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Münster (upm)
Dr. Beate Tröger, Direktorin der ULB<address>© WWU - Peter Grewer</address>
Dr. Beate Tröger, Direktorin der ULB
© WWU - Peter Grewer

"Wir liefern die Literaturwünsche der Wissenschaftler direkt ins Postfach"

ULB-Direktorin Beate Tröger über die Auswirkungen der Corona-Krise und mögliche Perspektiven

Ob Hausarbeiten, Prüfungen, Dissertationen oder Forschungsprojekte: Viele Tausend Studierende und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind auf Bücher und Medien aus der Universitäts- und Landesbibliothek Münster (ULB) angewiesen. Zurzeit gelten wegen der Corona-Krise viele Einschränkungen für die Nutzung und Ausleihe. Dr. Beate Tröger, Direktorin der ULB, erläutert im Interview, wie sie mit der aktuellen Situation umgeht und welche Änderungen und Maßnahmen in den kommenden Tagen geplant sind.

Wie kommen Studierende sowie Dozenten derzeit am besten an Bücher oder andere Medien aus der ULB?

Der einfachste Weg ist die Nutzung unserer digitalen Bestände, die für alle WWU-Angehörigen online zugänglich sind. Das Angebot an E-Büchern und E-Zeitschriften bauen wir aktuell mit Nachdruck aus. Einige Medien liegen noch nicht als elektronisches Material vor. Deshalb bieten wir Wissenschaftlern an, Printbestände aus der Zentralbibliothek und den dezentralen Bibliotheken zu bestellen und sie sich mit der Hauspost direkt ins Postfach liefern zu lassen. Aufsätze aus Print-Zeitschriften oder einzelne Abschnitte aus Print-Büchern für die persönlichen Forschungsarbeiten stellen wir urheberrechtskonform über den neuen Campuslieferdienst elektronisch zur Verfügung. Darüber hinaus besteht für alle Prüflinge und Promovierenden die Möglichkeit, Printbestände aus der Zentralbibliothek zu bestellen und in einem vereinbarten Zeitfenster abzuholen...

...und was können Sie derzeit Studierenden anbieten?

Prüflinge bzw. Promovierende können sich ebenfalls ihre Literatur bestellen, nur müssen sie zur Abholung der bestellten Literatur persönlich vorbeikommen. Diese Einschränkung auf Prüflinge gilt aber nur noch wenige Tage - ab dem 4. Mai gibt es auch im Print-Bereich Zugriff für alle WWU-Angehörigen. Auch die elektronischen Semesterapparate werden zwar von den Studierenden intensiv genutzt, beantragen kann die Nutzung aber nur der Dozent.

Wie viele digitale Medien bietet die ULB denn aktuell an, und in welchem Umfang wird dieser Bestand ausgebaut?

Die ULB hat rund 1,5 Millionen E-Books und rund 40.000 E-Zeitschriften und -Zeitungen. Das sind mehr als 200 Millionen E-Artikel. Diese Bestände bauen wir systematisch aus – auch schon vor der Corona-Krise. Ein gutes Beispiel sind die E-Books: Für das Jahr 2020 wurden für WWU-Angehörige zusätzlich 260.000 aktuelle E-Books bereitgestellt. Die am häufigsten genutzten Titel werden dauerhaft in den ULB-Bestand aufgenommen. Außerdem haben wir weitere 140.000 E-Books ohne dauerhaftes Zugriffsrecht lizenziert. Das hat in erster Linie etwas mit den Kosten zu tun: Ein dauerhafter Zugriff ist sehr teuer und in vielen Bereichen angesichts der kurzen Veralterungsintervalle nicht wirklich nötig.

Werden die gescannten Literaturwünsche der Dozenten auch außerhalb des elektronischen Semsterapparats für alle Nutzer bereitgestellt?

Dafür gibt es enge urheberrechtliche Grenzen, die sich speziell auf Lernräume beziehen. Daher dürfen wir nicht alles frei ins Internet stellen. Unser Campuslieferdienst kann und darf jedoch Scan-Wünsche direkt an die Wissenschaftler liefern. Allerdings sind auch hier die urheberrechtlichen Mengenobergrenzen zu berücksichtigen.

Alle Bürger warten verständlicherweise auf weitere Lockerungs-Perspektiven. Gibt es einen Zeitplan, wann die ULB ihr Angebot wieder erweitern beziehungsweise verbessern kann?

Leider liegt die Entscheidung über eine Öffnung der Lesesäle und Gruppenräume nicht in unserer Hand. Wir müssen die gesetzlichen Vorgaben berücksichtigen und das weitere Vorgehen mit dem Rektorat abstimmen. Wir hoffen aber natürlich, in nicht zu ferner Zukunft wieder zu einer, wenn auch reglementierten und zahlenmäßig limitierten Lesesaal-Nutzung zu kommen.

Eines ist aber schon sicher: Ab dem 4. Mai soll es weitere Änderungen geben - welche?

Ab dem 4. Mai können alle WWU-Angehörigen Bestände der Zentralbibliothek, der Erziehungswissenschaft, Sozialwissenschaft und Medizin bestellen und abholen. Wissenschaftlern schicken wir die Bestellungen weiterhin direkt in ihr Institut. Schrittweise werden in Abstimmung mit den Dekanen auch weitere dezentrale Bibliotheken für die Ausleihe geöffnet. Für diese Erweiterung benötigen wir neben der Abstimmung mit den Fachbereichen ebenfalls die Freigabe durch die Kollegen der Stabsstelle Arbeits- und Umweltschutz, die systematisch die verschiedenen Bibliotheksräume prüfen werden.

Wird es bei diesen Änderungen auch Unterschiede für die einzelnen Nutzergruppen geben?

Diese Nutzungsmöglichkeiten gelten grundsätzlich für alle WWU-Angehörigen. Externe Nutzer, zum Beispiel von der FH Münster, können wir im ersten Schritt leider nicht berücksichtigen. Diesen Service können wir hoffentlich wieder anbieten, sobald wir den ersten Ansturm unserer WWU-Nutzer bewältigt haben.

Und wenn Sie dennoch jemand persönlich anspricht und fragt: Wie komme ich möglichst schnell an Literatur oder Medien - was empfehlen Sie?

Am besten sollten diese Personen uns direkt ansprechen, bevor es brennt. Wir haben zum Glück bereits wieder die Fernleihe für Aufsätze aktiviert – das bedeutet Entlastung. Die Fernleihe für Bücher steht hoffentlich in zwei bis drei Wochen wieder zur Verfügung. Da es sich dabei um ein bundesweites beziehungsweise internationales Geschäft handelt, müssen wir uns mit allen Bibliotheken abstimmen.

Auch wenn dies derzeit sicher nicht Ihr Hauptaugenmerk ist - aber hat die Corona-Krise auch einen positiven Aspekt für die ULB?

Wir sehen, wie konstruktiv und lösungsorientiert und trotz aller Mühen gut gelaunt unsere Kolleginnen und Kollegen arbeiten. Im normalen Geschäft geht diese Wahrnehmung oft unter - dafür wird sie jetzt umso deutlicher. Und natürlich straffen sich angesichts der aktuellen Situation manche Arbeitsprozesse, auch das ist auf Dauer hilfreich. Das gilt nicht zuletzt für das sehr große Thema, das unmittelbar vor unserer Tür steht - der Wechsel auf ein neues, Cloud-gestütztes Medienmanagementsystem aller wissenschaftlichen Bibliotheken in Nordrhein-Westfalen. Die Vorarbeiten dafür laufen zum Glück sowieso elektronisch und per Videokonferenz. Da kann uns selbst Corona nicht aus dem Tritt bringen.

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