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Münster (upm/sr)
Das Ice-Cube-Labor am Südpol. Am Himmel sind die Milchstraße und schwache Polarlichter zu sehen.<address>© Benjamin Eberhardt, IceCube/NSF</address>
Das Ice-Cube-Labor am Südpol. Am Himmel sind die Milchstraße und schwache Polarlichter zu sehen.
© Benjamin Eberhardt, IceCube/NSF

Auf der Jagd nach "Geisterteilchen": Neutrino-Observatorium am Südpol wird ausgebaut

700 verbesserte Sensoren für Teilchendetektor "IceCube" in der Antarktis / Beteiligung von Forschern der Universität Münster

Seit fast zehn Jahren suchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt mit dem Großexperiment „IceCube“ im ewigen Eis des Südpols nach Neutrinos – kleinste Teilchen, die als kosmische Strahlung auf die Erde gelangen. Nun freuen sich die beteiligten Forscher, unter ihnen Prof. Dr. Alexander Kappes von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU), über eine gewaltige Aufrüstung der Anlage, die dazu beitragen soll, die Eigenschaften von Neutrinos viel genauer als zuvor zu messen. 37 Millionen US-Dollar soll das Upgrade-Projekt kosten, zu einem großen Teil bereitgestellt durch die US-amerikanische „National Science Foundation“. Auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert den Ausbau – aus Deutschland sind Forschergruppen von neun Universitäten und zwei auf Astrophysik spezialisierten Helmholtz-Zentren, dem Deutschen Elektronen Synchrotron DESY und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT), am IceCube-Projekt beteiligt.

Neutrinos werden unter anderem bei der Kernfusion im Inneren der Sonne erzeugt. Durch eine Fläche so groß wie ein menschlicher Daumennagel fliegen in jeder Sekunde rund 60 Milliarden Sonnen-Neutrinos, allerdings ohne irgendeine Spur zu hinterlassen. Ihre geringe Reaktionsneigung macht den Nachweis dieser „Geisterteilchen“ extrem aufwendig und erfordert besondere Detektoren, um wenigstens ein paar der seltenen Reaktionen nachzuweisen. Für den IceCube-Detektor haben Forscher darum Löcher ins Eis der Antarktis gebohrt, jedes 2.500 Meter tief, und dort Lichtsensoren versenkt, die die winzigen Lichtblitze messen, welche bei den seltenen Neutrino-Reaktionen im Eis entstehen.

Schon jetzt enthält IceCube mehr als 5.000 einzelne Sensoren, die solche Lichtsignale messen. Im Zuge des nun geplanten Upgrade-Projekts werden sieben zusätzliche Kabelstränge, die mit optischen Sensoren bestückt sind, inmitten der bestehenden 86 Stränge im tiefen Eis installiert. So kommen 700 verbesserte Sensoren hinzu. Sie sollen im antarktischen Sommer 2022/23 installiert werden.

Entwicklung von optischen Sensoren an der WWU

Das multi-Pixel Digital Optical Module (mDOM) hat einen horizontalen Durchmesser von 36 Zentimetern.<address>© WWU - Alexander Kappes</address>
Das multi-Pixel Digital Optical Module (mDOM) hat einen horizontalen Durchmesser von 36 Zentimetern.
© WWU - Alexander Kappes
Der geplante Detektor wird aus zwei verschiedenen Typen von optischen Modulen bestehen. Einen der beiden neuen optischen Sensoren, das „multi-Pixel Digital Optical Module“ (mDOM), entwickelten deutsche Forschergruppen an den Universitäten Erlangen-Nürnberg und Münster sowie am DESY federführend. Gegenüber den bisherigen Modulen besitzen die mDOMs, von denen rund 400 installiert werden, eine deutlich größere sowie segmentierte Detektionsfläche und damit eine signifikant höhere Empfindlichkeit. Die Forschergruppen der neun an IceCube beteiligten deutschen Universitäten entwickeln und bauen die Komponenten des Moduls und darüber hinaus auch Geräte, die unter anderem zur präzisen Eichung des Detektors dienen. „Neutrinos sind die am wenigsten verstandenen Teilchen im Standardmodell der Teilchenphysik,” betont Alexander Kappes, Professor an der Universität Münster und Leiter des mDOM-Projekts. „Sie haben Eigenschaften, die das Standardmodell nicht erklären kann.”

Neutrinos gibt es in drei Sorten. Überraschenderweise können die Teilchen zwischen diesen Sorten hin und her wechseln. Physiker nennen das Neutrino-Oszillationen. Eines der Ziele des IceCube-Upgrades ist es, die Parameter dieser Oszillationen deutlich besser zu bestimmen. Ein weiteres Ziel ist, die optischen Eigenschaften des Eises genauer zu vermessen, wodurch die Wissenschaftler die Eigenschaften beobachteter Neutrinos in allen Energiebereichen besser rekonstruieren können.

Die Forschungszentren DESY und KIT fördern das Teilprojekt mit 5,7 Millionen Euro für 430 „mDOMs“ und übernehmen den Zusammenbau. „Das IceCube-Upgrade wurde entworfen, um Astronomie mit Neutrinos und unser Verständnis des Neutrinos als Teilchen erheblich zu verbessern,“ sagt Timo Karg, Wissenschaftler bei DESY und Projektleiter für die optischen Sensoren. „Die bisher mit IceCube gesammelten Daten werden durch das Upgrade erheblich aufgewertet. Wir freuen uns auf eine spannende Zukunft, die der IceCube Detektor bringen wird.“

Andreas Haungs, Leiter der IceCube-Forschergruppe am KIT, unterstreicht: „Mit dem IceCube-Upgrade und dem späteren Ausbau zu IceCube-Gen2 erweitert dieses weltweit einzigartige Neutrino-Observatorium unseren Blick ins All an entscheidender Stelle und trägt dadurch dazu bei, die Rätsel um die Physik der höchstenergetischen Prozesse in unserem Universum zu lösen.“

Zum IceCube-Projekt:

Das IceCube Neutrino Observatorium befindet sich an der Amundsen-Scott Südpolstation. Das Management und der Betrieb des Observatoriums erfolgt durch das „Wisconsin IceCube Particle Astrophysics Center“ an der University of Wisconsin-Madison. Das Wissenschaftsprogramm wird von der internationalen IceCube-Kollaboration mit mehr als 300 Wissenschaftlern aus 52 Instituten in zwölf Ländern durchgeführt. Nach den USA ist Deutschland der wichtigste Partner bei IceCube. Hier sind die Universitäten Aachen, Berlin (Humboldt-Universität), Bochum, Dortmund, Erlangen-Nürnberg, Mainz, München (Technische Universität), Münster und Wuppertal, sowie die Helmholtz-Zentren Deutsches Elektronen Synchrotron DESY und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) beteiligt.

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