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Münster (upm/kn)
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"Krisenkommunikation verläuft in Wellen – wie im Orchester setzen immer mehr Instrumente ein"

Kommunikationswissenschaftler Bernd Blöbaum über den Wissenstransfer in der Corona-Pandemie und die Lehren für die Zukunft

Forschung liefert Fakten und Erkenntnisse. Nicht nur in Zeiten der Corona-Pandemie soll Wissenschaftskommunikation dafür sorgen, dass diese Themen verständlich für die Gesellschaft vermittelt werden. Welche Kommunikationsstandards Journalisten und Wissenschaftler besonders in der Krise beachten sollten und was wir aus der Corona-Situation für den zukünftigen Wissenstransfer lernen können, schildert Prof. Dr. Bernd Blöbaum, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Kommunikationswissenschaften der WWU, im Interview mit Kathrin Nolte.    

Welche Dinge sollten Kommunikatoren und Wissenschaftler in Krisensituationen prinzipiell beachten?
Die Corona-Krise hat sich langsam aufgebaut. Hinsichtlich ihrer Dynamik und der persönlichen sowie gesellschaftlichen Folgen ist diese Krise sehr außergewöhnlich. Wer über wissenschaftliche Erkenntnisse kommuniziert, sei es als Wissenschaftler oder zum Beispiel als Wissenschaftsjournalist, tut gut daran, den in dem jeweiligen Bereich geltenden Regeln und Routinen zu folgen: Für Forscher bedeutet dies, den bewährten Standards der jeweiligen wissenschaftlichen Disziplin zu folgen, den Prozess des Erkenntnisgewinns, das methodische Vorgehen und die Reichweite von Studien darzustellen. Wissenschaftsjournalisten müssen sorgfältig ihre Quellen und die vermittelten Fakten prüfen und verständlich kommunizieren. Insofern unterscheiden sich Krisensituationen nicht prinzipiell von normalen Zeiten. Allerdings sind Erwartungsdruck und öffentliche Aufmerksamkeit ungleich größer in Krisenzeiten.

Was zeichnet eine gute Krisenkommunikation aus?
Krisenkommunikation sollte immer verständlich sein und dabei die unterschiedlichen Informationsbedürfnisse von Zielgruppen berücksichtigen. Die Vorläufigkeit wissenschaftlicher Befunde, ihre Kontextualisierung sowie die sozialen und gesellschaftlichen Folgen der Kommunikation sind zu reflektieren. Vertrauen lässt sich in Krisensituationen nur herstellen, wenn auf der Basis sachlicher Expertise wahrheitsgetreu und transparent kommuniziert wird. Mögliche negative Folgen dürfen dabei nicht verschwiegen werden.

Prof. Dr. Bernd Blöbaum<address>© Foto: WWU - Laura Schenk</address>
Prof. Dr. Bernd Blöbaum
© Foto: WWU - Laura Schenk
Welche Beobachtungen machen Sie als Kommunikationswissenschaftler während der Corona-Pandemie?
Mein Kollege Thorsten Quandt hat mit seiner Arbeitsgruppe gerade eine Inhaltsanalyse publiziert, die zeigt, dass Medien in Deutschland sehr differenziert und ohne zu dramatisieren über die Corona-Krise berichtet haben. In meiner Arbeitsgruppe haben wir zusammen mit der Gruppe von Kommunikationswissenschaftler Volker Gehrau im Mai eine repräsentative Befragung im Münsterland zur Gesundheitskommunikation gemacht. Die Erhebung dokumentiert die große Bedeutung traditioneller, etablierter Medien wie Regionalzeitung und Fernsehen in der Corona-Krise und sie zeigt, dass die Kommunikation insofern erfolgreich war als die empfohlenen Hygieneempfehlungen Teil des Alltagshandelns der Befragten in allen Altersgruppen geworden sind. Offenbar war die Krisenkommunikation also nicht so schlecht.

Was können wir aus der Corona-Krise für die Wissenschaftskommunikation im Allgemeinen lernen?
Krisenkommunikation, das zeigt die Corona-Krise sehr schön, verläuft in Wellen. Wie in einem Orchester setzen immer mehr Instrumente ein: Waren es zunächst nur Virologen, die aus dem Kreis der Wissenschaft zu sehen und hören waren, kamen bald Stimmen von Experten aus Wirtschaft, Politik, Bildung und Psychologie hinzu. Nach einigen Wochen ist das, was zunächst Krisenkommunikation war, gewissermaßen zum Normalfall geworden. Es gibt kaum noch Sondersendungen, andere Themen treten neben Corona. Die aktuelle Krise hat sehr deutlich die große Bedeutung sozialer und alternativer Medien vorgeführt. Aussagen etablierter Wissenschaftler treten im Netz in Konkurrenz zu Statements von Personen, deren einschlägige Expertise strittig oder nicht gegeben ist. Journalistische Informationen stehen im Wettbewerb um Aufmerksamkeit mit anderen Quellen, deren Aussagen nicht immer auf geprüften Fakten beruhen und nicht mit professioneller Sorgfalt veröffentlicht werden.

Und wie bereitet man sich auf die nächste Krise vor?
Krisen sind in gewisser Weise ein uns umgebender normaler Modus. Vor Corona war die Klimakrise ein großes Thema, zu lesen war von einer Flüchtlingskrise, wir haben eine Krise der europäischen Gemeinschaft und der deutsch-amerikanischen Beziehungen, in der Fußball-Bundesliga sind vor allem gegen Ende der Saison immer einige Klubs in der Krise – um nur einige Beispiele zu nennen. Die Corona-Pandemie zeigt, wie bedeutend solide wissenschaftliche Arbeit beim Verständnis und bei der Bewältigung dieser überaus bedrohlichen und mit weitreichenden Einschränkungen verbundenen Krise ist. Gute Forschung und eine gute Vorbereitung auf den notwendigen Wissenstransfer aus der Wissenschaft in die Öffentlichkeit sind essentiell für die Bewältigung künftiger Krisen.

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