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Münster (upm)
Ilona Riek, Prof. Dr. Friso Wielenga (M.) und Prof. Dr. Gunther De Vogelaer bereiten das 25-jährige Jubiläum des Hauses der Niederlande vor, auch wenn die Feier aufgrund der Corona-Krise verschoben werden muss.<address>© WWU - Julia Harth</address>
Ilona Riek, Prof. Dr. Friso Wielenga (M.) und Prof. Dr. Gunther De Vogelaer bereiten das 25-jährige Jubiläum des Hauses der Niederlande vor, auch wenn die Feier aufgrund der Corona-Krise verschoben werden muss.
© WWU - Julia Harth

Haus der Niederlande feiert 25-jähriges Jubiläum

"Ziemlich beste Nachbarn – Tamelijk beste buren": 25 Jahre Forschung, Lehre und Öffentlichkeitsarbeit

Die Worte wollen gut gewählt sein, wenn es um die Beziehung zwischen Deutschland und den Niederlanden geht. Schließlich gibt es einige Fallstricke der gemeinsamen Geschichte. Auf der anderen Seite stechen viele Ähnlichkeiten und eine nicht zuletzt auf europäischer Ebene enge Verknüpfung hervor, was charakteristische Eigenheiten der beiden Nationen aber weder ausradieren kann noch soll. Sprache, Kultur und vielleicht auch Sicht auf die Welt: Manches ist getrennt, mehr noch aber verbunden.

Ziemlich beste Nachbarn (niederländisch: tamelijk beste buren) eben, und das ist auch Verdienst des Hauses der Niederlande, das in wenigen Wochen sein 25. Jubiläum begeht, nachdem es am 15. Mai 1995 eröffnet wurde. Mit dabei waren damals zwei Kronprinzen: der heutige niederländische König Willem Alexander sowie der jetzige belgische König Philippe. Zudem hätte es kaum einen geschichtsträchtigeren Ort für die Einrichtung geben können als das Krameramtshaus in der Innenstadt von Münster.

Im Jahr 1648 setzte der in Münster und Osnabrück geschlossene Westfälische Friede dem Dreißigjährigen Krieg ein Ende. Zeitgleich wurde eine weitere Vereinbarung unterzeichnet, der spanisch-niederländische Vertrag. Er führte zur internationalen Anerkennung der niederländischen Republik und markiert damit deren Geburtsstunde. Die niederländischen Verhandlungsführer residierten seinerzeit im Krameramtshaus.

Es ist also der passende Rahmen für das Haus der Niederlande, das mittlerweile zu den wichtigsten Ansprechpartnern in Sachen Niederlande im deutschsprachigen Raum gehört. Dabei hilft, dass unter diesem Dach ebenfalls ziemlich beste Nachbarn getrennt agieren, aber auch gemeinsam vorgehen, etwa bei der Öffentlichkeitsarbeit oder wechselnden Ausstellungen: das Zentrum für Niederlande-Studien (ZNS) unter der Leitung von Prof. Dr. Friso Wielenga, das Institut für Niederländische Philologie (INP) unter der Leitung von Prof. Dr. Gunther De Vogelaer sowie die von Ilona Riek geleitete Bibliothek im Haus der Niederlande (BHN).

Ein übergeordneter Schwerpunkt ist natürlich die niederländische Sprache. „Anfänger verspüren oft eine leichte Euphorie, weil sie schnell viel verstehen“, sagt Gunther De Vogelaer. „Aber es gibt Unterschiede, und wir brauchen spezifische Methoden für den Spracherwerb.“ Das ist besonders wichtig, weil der Andrang der Lehramtsstudierenden groß ist und sogar steigt. Denn Niederländisch ist als Schulfach fest verankert. Ebenso begehrt wie Lehrkräfte sind Absolventen, die in der ziemlich besten Nachbarschaft firm sind.

Wer sich mit niederländischer Politik, Wirtschaft, Geschichte und Kunstgeschichte sowie interkultureller Kommunikation beschäftigten will, wird am ZNS fündig. „Einmalig ist, dass wir mit dem Bachelor und Master gleich zwei multidisziplinäre Studiengänge in Niederlande-Deutschland-Studien anbieten“, sagt Friso Wielenga. Für den nötigen Praxisbezug sorgt beim Bachelor ein Semester in den Niederlanden, während Masterstudierende für den gemeinsamen Abschluss ein Jahr an der Universität Nijmegen verbringen. Auch ein Praktikum mit deutsch-niederländischem Bezug gehört zu den beiden Studiengängen.

Damit der Nachwuchs an Studierenden auch künftig gesichert ist, rückt die Arbeit an den Schulen verstärkt in den Fokus. So wird das ZNS ein vor Jahren ausgelaufenes Projekt wiederbeleben und aktualisieren, das Schülern beider Länder Material über den jeweiligen Nachbarn sowie dessen Sprache zur Verfügung stellt. Und ein Digitalisierungsprojekt des INP richtet sich gezielt an zehnjährige Schüler mit mehrsprachiger Information im Bereich Biologie und Geschichte.

Geforscht wird selbstverständlich auch am Haus der Niederlande – und spätestens hier kommt die Bibliothek als dritter Nachbar ins Spiel. Vor 25 Jahren vereinte sie mehrere bestehende Bestände und ist Ilona Riek zufolge mit ihrer breit gefächerten multidisziplinären Spezialsammlung zur niederländischen Sprache und Kultur zurzeit „die größte Spezialbibliothek über den niederländischen Kulturraum in Deutschland, wenn nicht weit darüber hinaus“.

„Ein Leitgedanke ist es, wissenschaftliche Literatur anzubieten, die an anderen deutschen Standorten schwer oder nicht zu beschaffen ist, wobei digitale oder retrospektiv digitalisierte Publikationen immer wichtiger werden“, erläutert Ilona Riek. „Wir orientieren uns am aktuellen Bedarf sowie an möglichen zukünftigen Forschungsinteressen.“ Dafür ist die Bibliothek eng verzahnt mit dem Fachinformationsdienst Benelux / Low Countries Studies der münsterschen Universitäts- und Landesbibliothek.

Das Haus der Niederlande trägt also auf vielen Ebenen zum besseren Verständnis zwischen Deutschland und den Niederlanden bei. Aber wie steht es nun um deren Nachbarschaft? „Im Moment sehr gut“, sagt Friso Wielenga. „Aber das ist nicht selbstverständlich. Wir müssen die Beziehung auch im ohnehin kriselnden Europa ausbauen und vertiefen. Wenn wir verlieren, was wir in Europa haben, wäre das sehr dramatisch.“

Autorin: Susanne Wedlich

 

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Aus aktuellem Anlass werden die Feierlichkeiten zum 25-jährigen Jubiläum verschoben. Über Neuigkeiten informiert das Haus der Niederlande auf seiner Webseite und auf Facebook.

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Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 2, April 2020.

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