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Münster (upm/nor)
Dr. Sören Gröbel<address>© Sibylle Warstat</address>
Dr. Sören Gröbel
© Sibylle Warstat

"Das Einfamilienhaus mit Garten ist nach wie vor das Wohnideal"

Preissteigerungen, Mietstopp: Dr. Sören Gröbel analysierte in seiner Dissertation die aktuelle Lage am Immobilienmarkt

Es gibt wohl nur wenige Themen, die die Deutschen mehr umtreiben als die aktuelle Lage am Wohnungs- und Immobilienmarkt, die vor allem durch eines gekennzeichnet ist: durch steigende Preise. In seiner Dissertation, die er an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) erstellte, hat Dr. Sören Gröbel die "räumlichen Entwicklungen bei Wohnungspreisen" analysiert. Im Gespräch mit Norbert Robers schildert Sören Gröbel, der derzeit als Analyst bei einem Beratungsunternehmen arbeitet, seine wichtigsten Ergebnisse.

Teilen Sie die Einschätzung, dass für die Bewertung von Wohneigentum nach wie vor die alte Makler-Lösung gilt: Lage, Lage, Lage?

Diese Regel gilt gegenwärtig am deutschen Wohnungsmarkt ganz besonders. Zum einen erleben wir auf regionaler Ebene eine zunehmende Polarisation: Während es in den Ballungsgebieten eine anhaltend hohe Nachfrage nach Wohnraum gibt, weisen wirtschaftlich und infrastrukturell abgeschlagene Regionen erhöhte Leerstände auf. Gleichzeitig nehmen aber auch innerhalb der Ballungsräume die Unterschiede zwischen stark nachgefragten Innenstadtlagen und weniger attraktiven Stadtteilen oder peripheren Gebieten zu. Da das Angebot in besonders begehrten Wohnlagen in der Regel weniger stark ausgeweitet werden kann, weil beispielsweise schon alles dicht bebaut ist, resultiert eine hohe Nachfrage in besonders stark steigenden Immobilienpreisen.

Verstärkt sich die Tendenz, dass immer mehr Menschen in besonders attraktive Regionen drängen, dort aber kaum bezahlbaren Wohnraum finden?

Dies lässt sich mittlerweile seit vielen Jahren beobachten. Ursächlich für den anhaltend hohen Zuzug in die Ballungsgebiete oder in regionale Oberzentren sind vor allem demografische Gründe wie etwa ein starkes Plus an Single-Haushalten und technologisch bedingte Veränderungen am Arbeitsmarkt. Der Prozess wird dadurch verstärkt, dass insbesondere junge Menschen wegen mangelhafter Infrastruktur und Freizeitangeboten die ländlichen Räume verlassen.

All das mündet unter anderem darin, dass die öffentliche Debatte um bezahlbaren Wohnraum an Schärfe zugenommen hat...

Das stimmt, wie es sich etwa in der Debatte um die Enteignung der Wohnungsbestände privater Wohnungsunternehmen oder um die Einführung eines Mietenstopps in Berlin zeigt. Zudem nimmt die Bedeutung von Wohnkonzepten, die wenig Wohnfläche beanspruchen, wie Mikrowohnkonzepte oder ,tiny houses' spürbar zu.

Werden am Ende die Innenstädte dieser attraktiven Städte nur noch für Reiche bezahlbar bleiben, während die Mittelschicht an die Stadtränder „verdrängt“ wird?

Nein, diese Sichtweise ist zu statisch. Natürlich werden die attraktivsten Wohnlagen in den beliebten Ballungszentren immer ein knappes und damit automatisch ein teures Gut bleiben. Allerdings gilt auch: Die Knappheit der einen Wohnlage stellt die Chance für einen anderen Standort dar. Dies gilt sowohl für Wohnlagen innerhalb einer Stadt als auch für Regionen als Ganzes. So hat sich beispielsweise Leipzig in den letzten Jahren gerade deshalb so dynamisch entwickelt, weil andere Städte aufgrund der gestiegenen Wohnkosten für junge Menschen weniger attraktiv geworden sind. Zudem möchte auch gar nicht jeder unbedingt in der Innenstadt wohnen. Das wird beispielsweise dadurch deutlich, dass das freistehende Einfamilienhaus mit Garten nach wie vor das Wohnideal der Deutschen ist. Daher kommt es auch darauf an, dieser Vielfalt an Wohnwünschen gerecht zu werden.

Apropos Einfamilienhäuser: Viele Häuser aus den Fünfzigerjahren sind Ihrer Einschätzung nach „am Ende ihres Lebenszyklus‘“ angelangt. Was hat das für konkrete Folgen?

Die Ein- und Zweifamilienhäuser aus den Fünfziger- und Siebzigerjahren machen bis heute einen Großteil des Wohnungsbestandes in Deutschland aus. Die Nachnutzung gestaltet sich in manchen Regionen allerdings schwierig, da die Gebäude einen hohen Modernisierungsbedarf aufweisen oder das Wohnungsangebot schlicht die lokale Nachfrage übersteigt. Gefährdet sind dabei vor allem Regionen mit ungünstigen wirtschaftlichen, demografischen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen. Die Folge sind Preisabschläge und zunehmender Leerstand. Dies macht die Wohnlagen häufig noch weniger attraktiv. Für viele Wohneigentümer ist dies bitter, denn sie hatten das Wohneigentum als Teil ihrer Altersabsicherung gedacht.

Sie haben auch den Zusammenhang zwischen dem allgemeinen Sparverhalten der Deutschen und dem Bemühen um mehr Wohneigentum als Teil der Altersvorsorge untersucht. Mit welchen konkreten Ergebnissen?

Die Wohneigentumsquote in Deutschland ist im europäischen Vergleich relativ niedrig. Wohneigentum hat in den letzten zehn Jahren allerdings erheblich an Attraktivität gewonnen – beispielsweise wegen der niedrigen Zinsen und der weiter gestiegenen Bedeutung von Wohneigentum für die Altersvorsorge. Vor diesem Hintergrund haben wir die Frage untersucht, wie sich diese Preissteigerungen auf das Sparverhalten der Wohneigentümer und Mieter unterschiedlicher Altersgruppen auswirkt. Dabei sind vor allem zwei Ergebnisse hervorzuheben: Zum einen passen jüngere Mieter ihre Sparquoten an die Preisentwicklungen der Immobilien an...

...was nicht verwunderlich ist, oder?

Nein, denn entweder sie sparen für den späteren Erwerb von Eigentum, oder sie müssen zukünftig mit höheren Mietkosten rechnen. Bei jüngeren Wohneigentümern lässt sich hingegen beobachten, dass sie ihre Sparquote umso stärker verringern, desto stärker die unerwarteten Gewinne in ihrem Immobilienvermögen sind. Durch die starken Preissteigerungen, die so nicht erwartet wurden, ist auch das Immobilienvermögen vieler Haushalte deutlich gewachsen. Dies lässt Spielraum, die Sparbemühungen zu reduzieren und oder den Konsum anderer Güter zu erhöhen.

Aber grundsätzlich gilt, dass Wohneigentum heutzutage in Form einer klassischen Altersvorsorge genutzt wird?

Nein, das ist nicht der Fall. Stattdessen halten viele Deutsche ihr Wohneigentum zum Zweck des Vorsichtssparens, um im Fall eines unvorhersehbaren Schicksalsschlags liquide zu sein. Tritt ein solcher Fall nicht ein, wird das Wohneigentum in der Regel vererbt. Möglichkeiten, Immobilien auch für die klassische Altersvorsorge zu nutzen gibt es aber – und sie werden zukünftig an Bedeutung gewinnen.