Religion als Instrument der Herrschaftsstabilisierung und -legitimation:
Pluralitätstoleranz zwischen Herausforderung und Chance (AT)

Dr. Menno Preuschaft

Autoritäre Regime wie die nahöstlichen bzw. nordafrikanischen Monarchien Saudi-Arabien, Marokko und Jordanien haben ein ständiges Interesse an der Stabilisierung und (Re-)Legitimierung ihres Herrschaftsanspruches. Dabei bedienen sie sich unterschiedlicher Strategien; im Falle der genannte drei Systeme u.a. eines religiösen Narrativs, welches als soft-power-Instrument nutzbar gemacht wird. Zugleich bietet eben jenes religiöse Moment eine primäre Angriffsfläche islamistischer Oppositionsgruppen, während – nicht erst seit den politischen Umbrüchen in einigen Ländern der Region – auch der Druck zur Modernisierung im Sinne einer politischen Öffnung auf die Herrscherhäuser und ihre politischen Systeme zunimmt. Um dem von Samuel P. Huntington als „king`s dilemma“ betitelten Zwiespalt zwischen notwendigem Festhalten an Herrschaft sichernder Tradition einerseits und notwendigen Maßnahmen der Modernisierung andererseits zu überbrücken, bedienen sich die genannten Monarchien Strategien, die als „upgrading authoritarianism“ (Steven Heydemann) bezeichnet werden, wie etwa der Schaffung pseudo-demokratischer Strukturen und Prozesse und der Kooptation oppositioneller Gruppierungen und Diskurse.
 
Das Projekt befasst sich mit den Wechselwirkungen zwischen dem religiösen Narrationsmoment zur Herrschaftsstabilisierung und -legitimierung dreier nahöstlicher Monarchien (namentlich Saudi-Arabien, Jordanien und Marokko) und Oppositionsdiskursen, die ihrerseits häufig religiös konnotiert sind, auf den Umgang mit religiöser und weltanschaulicher Pluralität. Ihm liegt die These zugrunde, dass aus dem Kontext des „authoritarian upgrading“ heraus Konzepte von Pluralitätstoleranz – in erster Linie gegenüber religiöser Vielfalt, in geringerem Maße aber auch gegenüber weltanschaulicher und politischer Pluralität – entwickeln können. Gefragt wird dabei nicht nur danach, ob solche Wechselwirkungen auszumachen sind, sondern auch wie (theologisch bzw. ideologisch) argumentativ substantiell die entwickelten Ansätze des Umgangs mit Pluralität sich darstellen.
 
Bislang wurden theoretische Überlegungen zur Präzision des Forschungsvorhabens und seiner Verortung in gegenwärtigen islam- und politikwissenschaftlichen Forschungsdebatten angestellt und im Rahmen der Post-Doc-Gruppe „Religiöse Pluralität als Herausforderung für Religionen und Gesellschaften“ sowie im gemeinsamen Oberseminar mit der Nachwuchsgruppe „Theologie der Barmherzigkeit“ diskutiert. Eine weitere Auseinandersetzung und Diskussion des Forschungsvorhaben wurde zudem auf drei internationalen Konferenzen vorgenommen: Diese waren die internationale Konferenz „Emerging Scholarship on Saudi Arabia: From the First Saudi State to the Present“ (12.-14. Juni 2013, Berlin), das Gulf Research Meeting (3-6. Juli 2013, Cambridge), sowie der Deutschen Orientalistentag im September 2014 in Münster.
 
Diese theoretische Grundlegung und Einordnung des Projektes in gegenwärtige islam- sowie politikwissenschaftliche Diskurse gilt es im kommenden halben bis einem Jahr weiter zu präzisieren und zeitgleich eine erste Prüfung der These exemplarisch am Beispiel interreligiöser Dialoginitiativen durch das jordanische und das saudische Königshaus zu unternehmen.
Hier spielen u.a. auch die zunehmende Einbindung in globale Wirtschafts- und Wissensmärkte sowie stetig voranschreitende mediale Vernetzung eine Rolle.

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