Interreligiöse Tagung zur Zukunft der Religionspädagogik
Forschende kritisieren: Christlich-orthodoxer Religionsunterricht noch immer nicht umgesetzt
Bei einer internationalen Konferenz des interreligiösen Forschungsverbunds für religiöse Bildung an der Universität Tübingen diskutierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Situation orthodoxer Kinder und Jugendlicher im Religionsunterricht. Die Tagung stand zugleich unter der Überschrift „Dialog und Kooperation – orthodoxe, evangelische, katholische und islamische Religionspädagogik: Motive, Potenziale, Zukunftsperspektiven“. Organisiert wurde die Veranstaltung am 7. und 8. November von den Tübinger Professoren Dr. Friedrich Schweitzer und Dr. Reinhold Boschki in Kooperation mit Professorin Dr. Fahimah Ulfat von der Universität Münster.
Weiterhin besuchen die orthodoxen Kinder und Jugendlichen bislang den evangelischen und katholischen Religionsunterricht, was sich jedoch bei genauerer Betrachtung als unbefriedigend erweist. Dieser Unterricht ist nicht auf diese Zielgruppe eingestellt und bietet auch wenig Information über das orthodoxe Christentum, seine Glaubensüberzeugungen und Traditionen. Obwohl es inzwischen fast 4 Millionen orthodoxe Menschen in Deutschland gibt, handelt es sich in Deutschland doch um eine Minderheit. In dieser Hinsicht teilen Orthodoxe die Erfahrungen von Musliminnen und Muslimen, für die allerdings in zunehmendem Maße ein Angebot an islamischem Religionsunterricht verfügbar ist. Offenbar ist es möglich und sinnvoll, auch Minderheiten ein solches Angebot zu machen. Auch bei der Ausbildung für den islamischen Religionsunterricht sind nicht zuletzt an der Universität Tübingen deutliche Fortschritte gemacht worden, während entsprechende Ausbildungsmöglichkeiten für den orthodoxen Religionsunterricht noch immer weithin fehlen.
Als vielversprechend wurde auch die religionspädagogische Kooperation zwischen der evangelischen und katholischen, der orthodoxen und der muslimischen Religionspädagogik angesehen. Auch wenn in allen vier Fällen ein eigenes Fach sinnvoll bleibt, gibt es doch viele Möglichkeiten für Dialog und neue Impulse aus einer solchen Zusammenarbeit. Angesichts erheblicher Vorurteile gegen andere Religionen – nicht nur im Verhältnis zur Orthodoxie, sondern auch zum Islam und zum Judentum – erscheint ein solches interkonfessionelles und interreligiöses Lernen besonders wichtig.
Voraussetzung für Kooperationen in der Schule bleibt aber die Einrichtung eines orthodoxen Religionsunterrichts, wie er in Deutschland bislang kaum stattfindet. Auch fehlt es an einer Ausbildung von Lehrkräften für den orthodoxen Religionsunterricht, beispielsweise gerade in Baden-Württemberg, wo es an keiner der Hochschulen eine Professur oder Dozentenstelle gibt, die für orthodoxe Religionspädagogik zuständig wäre. Rechtlich ist ein solcher Unterricht vorgesehen oder zumindest möglich, aber es fehlt die praktische Umsetzung.
Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler waren einhellig der Auffassung, dass es höchste Zeit ist, diesen Missstand zu beheben. Der deutsche Staat bleibe orthodoxen Kindern und Jugendlichen Wesentliches schuldig.
Interreligiöser Forschungsverbund für religiöse Bildung