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Münster (upm)
Emotionale Sprachstile – egal ob aggressiv oder enthusiastisch – können der Vertrauenswürdigkeit von Wissenschaftskommunikatoren und der Glaubwürdigkeit ihrer Argumente schaden.<address>© ivector - stock.adobe.com</address>
Emotionale Sprachstile – egal ob aggressiv oder enthusiastisch – können der Vertrauenswürdigkeit von Wissenschaftskommunikatoren und der Glaubwürdigkeit ihrer Argumente schaden.
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Wenn Diskussionen emotional werden

Ein Gastbeitrag über Aggressivität und Enthusiasmus in wissenschaftlichen Debatten

In Zeiten von Donald Trump und Greta Thunberg können Diskussionen über wissenschaftliche Erkenntnisse schnell emotional werden. Wie aber nimmt die Öffentlichkeit solch emotional geführte Debatten wahr? Erste Antworten auf diese Frage sind nun im interdisziplinären DFG-Graduiertenkolleg „Vertrauen und Kommunikation in einer digitalisierten Welt“ entstanden. In zwei Studien haben Prof. Dr. Regina Jucks und ich gemeinsam untersucht, welche Wirkung Aggressivität auf der einen und Enthusiasmus auf der anderen Seite in der Wissenschaftskommunikation haben. Das Ergebnis: Beide Sprachstile können der Vertrauenswürdigkeit von Wissenschaftskommunikatoren und der Glaubwürdigkeit ihrer Argumente schaden. Wieso sind diese Befunde gerade heute für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler besonders relevant?

Wenn Wissenschaftler von den neuesten Erkenntnissen aus ihrer Forschung berichten, dann bedeutet dies nicht, dass man ihren Schlussfolgerungen automatisch glaubt. Vielmehr beginnen innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft Diskussionen über die Erkenntnisse. Haben die Forscher angemessene Methoden gewählt, um die zugrundeliegenden Fragen zu beantworten? Haben sie die Forschungsdaten statistisch korrekt ausgewertet? Kann man die Ergebnisse auch anders interpretieren? Diese Auseinandersetzung ist wichtig, weil sie der Qualitätskontrolle innerhalb der Wissenschaft dient. Folglich überrascht es auch wenig, dass solche Debatten überwiegend auf wissenschaftlichen Tagungen und in Fachzeitschriften geführt werden.

Wenn wissenschaftliche Erkenntnisse allerdings für viele Menschen relevant sind, dann finden diese Debatten zunehmend auch in der Öffentlichkeit statt. Oft geht es um Erkenntnisse, die Antworten auf persönliche und konkrete Fragen versprechen. Kann ich meine Lebenserwartung steigern, indem ich jeden Abend ein Glas Rotwein trinke? Bekomme ich Dickdarmkrebs, wenn ich weiterhin verarbeitetes Fleisch esse? Lässt sich mein Cholesterinspiegel senken, wenn ich auf mein Frühstücksei verzichte? Die Emotionen kochen vor allem dann schnell hoch, wenn sich noch kein wissenschaftlicher Konsens gebildet hat. Die eine Wissenschaftlerin argumentiert enthusiastisch für ihre Position, der andere Wissenschaftler argumentiert aggressiv dagegen.

Wie entscheiden Laien in dieser Situation, auf welche Informationen sie sich verlassen können? Es wäre schön, wenn die Qualität der Argumente den Ausschlag geben würde. Allerdings scheint dies in vielen Fällen wenig realistisch. Häufig basieren Argumente auf hochkomplexen wissenschaftlichen Erkenntnissen, deren Qualität Laien nur schwer beurteilen können. Ist es möglich, dass sich Laien davon leiten lassen, auf welche Art und Weise ein Argument vorgebracht wird – ganz im Sinne des alten Sprichworts, wonach „der Ton die Musik macht“?

Ein Ziel unserer Studien war es herauszufinden, wie sich Aggressivität und Enthusiasmus auf die Vertrauenswürdigkeit von Wissenschaftlern und die Glaubwürdigkeit ihrer Argumente in wissenschaftlichen Debatten auswirken. Zu diesem Zweck verfolgten 179 Versuchsteilnehmer eine Diskussion über die Wirksamkeit von Antidepressiva. Je nach Versuchsbedingung warb ein Diskutant für seine Position, indem er entweder einen aggressiven oder einen neutralen Sprachstil verwendete, wobei die Argumente in beiden Fällen die Gleichen blieben. Das Ergebnis: Nutzte der Diskutant einen aggressiven Sprachstil, nahmen ihn die Zuhörer als weniger vertrauenswürdig wahr – seine Argumente fanden nur wenig Anklang.

Wie aber fällt das Ergebnis aus, wenn der Wissenschaftler anstelle eines aggressiven einen enthusiastischen Sprachstil verwendet? Um dieser Frage nachzugehen, lasen 270 Versuchsteilnehmer Beiträge aus einem Gesundheitsforum, in dem darüber diskutiert wurde, inwieweit sich sogenannte Deep-Learning-Technologien zur Diagnose von Krankheiten einsetzen lassen. Der Versuchsaufbau ähnelte dem der ersten Studie. Je nach Versuchsbedingung verwendete der Autor entweder einen enthusiastischen oder einen neutralen Sprachstil, um für seine Position zu werben. Die Auswertung der Ergebnisse zeigte, dass auch der enthusiastische Sprachstil der Vertrauenswürdigkeit des Autors schadete und seine Argumente als weniger glaubwürdig erscheinen ließ.

Emotionale Sprache kann also der Vertrauenswürdigkeit von Wissenschaftlern und der Glaubwürdigkeit ihrer Argumente schaden. Inwieweit sich diese Ergebnisse generalisieren lassen und ob sie nur für bestimmte Themengebiete und Kulturräume gelten, muss sich in zukünftigen Studien zeigen. Wer sich der aktuellen Diskussion über diese Fragen anschließen möchte, ist zur Lektüre der jüngst erschienen Artikel „Hot topics in science communication: Aggressive language decreases trustworthiness and credibility in scientific debates“ (DOI: 10.1177/0963662519833903) und „Influence of Enthusiastic Language on the Credibility of Health Information and the Trustworthiness of Science Communicators: Insights From a Between-Subject Web-Based Experiment” (DOI: 10.2196/13619) eingeladen.

Dr. Lars König<address>© Dr. Lars König</address>
Dr. Lars König
© Dr. Lars König
Dr. Lars König studierte an der Universität Würzburg Psychologie, bevor er an der Universität Münster promovierte. Schwerpunkte seiner Arbeit sind die effektive Gestaltung digitaler Lernumgebungen sowie Strategien für eine vertrauensschaffende Gesundheitskommunikation.

 

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 8, 18. Dezember 2019.

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