kooperationen mit der Stadt Münster und der Region zu machen. Diese Überlegungen mündeten 2020 unter anderem in der Errichtung einer Stabsstelle Nachhaltigkeit, die beim Rektorat angesiedelt ist.

Darüber hinaus gründeten Hochschullehrer 2015 das Zentrum für Interdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung (ZIN), um universitäre Aktivitäten im Themenfeld Nachhaltigkeit zu bündeln und dadurch Effektivität und Sichtbarkeit zu stärken. Die Zahl der Mitglieder ist von ursprünglich zehn Mitgliedern aus fünf Fachbereichen auf 22 Mitglieder aus zehn Fachbereichen angewachsen.

Ähnlich wie andere Universitäten könnte die WWU vorhandene Initiativen durch einen strukturierten Nachhaltigkeitsprozess stärken, der möglichst alle Bereiche von der Forschung und Lehre bis zum Transfer und Betrieb erfasst und sie anhand von Nachhaltigkeitskriterien analysiert und bewertet. Ob und wie ein solcher Prozess initiiert werden sollte, kann und ist zentral und dezentral zu diskutieren. Dass er an einer innovativen, zukunftsorientierten Universität unerlässlich ist, dürfte kaum in Frage stehen. Am Ende könnten gesamtuniversitäre Leitlinien vereinbart werden, die Ziele, Strategien und Maßnahmen beinhalten. So könnte ein universitärer Beitrag zu der großen gesellschaftlichen Transformation zur Nachhaltigkeit geleistet werden, der sehr gut mit der Freiheit von Forschung und Lehre vereinbar ist.

Prof. Dr. Sabine Schlacke ist geschäftsführende Direktorin des Instituts für Umwelt- und Planungsrecht an der WWU.

 

Dieser Gastbeitrag stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 1, 27. Januar 2021.

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